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Mene Tekel

Für morgen hat sie einen Balladentag angekündigt, aber ich konnte es nicht erwarten, deshalb erscheint hier zwischen Himmel und Erde heute schon eine meiner absoluten Lieblingsballaden! Vielen Dank für die Idee und die Einladung, liebe Christiane!

 

Belsazar

Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.
Nur oben in des Königs Schloss,
Da flackert’s, da lärmt des Königs Tross.
Dort oben in dem Königssaal
Belsazar hielt sein Königsmahl.
Die Knechte sassen in schimmernden Reihn
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.
Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
So klang es dem störrigen Könige recht.
Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.
Und blindlings reisst der Mut ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.
Und er brüstet sich frech und lästert wild;
Die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.
Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.
Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovahs geraubt.
Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.
Und er leert ihn hastig bis auf den Grund
Und ruft laut mit schäumendem Mund:
„Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn –
Ich bin der König von Babylon!“
Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward’s heimlich im Busen bang.
Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.
Und sieh! und sieh! an weisser Wand
Da kam’s hervor, wie Menschenhand;
Und schrieb, und schrieb an weisser Wand
Buchstaben von Feuer und schrieb und schwand.
Der König stieren Blicks da sass,
Mit schlotternden Knien und totenblass.
Die Knechtschar sass kalt durchgraut,
Und sass gar still, gab keinen Laut.
Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.
Belsazar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.
Heinrich Heine

Und hier die grandiose Vertonung vom wunderbaren Achim Reichel und seinen extrem guten Musikern, heiß und kalt läufts mir den Rücken hinunter beim Erahnen der flammenden Wahrheit, die uns durch die Jahrtausende hindurch den Spiegel hinhält.

„Mene Mene Tekel Upharsin“ … eine der möglichen Deutungen: Gewogen und zu leicht befunden.

 

 

Ihr und Wir und Du und Ich … „es Glas uf d’Liebi und eis uf z’voue Läbe … uf aui grosse Tröim …“

Uf Mueters Seu wo hüt
Furt isch voder Ärde
Uf au die schöne Ching
Wo hüt znacht gebore wärde
Uf au die Zyt wo isch vergange
Uf au die Zyt wo mir no blibt
Uf die grüene Triebe
Uf die süesse Frücht ide Böim
Uf aui grosse Plän u
Uf aui grosse Tröim
Uf au die wo fiire u no singe
Uf au die wo sueche
U wo vilech sogar finge
Es Glas uf d’Liebi und eis uf z’voue Läbe u
Eis uf au das wo mir nid chöi häbe
Es Tor geit uuf unes angers geit zue
Blibsch i mim Härz (sogar no denn) wes afaht weh tue
Uf au die wo chöi vergässe
Uf au die wo chöi vergäh
Uf au die wones grosses Härz hei
U wosech das nid löh la näh
Ufne gränzelose Himu
Ufnes uferloses Meer
U für immer uf di
Es Glas uf d’Liebi und eis uf z’voue Läbe u
Eis uf au das wo mir nid chöi häbe
Es Tor geit uuf unes angers geit zue
Blibsch i mim Härz (sogar no denn) wes afaht weh tue
Es Tor geit uuf unes angers geit zue
Blibsch i mim Härz (sogar no denn) wes afaht weh tue
Uf Mueters Seu wo hüt
Furt isch voder Ärde
Uf au die schöne Ching
Wo hüt znacht gebore wärde
Uf au die Zyt wo isch vrgange
Uf au die Zyt wo mir no blibt

 

