In Klagenfurt beim Bachmannwettbewerb ist ihm von Ranicki § Co. gesagt worden: „Sie gehören hier nicht hin!“ Und in einem dieser völlig überflüssigen Interviewversuche, diesmal mit H. Karasek, in dem ein viel zu gescheiter Schriftsteller auf die etwas einfältigen Fragen intelligent antwortet, weil er zu nichts anderem fähig ist, läuft das ganze nervige Gerede darauf hinaus, daß der eine sagt, er wäre kein Schriftsteller, er wüsste nicht so recht, was das denn sei und der andere sagt, ob er denn ein Publizist sei? Jörg Fauser sagt: „Ich bin Geschäftsmann. Ich vertreibe Produkte, die ich herstelle, und das ist ein Geschäft.“
„Writing is my business.“ Karasek: “ Aha.“
Dieses Interview ist im Buch „Rohstoff“ von Jörg Fauser, zusammen mit einer mir gleichfalls eher überflüssig erscheinenden Nachrede von B. v. Stuckrad-Barre. (Verlag Diogenes)
Dieser „Rohstoff“ ist jetzt endlich auch bei mir gelandet und das verdanke ich der kleinen großen Literaturzeitung „Drecksack“ von Florian Günther aus Berlin, denn da gibt es eine ganz wunderbare Sonderausgabe über Jörg Fauser, der im Juli 70 Jahre alt geworden wäre, wenn ihn nicht 1987 unter sehr merkwürdigen Umständen auf der Autobahn bei München ein Lastwagen totgefahren hätte.
Nein, ich werde keine Sätze zitieren aus dem Roman, das käme mir frevelhaft vor. Ich habe mich beim Lesen von „Rohstoff“ schon öfters gefragt, was denn dieses ganze Suff- und Drogenzeugs mit mir zu tun hat und ob ich mich unbedingt durch die schmerzende Wahrhaftigkeit dieses Textes quälen müsste. Ja, und dann habe ich dieses Buch ausgesaugt bis auf den letzten Tropfen…und ja, es hat was mit mir zu tun, diese gnadenlose Ehrlichkeit, mit der er sagt, was ist und wie all die Gescheiterten doch immer wieder von was träumen und dann wieder scheitern und hinfallen und wieder aufstehen und trotzdem nichts Heldisches haben.
Ich glaube ihm, denn er ist einfach saugut geschrieben, dieser Roman „Rohstoff“ von Jörg Fauser! That´s it.
„Ich halte den Künstler, den Schriftsteller, nach wie vor für einen Aussätzigen, sich selbst Aussetzenden, außerhalb und mit dem Rücken zu jedweder Gemeinschaft und Gesellschaft Stehenden.“ (Jörg Fauser im Essay „Der Strand der Städte)
Seit dem 23. Juli durchwandern wir Löwe, das Zeichen der Sonne, das Herz des kosmischen Menschen. Löwe bringt sichtbar hervor, was Krebs als kreatives Potential ermöglicht hat. Die Blüte hatte sich zur Frucht gewandelt, ist überreif zu Boden gefallen und ergießt sich in ihrer ganzen Fülle über die Welt.
Löwe heißt: Hitze, Leidenschaft, Herzensfreude und Liebe im Übermaß zu haben und aus vollem Herzen zu verschenken, sich zu verströmen, sich zu „vergeuden“, in dem sicheren Bewußtsein, es ist genug da für alle!
In der Dreigestalt der Göttin verkörpert Löwe die Mittlere, die den Faden weiterreicht, die Frau in den „besten Jahren“, in der Glut ihrer Herzenskraft, die Frau, die die Früchte ihres Lebens genießen darf.
Das wärmende Feuer, alle sind wir nun aufgerufen, es anzuzünden und zu bewahren, ALLE! Denn manch ein Löwe blieb schon leicht fröstelnd an der vergehenden Glut alleine hocken, nachdem sich alle Frierenden von seinem Herzensfeuer holten, um mit hell leuchtenden Laternen wieder zu verschwinden, ja, ich weiß, von was ich rede! Auch Löwen brauchen Liebe, Anerkennung, Lob und das Gefühl, einmalig zu sein und von großer Wichtigkeit, dann erhellt ihr Strahlen die Welt! Glaubt mir!
Kommt, laßt uns die Früchte des Sommers genießen, laßt uns aneinander entzünden und unsere Feuer brennen, ganz egal was war, was noch passiert, JETZT wollen wir uns freuen aneinander und miteinander und einen Freudenschrei tun und einen Luftsprung machen und mit Alexis Sorbas, dem weisen Griechen sagen: „Gott hat dir die Welt nicht gegeben, damit du ihr entsagst, sondern damit du sie feierst!“
Komisch, Virgilio, ständig blitzt mir abends dieses Fenster entgegen, früher ist mir das nie aufgefallen. Mir ist ein bisschen, als hätte ich Dich gekannt, was ja nicht sein kann, nicht wahr, zwischen uns lagen schließlich die Alpen. Mir ist, als würde ich Dich vermissen, Virgilio, aber auch das kann nicht sein, wir kannten uns ja nicht. Ich trage seit Jahrzehnten einen Terminkalender mit mir herum, der, zum Hineinschreiben völlig unbrauchbar, aber zum Herauslesen lebensrettend ist. Du weißt, über manch einen Tag trägt uns nur die Poesie, nicht wahr?
Hier, am Nordrand der Alpen, staut sich gerade die Sehnsucht nach dem Süden, die sich vorher durchs Land bis zu uns heruntergewälzt hat. Auto für Auto wird unter dem Gebirge hindurchgezerrt, um dann irgendwo am Meer das Eigentliche zu erleben…das, wovon alle träumen…
Wovon wirst Du geträumt haben? Auf einem Foto sehe ich schwarze Augen, ein gescheites Gesicht… ich lese: Altphilologe, promoviert, Schriftsteller, Lektor, Freund, Regenschirmvertreiber… Du hast über mythologischen Themen geforscht, Deine Arbeit über Pan hätte mich interessiert.
Der Poet ist gegangen, sein Werk hat er dagelassen. In jedem Gedicht ist eine Pforte verborgen, allein der Wunsch öffnet die Tür… die Geschichte beginnt mit Antworten auf Fragen, die man nie gestellt hat.
Ciao, Virgilio!
Nachts
Ich möchte dass es nie mehr Sommer wird
dass der Regen nicht aufhört die Birken
ihr Grau behalten der Asphalt den
Scheinwerferglanz
vor dem Wind die Läden ver-
riegeln im Turm von den Balken es
lesen Was weiss ich? dann draussen wir
schwarzweiss
das Pflaster gehn durch einen
Film ohne Tonspur doch wenn du
aufsiehst im Kreuzungslicht
diese bläulichen
Kreise hinter den Wimpern und wie dir´s
in die Stirne fiele das Rot.
Virgilio Masciadri
(mein herzlicher Dank an die Poesie-Agenda des Orte Verlags für´s Ausleihen!