Vor paar Tagen bin ich bei Regen durch die Nacht gefahren. Scheinwerfer leuchteten plötzlich auf und verschwanden wieder im wabernden Nebel. Alles taucht plötzlich auf und bleibt eine Zeit lang und dann verschwindet es wieder im Nichts, aus dem es gekommen ist. Das Dasein besteht halb aus Leben und halb aus Sterben. Wir sterben nicht nur den einen Tod, sondern es stirbt in und um uns herum andauernd irgendwas und irgendwer. Und daneben lebt es auch in und um uns herum, und beides ist gleichzeitig und richtig und letztendlich wahrscheinlich nicht mal ein Gegensatz … In einem meiner Lieblingstexte der Bibel („Alles hat seine Zeit…“) heißt es zum Ende hin:
„Das, was war, ist längst gewesen.
Auch was sein wird, war längst. (Koh 8, 14)
Erklären tut das nichts, alles bleibt letztlich Geheimnis und Rätsel. Wir kommen und dann sterben wir irgendwann. Und darin sind wir alle gleich, alle Lebewesen sind nur zu Gast auf dieser Erde.
Ich weiß das und doch ist mein Herz schwer. Er war krank und mit 14,5 Jahren als absoluter Freigänger hat er ein angemessenes Alter erreicht. Vor 10 Tagen ist er verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt und es ist absolut sicher, daß er nicht mehr kommen wird. Und wir wissen nicht, wie er gestorben ist, ob er das selber geregelt hat, oder ob ein Fuchs ihn abgeschleppt hat in den Bau zur hungrigen Kinderschar, die ihn genauso krachend zerbissen hat wie er es mit den Mäusen machte.
14 Jahre ist er rechts neben mir auf der Hausbank gesessen und hat mit mir in die Nacht hinaus geschaut und dabei hat er unaufhörlich geschnurrt. Er hat immer geschnurrt, mehr als alle anderen der vielen kätzischen Generationen hier am Hof.
Er konnte fremde Menschen nicht leiden und ging ihnen großflächig aus dem Weg.
Berührung an den Pfoten mochte er nicht.
Er lag gerne am Rücken und ließ sich den Bauch kraulen.
Wir waren nicht befreundet, wäre ich nicht viel größer als er gewesen, dann hätte er mich krachend gefressen. Er wohnte da, wo er ausreichend was zum Essen bekam und ansonsten lebte er seiner Wildnatur gemäß ein freies, selbstbestimmtes Leben.
Er hat sich zur Kommunikation mit seinen Menschen das Wort „Meeeh“ zugelegt und konnte damit ganze Geschichten erzählen.
Oft saß er einfach da, schnurrte und sah mich an.
Er liebte es, sein Gesicht in meiner Hand zu vergraben und sofort einzuschlafen.
Er liebte die Nacht, so wie ich und wir gingen oft miteinander spazieren.
Er flüchtete vor mir, wenn ich gesungen oder gepfiffen habe, das Rascheln von Papier machte ihn nervös.
Vor einigen Wochen hat er noch eine große dicke Feldmaus angeschleppt und krachend zerbissen. Er ging auf wackeligen Beinen bis kurz vor seinem Verschwinden noch zu seinem Revier, beim Gehen mußte er alle paar Meter eine Pause machen und sich auf der Straße zum Ausruhen hinlegen.
Er war auf seine Weise immer in meiner Nähe und hatte mich im Blickwinkel, sobald ich irgendwo saß, kam er und puffte seinen Kopf an mich und strich mir um die Beine .
Sein Fell am Kopf hat immer irgendwie ähnlich wie Hühnerfedern gerochen.
Er liebte fein aufgeschnittenen Leberkäs und Butterstückerln.
Plötzlich eines Abends ist er verschwunden und nicht mehr aufgetaucht, niemand hat ihn gesehen. Nirgends eine Spur von ihm.
Ja, er war sehr krank und er hatte ein gutes Leben. Und die Natur hat hoffentlich auf ihre Weise dafür gesorgt, daß er aus diesem Leben gut hinausgehen konnte. Ja, ich weiß, er hatte keine Wahl … wer hat die schon … aber ich glaube, er hätte sicher nicht am Ende in die Tierklinik gewollt, um in die Pfote gestochen zu werden.
Herr Graugans sagt, das ist ein guter Abgang für den Herbert, der beherrschte das plötzliche spurlose Verschwinden … sowie Du …
Ja, wir mochten uns sehr. Jetzt sitze ich alleine auf der Hausbank, andere Katzen streichen um meine Beine, aber der Platz rechts von mir bleibt leer. Ich schaue alleine hinaus in die Nacht und hinauf zu den Sternen. Auf welcher Umlaufbahn wirst Du sein, mein kleiner weißer Kater, flieg, wohin Dich der Wind treibt, dem Paradies und den ewigen Jagdgründen entgegen. Eine leise Wehmut ist in meinem Herzen. Du warst ein gern gesehener Gast in unserem Haus. Aber nicht wahr – auch der liebste Gast kehrt irgendwann in seine Heimat zurück.
Lebewohl mein lieber Herbert.
Herbert 2010 – 2024
Da schreibt die Kraulquappe
… was für eine schöne Liebesgeschichte😻
Es ist, wie es ist, und es kommt, wie es soll, und trotzdem ist es mir weh ums Herz, wenn ich das lese 🧡🐯
Ach ja, liebe Christiane, es ist, wie es ist und wenn ich sein Foto anschau, dann heul ich Rotz und Wasser.
Ja, es ist wie es ist und trotzdem ists nicht mehr so wie es war, einer fehlt.
Was für ein Schöner und wie traurig das ist.
(((💚)))
Sehr berührend 🧡
Neulich sprachst du noch davon und nun ist es also so weit und euer Herbert hat sich aus dem Staub gemacht… Möge er ein friedliches Ende gehabt haben, der schöne Kerl, und möge die Frau mit der Katze, die ja so oder so die Frau mit der Katze bleiben wird, nächtens, wenn sie auf ihrer Bank sitzt und in den Nachthimmel blickt, rechts neben sich nicht nur eine kühle Lücke spüren, sondern ab und an ein warmes Wehen an ihrem Handrücken, ein warmes Wehen wie von weichem, weißen Fell – das wünsch ich dir!
Da kullern die Tränen, während Taiga schnurrend neben mir liegt. Gute Reise lieber Herbert.
Stark.
Ohje. Das Verschwinden der Veteranen. Um „man selbst“ zu bleiben.
Da fällt mir wieder die Geschichte von Festus und dem alten Indianer ein, den er in der Höhle fand und dessen Sterbevorgang er unterbrechen wollte…
Ging natürlich nicht…
Die beste Folge von „Rauchende Colts“ damals, die ich gesehen habe.
Da trifft der Herbert nu also im Haustierhimmel auf Robbie und stutzt:
Wir kennen uns doch! Du hast doch mal ne Nacht lang bei mir vorm Haus im offenen Kofferraum von so’nem Renft-Mobil gesessen!
Und Robbie antwortet: Ich hab dich gerochen, aber nicht zu sehen gekriegt.
Herbert: Weil ich nicht wollte. Ich wusste, dass ihr alle wieder abfahrt.
War so schön damals, als der Robbie so lustig gebellt hat.
Ich vermiss den Herbert ganz arg.