Auf Mutters Seele die heute
Fort ist von der Erde
Auf all die schönen Kinder
Die heute Nacht geboren werden
Auf all die Zeit die vergangen ist
Auf all die Zeit die mir noch bleibt
Auf die grünen Triebe
Auf die süßen Früchte in den Bäumen
Auf alle großen Pläne
Auf alle großen Träume
Auf alle die feiern und singen
Auf alle die suchen
Und die vielleicht sogar finden
Ein Glas auf die Liebe und eins aufs volle Leben und
Eins auf all das was wir nicht halten können
Ein Tor geht auf und ein anderes geht zu
Du bleibst in meinem Herz (sogar dann noch) wenn es anfangt weh zu tun
Auf alle die vergessen können
Auf alle die vergeben können
Auf alle die ein großes Herz haben
Und sich das nicht nehmen lassen
Auf einen grenzenlosen Himmel
Auf ein grenzenloses Meer
Und für immer auf dich
Ein Glas auf die Liebe und eins aufs volle Leben und
Eins auf all das was wir nicht halten können
Ein Tor geht auf und ein anderes geht zu
Du bleibst in meinem Herz (sogar dann noch) wenn es anfangt weh zu tun
Ein Tor geht auf und ein anderes geht zu
Du bleibst in meinem Herz (sogar dann noch) wenn es anfangt weh zu tun
Auf Mutters Seele die heute
Fort ist von der Erde
Auf all die schönen Kinder
Die heute Nacht geboren werden
Auf all die Zeit die vergangen ist
Auf all die Zeit die mir noch bleibt

Vielen herzlichen Dank an Patent Ochsner für den freundlichen Kontakt und die Übersetzungshilfe, und die Erlaubnis, alles hier veröffentlichen zu dürfen!

Das Rosenkarussell und der Herr Jesus

Wie schnell doch die Zeit vergangen ist seit damals im Kinderheim, Anfang der siebziger Jahre als ich ihr im lächerlich kleinen Zimmer mitten im Schlafsaal der Kinder gegenüber saß, meiner Freundin Brigitte.  Ein Raum der Wunder für mich, bunte Flickendecke auf dem Bett, lackierte Obstkisten, Gitarre, Räucherstäbchen  … ein Hauch Berliner Großstadtluft umgab sie … ich war eine kleine Praktikantin und bewunderte sie, die erfahrene Erzieherin. Ich verehrte sie wie eine Königin. Und bis heute bin ich ihr dankbar, daß sie mir von „Franny und Zooey“ erzählte und vom „Fänger im Roggen“, in diese Geschichten bin ich damals eingetreten wie in eine neue Welt und bis heute traue ich mich nicht, sie wiederzulesen, um den Zauber von damals nicht zu zerstören.

Jetzt, 45 Jahre später,  stehen wir in dichtem Nebel, der vom Grenzfluß aufsteigt, vor dem Grab ihrer Familie und sehen zu, wie der Steinmetz mit Pickel und Spaten die uralte Rose unter dem Grabstein herausreißt und ihren Klammergriff abhackt. Ich werde sie mitnehmen, und ihr einen würdigen Platz zum Weiterleben anbieten. Auch die vielen Blumenzwiebeln und was sonst noch so übrigbleibt, wenn man ein Grab auflöst.

Der Blick, im Äußeren vernebelt, führt zu Bestandsaufnahme als Innenschau mit der gnadenlosen Wahrhaftigkeit des Novembers. Nicht nur die Häuser zeigen jetzt die Wunden ihrer Seele, unverblümt und schmucklos … mein Leben liegt vor mir und ich sehe zu, wie bunte Glücksmomente aufleuchten in einem immerwährenden Vergehen … und auf einmal fällt mir wieder dieses kleine Karussell im Englischen Garten ein, so gerne würde ich es wiederfinden, ob es überhaupt noch existiert? Vor Jahren bin ich an einem Novembertag davorgestanden und habe einer großen Liebe nachgeweint. Wir drehen unsere Runden wieder und wieder … aber auch wenn wir uns noch so gut festhalten, irgendwann schleudert es uns hinaus ins All wie so viele vor uns …

Jetzt ist der Ernst also auch gestorben. Einer der letzten Freunde meines Vaters. Ob der ihn als einen „Freund“ bezeichnet hätte, ist fraglich. Der Ernst stand oft beim Vater in der Werkstatt und meistens hörte man ihn herumschreien. Er war halt lange Jahre ein Barrashengst, sagte der Vater, und daher hat er diesen Kassernenton.  Aber der Ernst lag halt mit allen und jedem in Streit wegen irgendwas und kämpfte ständig vor Gericht um seine Rechte. Und wenn er sich aufregen musste, dann hat er geplärrt.  Aufgewachsen ist er in der Barackensiedlung am untersten Rand der Kreisstadt und er hat lautstark ein Leben lang der Welt beweisen wollen, daß jeder sich herausarbeiten kann aus dem Sumpf, wenn er sich nur anstrengt. Stundenlang sind sie in der Werkstatt herumgestanden und mein Vater, ein alter überzeugter Sozi hat sicher nicht zu allem Ja und Amen gesagt, was der Ernst so von sich gab; und jetzt ist er tot.

