Nach unserer Pause schreiben die Kraulquappe und ich wieder einmal in der Woche parallel am neuen Kreuzungspunkt um 23.12 Uhr am Dienstag.
Die Nacht ist erstaunlich hell, der Himmel ist übersät mit Sternen, viele von ihnen schicken ihr Licht aus ungeahnten Fernen und strahlen und blinken, obwohl sie doch längst erloschen sind. Bevor mich die Kühle der Nacht hineintreibt, sitze ich kurzärmlig auf der Hausbank und schaue hinauf, oder sollte ich lieber sagen, hinaus, denn wir leben auf einer Kugel, die mit irrer Geschwindigkeit durch das All rast. Nur durch dieses Wunder der Anziehungskraft sind wir mit den Füssen magnetisch an die Erde geklebt und können uns auf ihr bewegen ohne weggeschleudert zu werden. Alles funktioniert reibungslos, so lange wir das perfekte System nicht stören, sobald sich irgendwelche Distanzen ändern, oder die Achse um wenige Grade sich verschiebt, kippt alles um, die Meere laufen aus und es ist vorbei mit der Menschheit auf diesem Planeten. Wir wissen, daß bestimmte Kipp-Punkte bereits erreicht sind und wir ändern nichts, sondern hoffen, daß es schon irgendwie gutgehen wird, bis jetzt gings ja auch, nicht wahr. Und so lassen wir es halt, wie es ist.
Vorhin kam in den Nachrichten, daß der Iran Raketen auf Tel Aviv geschossen hat. Alle reden davon, daß die Kriege beendet werden müssen, alle wollen nur Frieden und gleichzeitig werden um uns herum den Müttern die Söhne, die sie neun Monate im Bauch herumgeschleppt haben und unter großen Schmerzen geboren, weggeschossen von den Söhnen anderer Mütter, weil die jeweiligen Machthaber das so wollen, auch die sind Söhne von Müttern. Kein Ende abzusehen.
Heute auf unserer alltäglichen Radlrunde haben sich auf einem Sonnenblumenfeld die Köpfe alle nach Osten gedreht, der Sonne entgegen, was aber um 18 Uhr abends merkwürdig ausgesehen hat, im Westen hingen graue Regenwolken am sonnenlosen Himmel, es hat sich wohl nicht rentiert, sich dafür extra umzudrehen, im Westen nichts Neues, man wartet lieber auf den nächsten Morgen.
Manchmal, wenn ich am Nachmittag draußen sitze und Äpfel kleinschneide für den abendlichen Strudel, dann könnte man es fast schon idyllisch nennen, was mich umgibt, die Katze streicht mir zart um die Beine, zwischen den Hochspannungsmasten sitzen sieben Krähen in genau gleichem Abstand, hin und wieder plumpst eine reife Birne vom Baum ins Gras, ein Radfahrer kommt vorbei und grüßt freundlich, vor mir an den Wildrosenzweigen hängen schwer die leuchtend roten Hagebutten und dann steht auf einmal ein Regenbogen am Himmel und spannt sich übers Tal und dann noch ein zweiter dazu. Nein, kein Handyfoto, nichts teilen, man kann diesen Augenblick nicht teilen, er teilt sich selbst mit, existiert aus sich heraus und ist einmalig, er kann nicht weitergereicht werden. Man kann ihn nur geschehen und ins Herz sickern lassen und zusehen, wie er wieder blasser wird und vergeht. So wie auch wir kurz aufleuchten und wieder vergehen.
Langsam, ganz langsam färbt der Herbst die Blätter.
Die Freundin sagt, laß uns bitte in diesem Leben noch viel laut singen und tanzen, ja sehr gerne. Jetzt ist es an der Zeit, die weiten schwarzen Röcke anzuziehen, darunter sind aber noch deutlich die roten Unterröcke zu sehen beim Tanzen. Wir bilden einen Kreis und halten uns an den Händen, die eine Hand empfängt, die andere gibt und unsere Füsse gehen im Takt der Trommel und unsere Schritte hinterlassen das uralte Muster eines Mäanders auf der Erde. Der Schritt ist einfach, ich zeige ihn Euch gerne. Kommt und laßt uns tanzen und singen das Lied für die geschundene Mutter Erde mit all ihren Lebewesen: Gula Gula
Und die Kraulquappe hat sicher auch schon was geschrieben!