Weil ich, an den Stationen des Kirchenjahres entlang immer wieder mir selbst aus dem Buch: „Das Adolf Holl Brevier“ laut vorlese, habe ich beschlossen, dabei ins Mikrophon zu sprechen und hier zwischen Himmel und Erde zu veröffentlichen. Die Texte erschienen mir eigentlich nicht lang, ein paar Seiten nur, aber laut vorgelesen und für den Blog aufgezeichnet, sind sie doch länger als angenommen, obwohl ich nur Auszüge davon lese. Die geschliffene Brillanz und der feine Humor in diesen Gedanken über Gott und die Welt sollen auf meiner Bühne durch mich sprechen und soweit möglich, ihn, den sehr Geschätzten dort erreichen, wo er sich grad befindet! Eine kleine nachgeschickte Liebesgabe sozusagen. Auf die Frage eines ziemlich überforderten Interviewers, ob er denn glaube, daß es nach dem Tod irgendwie weitergehen könnte, sagte er: „Wahrscheinlich“.
Und auf die Frage, warum er Priester geworden sei, sagte er: „Wegen der Verwandlung“!
Alles hatte in den 70er Jahren angefangen und ich habe die Geschichte schon unzählige Male erzählt. Eines Tages kam ich aus der Stadt nachhause und mein Vater sagte schon bei der Begrüßung, heut hab ich was Besonderes, da wirst schaun! Dann saßen wir am Stubentisch, der Papa schenkte das Weißbier ein und holte aus der Tischublade den Korb mit den Brezn und dann legte er ein dünnes Taschenbuch auf den Tisch: „Jesus in schlechter Gesellschaft“. Das mußt Du lesen, sagte er. Da begann diese lebenslange Verbundenheit mit einem grandiosen Schriftsteller, Priester, Gelehrten … aber am Allerwichtigsten … einem zweifelnden Gottsucher. Durch sein ganzes Werk zieht sich diese Suche nach dem Gott und nicht immer schien sie erfolgreich zu sein.
Seine Mutter hat über ihn gesagt: „Er war halt ein Kantengänger!“
Vor einem Jahr ist er hochbetagt gestorben und hinterläßt ein großes Loch in der Welt.
Ich hätte natürlich über seine Bücher schreiben können, aber seine Texte sind so gut, da sitzt jedes Wort und beim Lesen lasse ich sie mir förmlich auf der Zunge zergehen.
Ja, es ist eine Zumutung, ich weiß, meinem Lesen zuzuhören erfordert Zeit und Geduld und Konzentration, ich riskiere das jetzt einfach mal … wenn es niemanden interessiert, dann ist es halt nur für mich und für ihn dort oben und ich höre sein Lachen und sehe seine Augen vor Schalk blitzen … so wie ich ihn aus dem Fernsehen kenne.
Daß ich überhaupt die Texte lesen darf, verdanke ich Herrn Walter Famler aus der „Alten Schmiede“ in Wien, der das „Brevier“ herausgegeben hat, die Rechte an Holls Werk besitzt und mit ihm viele Jahre stark befreundet war. Hiermit möchte ich mich nochmal herzlich bei Walter Famler bedanken für ein ganz wundervolles Telefongespräch voller Geschichten und humorvoller Plauderei und eine so wohltuend unkomplizierte Art, mit meiner Anfrage umzugehen. Es passiert mir nicht oft, auf einen so angenehm gesprächigen Menschen zu treffen und das Gefühl zu haben, ihn eh schon lang zu kennen. Ich glaube, die Alte Schmiede ist schon jetzt ein Ort, den ich besuchen möchte, was sind schon 350 Km … alles wird möglich nach dieser Seuche.
Die nächsten Tage bis Ostermontag wird immer wieder dieser Sprechbalken hier erscheinen, ich wandle mit dem Brevier in der Hand durch die Karwoche.
Draußen sind die Schneeglöckerlfelder verschwunden und haben den Busch-Windröschen Platz gemacht, auch die Kikerikiblumen und die gelben Sterne und das Gänsefingerkraut blühen um die Wette, der Himmel ist so blau wie er nur im Frühlingstaumel sein kann.
Abends steh ich am ziemlich verwilderten Grab und sag: Ach Papa, jetzt ist der Holl auch schon ein Jahr tot.
Wir sollten uns Briefe schicken mit Gedichten in blaßblauer oder veilchenblauer Tinte, große Worte (wie die Wildgans so schön sagt)voller Sehnsucht und Herzgefühl und Traum, findet Ihr nicht auch?
Textauszüge:
Das Adolf Holl Brevier
Walter Famler (HG.)
Residenzverlag
Foto: Michael Helminger