Frau P., der ich immer eine Flasche Schampus geschenkt habe, wenn ich mir bei ihr ein neues Auto gekauft hatte, ist auch grad gestorben. Immer war sie bestens gekleidet und makellos geschminkt, vielleicht ein bißchen zu schwarz um die Augen und die Lippen etwas zu rot, die Haare hoch aufgetürmt. Sie hatte wunderschön zarte Haut, wie das üppige Frauen oft haben und um sie herum schwebte stets ein teures Düftchen. Ich habe nie bei jemand anderem ein Auto gekauft. Sie selber fuhr nach Möglichkeit eines der PS- stärksten Vorführmodelle und man sah ihr an, wie gern sie selber auf der Piste war, mit durchgedrücktem Gaspedal. Sie war eine Instanz im Autohaus. Schwere Krankheiten musste sie mitschleppen, aber nie hätte sie mit irgendwelchen Klagen die Kundschaft belästigt … nur einmal zeigte sie mir ihre geschwollenen Beine und nur für einen Moment verschwand die Härte in ihren Augen und sie ließ mich den Schmerz sehen. Andeutungen lassen mich vermuten, daß sie sich hinausfallen ließ aus dem Karussell. Ihre Hände waren weich, sehr weich. In der Zeitung steht: Wohnungsauflösung, läuten bei Frau P.

Rose und Lavendel sind im Auto, das Familiengrab ist aufgelöstund wird dem Erdboden gleichgemacht. Mit aufgewühlten Herzen sitzen wir im Café und lassen uns wärmen von der Sicherheit unserer Freundschaft  und von den Kaffeetassen in den kalten Friedhofshänden.

Das Karussell bewegt sich weiter und weiter, alles dreht sich immer nur im Kreis und doch bleibt nichts, wie es war, nach jeder Umdrehung sind wir nicht mehr dieselben und auf Schritt und Tritt begegnen uns das Abschiednehmen, aber auch das Glück, wenn man die Augen offen hält, dann sieht man es , überall.

Ein wenig weiser geworden in meiner Erkenntnis gehe ich hinaus in die Tenne und hole einen Krug mit goldfarbenem Apfelmost, der sich selbst in einen überirdisch guten Zustand gereift hat … die Freude über dieses Geschenk unserer alten Bäume ist grenzenlos. Auf dem Brett über dem Ballon liegt seit vielen Jahren ein steinernes Christusantlitz und man kann es durchaus als sakrale Handlung beschreiben, das Mostholen beim Herrn Jesus.

 

 

 

 

„Das Europa der Muttersprachen“, Ukraine 2

 

Gestern habe ich zum zweiten Mal in meinem ganzen Leben als filmbegeisterter Mensch den Kinosaal während der Vorstellung verlassen, weil ich den Film nicht mehr aushalten konnte. Das erste Mal war bei dem Film : „In einem Jahr mit 13 Monden“ von Rainer Werner Fassbinder. Damals musste ich raus, weil ich die Gesichter und die Hände derer, die im Schlachthof  töteten und das Geräusch der stürzenden Tiere nicht mehr ertrug…

Und gestern den Film zu Beginn des zweiten Tages des Festivals: „The Tribe“ von Myroslaw Slaboschpyzkyj  bei der Szene, in der ein Mädchen mit einer „Engelmacherin“ (eine, die illegal Abtreibungen durchführt) in deren Küche kurz um den Preis feilscht, dann drückt die Frau ihre Zigarette aus und holt ihr „Besteck“ aus dem Kasten und kocht es aus über der Gasflamme vom Küchenherd, dann geht sie raus und holt eine Strick und bindet dem Mädchen die Arme und Beine so zusammen, daß diese sich nicht mehr rühren kann, auf einem Tisch hockend mit gespreizten Beinen im winzigkleinen Clo…da mußte ich rausgehen, denn ich bekam so starken Würgereiz und …es ging nicht mehr.

