Die alte Mutter liegt im Sterben. Sie steht auf dem Karussell und dreht die letzte Runde. Immer und immer wieder, denn das Karussell hält nicht an, irgendwann müssen wir loslassen und springen. Sie springt nicht, wie ein kleines zartes Vöglein sitzt sie da. Vom Fahrtwind zerzaust, krallt sie sich an der Stange fest und wartet. Auf was? Schöne Flügel sind ihr gewachsen und sind bereit, loszufliegen. Auf was wartet sie noch? Vielleicht auf die Bö, diesen warmen Aufwind, irgendwann wird er kommen und dann wird sie loslassen und getragen werden hinaus, hinauf in die Ewigkeit, dort hinter den Sternen.
Das Leben ist gelebt, die ihr zugedachten Ressourcen sind aufgebraucht, sie hat das getan, was sie konnte, die Arbeit erledigt und ihre auferlegte Pflicht erfüllt. Sie hat ein Kind geboren, das ist schon lange groß und sitzt jetzt neben ihr und wartet. So wie sie gewartet hat, damals, und es begrüßt hat, als es aus ihr in die Welt hinein geschlüpft ist, so wartet das große alte Kind jetzt darauf, daß die Mutter aus dieser Welt hinausschlüpft. Und so warten sie beide, Tag für Tag, Stunde um Stunde darauf, daß die Bö kommt.
Wo geht das alles hin, die Sehnsucht, die Träume, die Traurigkeit, die Wut, die Enttäuschung und die Liebe, nehmen wir das mit oder bleibt es da oder hört einfach alles auf zu sein? Nimmt die Mutter das kleine Kind, das wir mal waren mit auf ihre Reise oder gibt sie im letzten Atemzug dem großen Kind sein kleines zurück.
Zum Schluß gibt es keine Worte mehr, nur noch ein wenig Atem, bald wird auch er verwehen.
Die Zukunft wird in jedem Augenblick zur Vergangenheit, beide existieren nicht wirklich. Nur die Wirklichkeit scheint wirklich zu existieren, einen kurzen Atemzug richten wir uns ein in ihrem Haus, das keine Wände hat und kein Dach und keinen Boden.
Der Regen hat die duftenden Blüten der wilden Rosen im Fallen mitgenommen und auf dem Boden ausgebreitet.
Auf strahlend blauer Himmelsdecke sitzen drei große weiße Wattebauschen, obendrauf liegt eine riesige Schildkröte auf dem Rücken und hält ihren Bauch in die Sonne.
Der Steinhaufen erglüht im Licht der untergehenden Sonne. Ich sitze so gerne auf warmen Steinen, sagt der Tod und lächelt.
Hier schreibt die Kraulquappe über die Dinge des Lebens