Archiv für den Monat: September 2015

Seid gegrüßt!

Herzlich willkommen alle, die sich jetzt tatsächlich hier eingefunden haben, hier in diesem luftigen Raum, irgendwo zwischen Himmel und Erde! Dieser Raum, nicht vorhanden und doch bewegen wir uns darin, der Boden unter unseren Füssen ist längst weggebrochen, doch wir laufen auf ihm dem Horizont entgegen, wir begegnen uns nicht und doch erhoffen wir uns ein wenig Aufmerksamkeit und daß sich die Einsamkeiten auf unseren Wegen kreuzen.Flüchtlinge sind wir, irren im Niemandsland herum und suchen danach, wahrgenommen zu werden und geduldet…

Alle, alle streben wir auf einen Fluchtpunkt zu, der sich aber wie der Horizont zu verhalten scheint: je mehr wir ihm entgegenlaufen, um so weiter rückt er von uns ab. Nur sehr selten geschieht es, daß sich die Atmosphäre für einen Augenblick so verdichtet, auf den Punkt gebracht, sozusagen, um von da aus neu begonnen werden kann.

Heute, jetzt, durch Eure Anwesenheit, scheint mir so ein Moment entstanden zu sein. Ich freue mich sehr, Euch alle hier begrüßen zu dürfen! Wie gerne würde ich Euch Wein und Brot und Käse auf den Tisch stellen, Schokoladenkekse für die Schleckermäuler und starken heissen Tee mit Rum für die Frierenden, das ist halt der Nachteil einer solch luftigen Zusammenkunft, ich hoffe, Ihr bleibt mir trotzdem gewogen!
Herzlichen Dank für Eure Anreise und Euer Interesse! Zu unseren Arbeiten möchte ich gar nichts sagen, sie sprechen für sich selbst.
Bedanken möchte ich mich bei meinem Administrator Michael, der die Idee für eine Sommerakademie hatte und bei Lu, die bereitwillig mitmachte.
Eine Woche lang die Haus- und Hofangelegenheiten, die nicht aufschiebbaren Arbeiten und die banale, verschlingende Alltagswirklichkeit so weit in Schach zu halten, daß es möglich war, sich auf ein Thema zu konzentrieren, eine schier unüberwindliche Aufgabe! Letztendlich ist es dann so gelaufen, wie es halt meistens läuft in so einer Sommerakademie: Tagelang plagt man sich herum, gerät auf Wege, die sich als Sackgassen herausstellen, die Zeit schreitet voran und kurz vorm Ende geht plötzlich sowas wie ein Knopf auf und dann könnte man Tag und Nacht weiterarbeiten, aber dann ist Abgabetermin! Als wir nach einer Woche uns gegenseitig die Arbeiten zeigten, waren wir erstaunt über die Ergebnisse!

Nach dem Thema unserer Arbeit haben wir nicht lang suchen müssen, wir haben das genommen, was uns am meisten inneren Aufruhr verursacht hat!

: Flüchtling

So, Ihr Lieben, ich hoffe, Ihr haltet so wie wir ein Glas in der Hand und wir trinken auf uns und alle, die auf der Welt herumirren und nach einer Bleibe suchen, laßt uns ihrer gedenken und die eine oder andere Tür aufmachen oder zumindest nicht absperren! Und wisst Ihr was: auf manch einer Vernissage mit vielen „leibhaftigen“ Menschen habe ich weit, weit weniger wirkliche Anwesenheit gespürt als heute hier mit Euch, habt Dank! Prost!

GretlFluechtling

Margarete Helminger :Flüchtling (Text/Illustration/Collage) – mehr Infos unter YouTube

Oneironaut

Michael Helminger Oneironaut:Flüchtling (Eine Selbstbefragung/Videoarbeit) – mehr Infos unter YouTube

LuiselFluechtling

Luise Wittmann :Flüchtling (Malerei/Packpapier) – mehr Infos unter YouTube

Einladung!

Am Donnerstag, dem 24. September um 19.00 Uhr wird hier, im KunsTRaum der Graugans, zwischen Himmel und Erde, die Ausstellung

: Flüchtling

eröffnet und beinhaltet die Ergebnisse unserer heurigen, auf dem heimischen Marxenhof veranstalteten Sommerakademie. Für die Videopräsentation unserer Arbeiten wurde bewusst der virtuelle Raum gewählt, denn wir hoffen natürlich, daß wir in diesem offenen Raum möglichst viele BesucherInnen aus irdischen, sowie interstellaren Räumen, und auch Reisende aus ferneren Galaxien begrüssen dürfen!

Wir werden am 24. pünktlich um 19.00 Uhr an den Rechnern sitzen und ziemlich aufgeregt abwarten, ob sich wohl welche einfinden, die sich mit einem Klick oder einem Kommentar bemerkbar machen und damit an diesem Experiment teilnehmen wollen.