Der Film spielt in Jetztzeit in einem Taubstummeninternat, es fällt kein Wort, jegliche Kommunikation läuft über Gebärdensprache. Er dauert über zwei Stunden und bis dahin, wo ich rausgegangen bin zeigte er ein Leben in Anarchie, roher Gewalt, Brutalität und Kälte und danach, so habe ich erfahren, wurde es noch viel schlimmer.Ich stehe noch immer unter dem Einfluß dieser Bilder und ich denke nach darüber, was die Aussage dieses Films denn ist…was will er mir sagen?

Junge Männer werden zu Handlangern der Mafia abgerichtet und tun alles, was ihnen befohlen wird, alle Erwachsenen sind entweder Bosse bei der Mafia oder selber deren Handlanger. Die Mädchen werden als Fleischstücke an LKW – Fahrer verkauft, die mit ihnen machen, was sie wollen. In diese Welt gerät ein junger Bursche, der in der ersten Szene mit einem schäbigen Bus durch eine schäbige Gegend fährt und an einer heruntergekommenen Haltestelle aussteigt und mit seinem Koffer zu diesem Internat geht.

In dieser ersten Szene wusste ich schon, daß ich diesen Film nicht ertragen konnte. Am Straßenrand war ein kaputtes Auto zu sehen, gleich ganz am Anfang. Ich habe bei Gott in meinem Leben schon unzählige Schrottautos gesehen, aber noch niemals so ein trostloses braunes Autowrack. Es lag, schon ziemlich von Unkraut überwuchert da und war so lähmend tot und trostlos…kaum auszuhalten dieses Zeichen des gleichgültigen Verderbens.

Was soll dieser Film aussagen über die heutige Situation in der Ukraine?

Ich bleibe ratlos zurück.

Auch, daß zwischen zwei jungen Menschen ein zartes Gefühl entsteht inmitten dieses Schlachtfeldes der Bestie Mensch, soll es heißen: Schau her! Trotzdem gibt es Hoffnung, trotzalledem gibt es die Liebe…ich weiß nicht, was ich denken soll. Vorhin hab ich noch den wie immer brilliant geschriebenen Blogeintrag von Madame Filigran gelesen über das Böse…ich mag es nicht glauben, daß es „Das Böse“ gibt, obwohl mir das meine christlich-abendländische Erziehung mit allen Mitteln der Gehirnwäsche eingetrichtert hat…nein, ich mag mich dieser angeblichen Existenz des Bösen nicht ergeben…noch dazu, weil es ja angeblich von einer Frau in die Welt gebracht wurde, dadurch, weil sie (Eva , aber noch schlimmer die wilde Lilith) den Mann dazu verführte, zu Erkenntnis über das eigene Tun zu gelangen…

Aber das alles führt jetzt viel zu weit, ich glaube, jede / r  sollte unbedingt zumindest versuchen, diesen Film sich anzusehen und dann darüber zu sprechen…denn genau dazu sind doch so extrem anstrengende Festivals da, daß man miteinander ins Gespräch kommt über alle Grenzen und Barrieren hinweg, oder? Es gibt den Film auf DVD.

Ich werde mich jetzt in das abschließende Programm hineinstürzen und in den nächsten Tagen mit ein wenig Abstand nochmal berichten von diesem Glücksfall eines Verständigungsversuchs innerhalb der Kulturen.

Fallwind…

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Die alte Katze Mimi geht hinter mir im Haus die Stiege runter. Sie ist sehr schwach geworden in den letzten Tagen und das bisschen Kraft, das sie noch hat, verschwendet  sie nicht dafür, zu essen oder sich zu waschen, sondern, um jetzt zur Haustüre hinauszukommen, in die Sonne.

Als ich mich umdrehe, schaut sie mir lange in die Augen und ich sehe in die dunkle Unendlichkeit des Universums. Uferlose Weite im Blick eines Wesens, das sich anschickt zu sterben.

Am Abend wankt sie  mit letzter Kraft ins Haus und bleibt liegen, wo ich sie hinbette.

Heute trage ich sie auf den Balkon, da liegt sie in der Sonne, wie so oft in ihrem Leben.

Gnadenloser Föhn , warmer Fallwind, weht sanft ums Hauseck und sorgt dafür, wie unter einem Vergrößerungsglas die Dinge des Lebens neu zu betrachten und mit Wehmut erkennen zu müssen, daß manch ein Traum längst weggeflogen ist und manch eine Wahrheit brüchig wird, wenn ich genauer hinsehe.

