Riesige Quellwolken türmen sich am Himmel, der genauso tiefblau ist wie der Eimer, der bis zum Rand voll mit Birnen und Äpfeln im Gras neben mir steht. Die Wolken sind überirdisch strahlend weiß, so weiß, wie mein Kleid sein sollte, in dem ich zur Erstkommunion gehen würde. Alle Mädchen hatten neue weiße Kleider an am Kommunionstag, nur ich nicht, denn meines war ausgeliehen von der Cousine, war aus teuerem Stoff, hatte aber eine Art Gelbstich und führte dazu, daß ich an meinem Ehrentag unglücklich war und mich schämte vor all den strahlend weißen Mädchen. Unerfüllte Sehnsüchte gingen immer neben uns herum und manchmal haben sie sich aufgetürmt wie die Quellwolken am Himmel und manchmal rannen sie mit dem Gewitterregen herab und versanken im Boden. Mein Vater wäre gerne ein Bauer gewesen, weil er sich nach all der Anerkennung gesehnt hat, die derjenige erfährt, der genug Land besitzt und Wald und Tiere, um „dazuzugehören“, aber der Hof war viel zu klein und Armut erfährt keine Achtung … niemals. Meine Mutter hatte Sehnsucht nach dem Theater, aber der Weg auf die Bühne war für immer versperrt.
Als es damals im nahegelegenen Marktflecken noch ein Kino gab, sind sie manchmal mit dem Motorrad hingefahren und haben sich begeistert „Ben Hur“ und „Quo vadis“ angesehen.
Quo vadis?
An einem Abend schaue ich zu, wie die Sonne am Horizont zum glühenden roten Ball wird und langsam in den See eintaucht. Ich denke an die Blogfrau aus dem Waldviertel und an dieses Bild der Sonne in ihrem letzten Blogbeitrag, in dem sie ausrichten ließ, daß es sie in dieser Welt nicht mehr gibt. Ein schönes, stilles Bild mit der untergehenden Sonne … oder geht sie auf … oder ist das womöglich ein und dasselbe? Wohin gehen wir, wenn wir gehen, ins Nichts … ins Nirgendwo? Und nehmen wir da unsere ganze Sehnsucht, unsere Not, unsere Freude, unsere Liebe mit oder lassen wir sie da?
Es berührt mich, wie schnell wir verschwinden, jahrelang hab ich Ingrids Texte gelesen, dann waren ein paar Andeutungen von Krankheit, Leben und Sterben, dann nichts mehr und dann dieser letzte, von ihr beauftragte und überbrachte Satz: „Alles ist gut“. Leb wohl, Waldviertelfrau und möge die Reise leicht sein für Dich dort oben auf dem Weg durch Zeiten und Räume bis hinter die Sterne.
Der See ist rot und brennt, der Feuerball hat ihn angezündet. Bald ist alles vorbei und wie Tusche auf die Glasplatte wird die Nacht dunkelblau in den See tropfen. Das Geheimnis ist dieser Bruchteil der Sekunde des Übergangs, da soll man es sehen, der Legende nach, wenn man zu den wenigen Auserwählten gehört und ich warte … und ich würde gerne den alten Mann fragen, der neben mir auf der Bank sitzt, ober auch er wartet und ob er die Geschichte kennt . Und, daß wir jetzt zu zweit auf der Bank sitzen und schauen und warten, wie die beiden jungen Leute im Film von Eric Rohmer, die aber wie in allen Filmen von Rohmer soviel reden, daß sie es womöglich übersehen würden: „Das grüne Leuchten“. Aber ich sage nichts, sondern schaue ihn nur an und sehe ein Faltengesicht mit sehr hellen Augen und er lächelt und ich lächle auch. Dann steht er auf, hebt seinen Hut hoch und sagt: „Gute Nacht“, und dann geht er.
Ein kleiner heller Streifen bleibt am Horizont, ansonsten ist es Nacht geworden. Der Parkplatz ist finster und leer, nur mein Auto steht im hintersten Winkel. Auf dem Autodach liegt etwas und fällt herunter, als ich die Türe öffne. Ein winziger Blumentopf mit einer kleinen Rose.
Rosarot leuchtet sie in die Dunkelheit.