Also, bitte Termin vormerken und Fluggeräte bereitstellen, ich würd mich wirklich wahnsinnig freuen, wenn jemand vorbeischaut hier in diese luftige Verortung, zur virtuellen Vernissage und zum gemeinsamen Weben am Großen Netz…seid Alle herzlich gegrüßt und freudig erwartet!

Menschenschwärme

Daß die toten Menschen im Lkw auf irgendeinem Parkplatz an der Autobahn erst entdeckt wurden, als sie sich bereits in stinkender Brühe aufzulösen begannen, die heruntertropfte, das hat mich in eine abgrundtiefe Traurigkeit versetzt und den kleinen Buben, der tot am Strand liegt, bringe ich nicht mehr aus dem Kopf. Wenn es stimmt, was im Talmud steht, daß, wer ein Menschenleben rettet, die ganze Welt rettet – dann stimmt auch der Umkehrschluß, dann geht die Welt bei jedem vergeudeten Leben unter.

In der Zeitung steht neben einem Spendenaufruf: „Jedes Kind ist ein Zeichen der Hoffnung für diese Welt.“ Ja, und der Kleine, der da im Sand liegt, ertrunken, weil es bei uns nicht möglich ist, legal ins Land zu kommen, der war wohl auch mal ein Zeichen der Hoffnung, und was ist er jetzt?

Der Kapitalismus und damit seine Eliten hätten abgewirtschaftet, schreibt der Philosoph Armen Avanesian in seiner „Kampfschrift“, einem blitzgescheiten Aufsatz zum gegenwärtigen Durcheinander der ins Land drängenden „Menschenschwärme“ und die verachtenden „Lösungsvorschläge“ für die „Flüchtlingsproblematik“.

Das Land ist reich, sehr reich sogar und alle haben Angst, der Reichtum könnte weniger werden und wir wären in irgendeiner Weise nicht mehr abgesichert. Und dann kommen da Hunderttausende und wollen uns alles wegnehmen. Was wir nicht gerne denken ist die Tatsache, daß Kapitalistische Wirtschaftssysteme weltweit nur funktionieren, wenn sie auf systematischer Ungerechtigkeit und Rassismus aufbauen und auf Ausbeutung angelegt sind, von liberaler Freiheit und Gleichstellung kann keine Rede sein. Und dies führt zweifellos irgendwann zu Abwanderung von denen, die grad am meisten darunter leiden. Höchstwahrscheinlich ist eh immer der der Mächtigste, der über den Transit herrscht. Und die Kriege, die in „diesen Ländern“ von den ganz Bösen angezettelt werden – deren Kriege sind immer auch unsere Kriege, das sollte mal in unser Denken einsickern.

Was tun? Momentan einfach alles, was wir können, um Symptome zu lindern, unterbringen, versorgen…aber das wird auf Dauer nicht reichen, daß wir Millionen von Menschen irgendwo in abgelegenen Asylantenheimen als Randproblem unserer Gesellschaft verstecken? Wird es zur radikalen Transformation unseres Wirtschaftssystems kommen wie Avanessian voraussieht, und „das Fass der postdemokratischen Ignoranz zum Überlaufen und uns alle gemeinsam einer Lösung näherbringen“?

Was weiß ich. Ich sehe im Fernsehen Bilder von Menschenmassen im Münchner Hauptbahnhof, die einen kommen übermüdet aus den Zügen und die anderen versuchen ihnen durch Aufstapeln von Stofftieren und Altkleidung zu vermitteln, daß wir durchaus geruhen, so gnädig zu sein, sie aufzunehmen, wenigstens so lang, bis geklärt ist, wer tatsächlich würdig ist, in diesem heiligen Lande weiterhin leben zu dürfen. Alle scheinen für einen Augenblick glücklich zu sein, am Münchner Hauptbahnhof. Ein kleiner Bub saust schnell von der Hand seines Vaters weg, schnappt sich von einem Plüschtierhaufen einen Teddybären, klemmt ihn unter seinen Arm und geht an der Hand seines Vaters weiter, einem Ausgang zu.

Im Aldi bewegen sich die Leute, die auf dem Parkplatz die teuren Automarken stehen haben, langsam in der Schlange vor dem begehrten Backautomaten vorwärts. „Bitte gedulden sie sich einen Moment, unser Produkt wird ofenfrisch für sie zubereitet!“ – sagt eine sehr freundliche Stimme aus dem Nichts.

Es fällt mir das Bild wieder ein, ein Foto, irgendwo in Syrien, ein Kind liegt mitten auf der Straße, es ist an einem Bauchschuß verblutet. Die Mutter hatte es losgeschickt, es sollte ein Brot holen vom Bäcker auf der anderen Seite.