Dieser blöde Föhn, immer wieder kehrt er mir das Innerste nach außen und besteht  darauf, genauer, noch viel genauer hinzusehen, was wirklich zählt.

Manch eine hinausgeschobene Entscheidung will endlich getroffen werden, um sich von Vergangenenem zu lösen und Freiheit für die Zukunft zu bekommen.

Welche alten Verbindungen halten noch…gibt es neue, die schon halten?

Was bleibt übrig?

Die Berge verringern dramatisch ihren Abstand, rücken näher, färben sich nachtblau am hellichten Tag, der Himmel steht in Flammen…

Letztendlich bleibt nur die Erkenntnis übrig, daß ich umso reicher werde, je mehr ich verschenke, daß nur das bleibt, was ich loslasse, und daß Liebe dann entsteht, wenn ich liebe…so einfach ist es.

Warum, frage ich mich, kommen seit Jahren alle Katzen zu mir und wollen in meiner Nähe bleiben, wenn es zum Sterben ist? Wilde werden plötzlich zahm und Katzen, die normalerweise nie so unhöflich wären, jemand lange in die Augen zu schauen, suchen meinen Blick und dann sprechen sie mit mir, jammern und klagen in einer Sprache, die ich zwar erahne aber nicht dechiffrieren kann.

Die alte Katze Mimi liegt ruhig da und atmet sich leise dem Tod entgegen, nein keine dramatischen Lebensrettungsaktionen mehr, keine Fahrt zur Tierklinik und schon gar keine Todesspritze.

Sie darf in ihrem eigenen Tempo auf die letzte Reise gehen, in der Nähe von uns, ihren Lebensmenschen, immer wieder sehen wir nach ihr, das Leben vollendet sich…ja, natürlich weine ich ein wenig, aber ich werde sie gehen lassen, dorthin, wo Fragen und Antworten aufhören… und ich lasse das Mantra leise laufen, von dem es mal geheissen hat, daß es der Dalai Lama für einen Freund gesungen habe, um ihm das Sterben leicht zu machen.

Ein Gesang, den ich seit Jahren erfolglos gesucht habe, merkwürdig, plötzlich ist er einfach da…er soll sowohl beim Sterben als auch beim Leben helfen …vielleicht deshalb, weil beides ja eigentlich eins ist

oder

wir womöglich das eine und das andere eh nur träumen?

Wer weiß das schon, nicht wahr?

 

Während ich an diesem Text schrieb und das Mantra lief ist sie gestorben, weggegangen auf leisen Pfoten…

Gute Reise Mimi.

Dank an meine Schwester, das Felltier, für alles.

Ruhe in Frieden.

Reich

Am 24. Juli um halb zehn Uhr abends, vor unglaublichen 64 Jahren, ist mein Vater mit dem Motorrad heimgekommen und hat glücklich und aufgeregt ins alte Haus hineingerufen:
„a Dirndl hamma, jetzt mog i a Halbe!“

Am Tisch sitzen zwölf Leute im alten Getreidekasten, mit vielen Kerzen, denn es gibt dort keinen Strom. Alle sind gekommen, um mit mir in mein neues Lebensjahr hineinzufeiern. Wir teilen alles, den Braten, den Wein, das Bier und unsere Geschichten. Mit vielen verbindet mich jahrzehntelange Herzensfreundschaft. Es wird durcheinander geredet, laut palavert über Sorg und Leid aber auch über die ganzen „wisst Ihr noch, als wir damals…“ und was wir alles schon miteinander erlebt haben, wo wir schon überall auf Exkursion waren, weil ich wieder einer geheimnisvollen Geschichte auf der Spur war, die in Radlkeller statt Kulthügel endete. Und auch darüber, daß überall auf der Welt sich die Menschen gegenseitig totschießen. Und wir sitzen hier und uns laufen die Tränen runter, weil wir so viel lachen. Ja, es gibt immer diese Gleichzeitigkeit. Irgendwo wird immer geschossen und woanders gelacht.
Ich fühle mich so beschenkt, ich sehe diese freundlich lachenden frohen Gesichter und ich frage mich:  Würden wir es erkennen, wenn einer von uns verlorenginge, depressiv würde und droht, abzustürzen…ja, ich bin sicher, wir würden uns suchen und da sein füreinander und uns halten.
Was für ein Glück, zu wissen, es sind Menschen da, auf die ich mich tausendprozentig verlassen kann.
Wir verändern die Welt nicht, wir sind nur wenige, aber  wir halten zusammen und wenn ein paar neue dazukommen, wird der Kreis einfach erweitert.  Wie selbstverständlich das junge afghanische Paar mit Baby dabeisitzt und mitlacht, wir sprechen nicht die gleiche Sprache und doch verstehen sich alle prächtig.
Augenblicke des Glücks. Irgendwann wird die Gitarre ausgepackt und die ersten Klänge jagen mir einen Freudenschauer über den Rücken. Heute darf ich mir aussuchen, was gesungen wird und wie oft und alle singen gutmütig mit, um mir eine Freude zu machen…unzählige Male mein Lieblingslied „an der Saale hellem Strande“, und nicht mehr zu zählen, wie oft wir  „Wilde Gesellen, vom Sturmwind umweht singen, weil mir
„…uns geht die Sonne nicht unter“ so gut gefällt…

…alles, alles wird gesungen, alles darf ich mir wünschen, meine Güte , wie reich ich doch bin!

„Whatever you want“…bis hin zum „Schuld war nur der Bossa Nova“…zwischendurch wird geblödelt bis zum Abwinken, manche Töne liegen nicht mehr ganz exakt, aber wir singen mit Inbrunst und aus Freude…aus purer Lebensfreude.

Beim vierstimmigen, magischen „Alperer“ – Jodler bekommen wir nasse Augen.

Und dann ist Mitternacht und Irm singt das wundervolle Lied: „Mir gehts ähnlich“ und da ich nicht genug kriegen kann davon, singt sie es halt mehrere Male.

Schade, ich hab es nirgendwo gefunden, sollte es jemand haben, tät ich mich so freuen, wenn ich es hier erklingen lassen könnte! Ich hoffe ja, daß der wunderbare Herr Ärmel das liest und…

Na, was sag ich denn, hier isses schon! (Herr Ärmel,Sie haben was gut bei mir! )

 

Ja, und irgendwann gehen alle heim oder liegen auf dem Sofa in der Stube und ich sitze vor meinen Geschenken und fühle mich vom Glück umarmt. Ich bin so reich beschenkt mit Gutscheinen für Ausflüge an geheimnisvolle Orte, Zaubergeschichten, Rosen, ein Freund schenkt in wissender Vorausschau eine Schachtel Blues vom Feinsten, um mich für das neue Lebensjahr musikalisch gut zu versorgen und stark zu machen für alles, was so kommt…einer schickt mir einen Wunsch durch die Nacht, der mir Glanz in die Augen zaubert und ein Seelenverwandter sagt, daß jetzt die beste Zeit wäre, um so richtig neu durchzustarten…soviele gute Wünsche fliegen durch alle Welten, analog und digital,

als ich um fünf Uhr am Geburtstagsmorgen ins Bett falle, bin ich nur noch dankbar und trunken vor Glück und ich denk mir, wenn ich in diesem Moment stürbe, tät ich es als reichste Frau der Welt!

Morgen werde ich zum Vater Rhein fahren, freue mich so sehr darauf, an den Großen Fluß zu kommen.

Aber heute gehe ich noch zu meiner wilden Mama und lege ihr meinen Herzensdank und eine rote Rose auf ihr Grab. Denn sie hat mir das allergrößte Geschenk gemacht:

Mein Leben.

„Schlachtfeld Mensch“…?

Für einen Augenblick möchte ich hier zwischen Himmel und Erde die gerade entstehende wundervolle Geschichte am Feuer unterbrechen, um eine Geschichte zu erwähnen, die gerade erst in Echtzeit geschah und zu einem sehr traurigen Ende kam.

Ich bedauere sehr, daß @lz, „Der versteckte Poet“ in so eine bedrängte Lage geraten ist , hier in diesem „Bloghausen“, wie wir das immer so nett nennen, daß er keinen anderen Weg mehr für sich sah, als seine komplette Internetexistenz zu löschen.

Daß Menschen sich gegenseitig in große Not bringen, wissen wir natürlich, das kommt ja täglich aus den Kriegsgebieten zu uns. Hier passiert es auch, hier im Netz, unter uns freundlichen BloggerInnen, vor unseren Augen, sozusagen, und es geht schneller, als wir denken.

Ich kenne nicht alle Einzelheiten und nicht die Argumente beider verfeindeter Lager, um mir ein Urteil erlauben zu können und ich will mich auch nicht einmischen, trotzdem

finde ich es empörend, daß es dazu kommen muß,

daß ein Mensch keinen anderen Ausweg mehr hat, als alles, was er sich im virtuellen Raum geschaffen hat, auszulöschen, um Ruhe zu haben.

 

Ich bin sehr traurig über solche Geschichten und ich bin traurig über die Tatsache, daß einer der schönsten Blogs, eine feingeistige, freidenkende, freudeschenkende Oase der Kunst nicht mehr existiert. Ich vermisse den wunderbaren „Versteckten Poeten“ und möchte ihn bitten, wieder zu kommen, dennoch, trotzalledem…

Ich danke Dir tausend Mal, lieber versteckter Poet, für alles Wunderbare, was ich durch Dich an erweiterter Sicht über die Kunst erfahren durfte.

Ich grüß Dich herzlich

Deine Graugans, nicht mehr so aufgeregt schnatternd…denn was,  zumindest hier im Virtuellen, gelöscht wurde, kann jederzeit woanders in Ruhe wieder aufgebaut werden!

 

An Alle!

Ihr Alle in näheren oder ferneren Galaxien, die Ihr grad mit fiebrigen Grippeköpfen, laufenden Nasen, wirren Träumen, schmerzenden Schädeln und Husten zum Erbarmen herumsitzt oder liegt – die Ihr schiefer in der Welt hängt, als beabsichtigt, weinerlich, voll Jammer über irgendwas Blödes oder vielfältigstes plagendes Malaisentum:

Ich wünsche von Herzen gute Besserung, daß Ihr alles ertragt, was nicht abzuwerfen geht und alles andere runterschmeissen könnt, wie die Sandsäcke aus einem Ballon…

Ich versuche, die Große Virtualie zu durchdringen, schicke Kamillendampf, heisses Ingwergewässer, Tee von der Frau Holla und puste Euch eukalyptische Gerüche in die Nase, versende so gut wie möglich, warme Gedanken und verspreche heiß und innig, daß der Frühling in ein paar Wochen kommen wird, glaubt mir, denn bisher hat es immer funktioniert! Ich geb Euch allen die Hand, irgendwie kommen wir schon klar, und jetzt mummelt Euch schön ein, macht ein warmes Fußbad und werdet wieder gesund!

Liebe Grüsse und Arvo Pärt zum Rekonvaleszieren!

Sollte jemand weitere musikalische Argumente gegen virale Übergriffe und als Schnupfnasentherapie vorrätig haben, bitte gerne hier abgeben!

 

Einladung!

Am Donnerstag, dem 24. September um 19.00 Uhr wird hier, im KunsTRaum der Graugans, zwischen Himmel und Erde, die Ausstellung

: Flüchtling

eröffnet und beinhaltet die Ergebnisse unserer heurigen, auf dem heimischen Marxenhof veranstalteten Sommerakademie. Für die Videopräsentation unserer Arbeiten wurde bewusst der virtuelle Raum gewählt, denn wir hoffen natürlich, daß wir in diesem offenen Raum möglichst viele BesucherInnen aus irdischen, sowie interstellaren Räumen, und auch Reisende aus ferneren Galaxien begrüssen dürfen!

Wir werden am 24. pünktlich um 19.00 Uhr an den Rechnern sitzen und ziemlich aufgeregt abwarten, ob sich wohl welche einfinden, die sich mit einem Klick oder einem Kommentar bemerkbar machen und damit an diesem Experiment teilnehmen wollen.

Also, bitte Termin vormerken und Fluggeräte bereitstellen, ich würd mich wirklich wahnsinnig freuen, wenn jemand vorbeischaut hier in diese luftige Verortung, zur virtuellen Vernissage und zum gemeinsamen Weben am Großen Netz…seid Alle herzlich gegrüßt und freudig erwartet!

Menschenschwärme

Daß die toten Menschen im Lkw auf irgendeinem Parkplatz an der Autobahn erst entdeckt wurden, als sie sich bereits in stinkender Brühe aufzulösen begannen, die heruntertropfte, das hat mich in eine abgrundtiefe Traurigkeit versetzt und den kleinen Buben, der tot am Strand liegt, bringe ich nicht mehr aus dem Kopf. Wenn es stimmt, was im Talmud steht, daß, wer ein Menschenleben rettet, die ganze Welt rettet – dann stimmt auch der Umkehrschluß, dann geht die Welt bei jedem vergeudeten Leben unter.

In der Zeitung steht neben einem Spendenaufruf: „Jedes Kind ist ein Zeichen der Hoffnung für diese Welt.“ Ja, und der Kleine, der da im Sand liegt, ertrunken, weil es bei uns nicht möglich ist, legal ins Land zu kommen, der war wohl auch mal ein Zeichen der Hoffnung, und was ist er jetzt?

Der Kapitalismus und damit seine Eliten hätten abgewirtschaftet, schreibt der Philosoph Armen Avanesian in seiner „Kampfschrift“, einem blitzgescheiten Aufsatz zum gegenwärtigen Durcheinander der ins Land drängenden „Menschenschwärme“ und die verachtenden „Lösungsvorschläge“ für die „Flüchtlingsproblematik“.

Das Land ist reich, sehr reich sogar und alle haben Angst, der Reichtum könnte weniger werden und wir wären in irgendeiner Weise nicht mehr abgesichert. Und dann kommen da Hunderttausende und wollen uns alles wegnehmen. Was wir nicht gerne denken ist die Tatsache, daß Kapitalistische Wirtschaftssysteme weltweit nur funktionieren, wenn sie auf systematischer Ungerechtigkeit und Rassismus aufbauen und auf Ausbeutung angelegt sind, von liberaler Freiheit und Gleichstellung kann keine Rede sein. Und dies führt zweifellos irgendwann zu Abwanderung von denen, die grad am meisten darunter leiden. Höchstwahrscheinlich ist eh immer der der Mächtigste, der über den Transit herrscht. Und die Kriege, die in „diesen Ländern“ von den ganz Bösen angezettelt werden – deren Kriege sind immer auch unsere Kriege, das sollte mal in unser Denken einsickern.

Was tun? Momentan einfach alles, was wir können, um Symptome zu lindern, unterbringen, versorgen…aber das wird auf Dauer nicht reichen, daß wir Millionen von Menschen irgendwo in abgelegenen Asylantenheimen als Randproblem unserer Gesellschaft verstecken? Wird es zur radikalen Transformation unseres Wirtschaftssystems kommen wie Avanessian voraussieht, und „das Fass der postdemokratischen Ignoranz zum Überlaufen und uns alle gemeinsam einer Lösung näherbringen“?

Was weiß ich. Ich sehe im Fernsehen Bilder von Menschenmassen im Münchner Hauptbahnhof, die einen kommen übermüdet aus den Zügen und die anderen versuchen ihnen durch Aufstapeln von Stofftieren und Altkleidung zu vermitteln, daß wir durchaus geruhen, so gnädig zu sein, sie aufzunehmen, wenigstens so lang, bis geklärt ist, wer tatsächlich würdig ist, in diesem heiligen Lande weiterhin leben zu dürfen. Alle scheinen für einen Augenblick glücklich zu sein, am Münchner Hauptbahnhof. Ein kleiner Bub saust schnell von der Hand seines Vaters weg, schnappt sich von einem Plüschtierhaufen einen Teddybären, klemmt ihn unter seinen Arm und geht an der Hand seines Vaters weiter, einem Ausgang zu.

Im Aldi bewegen sich die Leute, die auf dem Parkplatz die teuren Automarken stehen haben, langsam in der Schlange vor dem begehrten Backautomaten vorwärts. „Bitte gedulden sie sich einen Moment, unser Produkt wird ofenfrisch für sie zubereitet!“ – sagt eine sehr freundliche Stimme aus dem Nichts.

Es fällt mir das Bild wieder ein, ein Foto, irgendwo in Syrien, ein Kind liegt mitten auf der Straße, es ist an einem Bauchschuß verblutet. Die Mutter hatte es losgeschickt, es sollte ein Brot holen vom Bäcker auf der anderen Seite.