Wir fahren ein wenig in die Berge hinein, aber hinter Reichenhall beginnt in Richtung Lofer der Stau, halb Deutschland ist unterwegs im SUV, mit dem Skisarg auf dem Dach, um irgendwo hoffentlich eine mit Kunstschnee bearbeitete Piste zu finden, auf der man hinunter kommt, oder man ist auf der Suche nach den letzten Gletscherflächen, die langsam aber stetig wegtröpfeln. Das Land ist im Wintersportferienfieber und die Touristenströme lassen sich nicht aufhalten, von nichts und niemand. Manchmal habe ich das Gefühl, man würde auch die Hügel runterrutschen, die vom alles aufweichenden Dauerregen nur noch aus Schlammlawinen bestehen. Aber solang noch irgendwo ein paar Bröserl Schnee herumliegen, fährt die eine Hälfte dort hin. Die andere Hälfte steigt schon seit Wochen vor Weihnachten in Fliegern auf und fliegt in die Wüstenländer, um dort mit den anderen an den Pools zu liegen, die mit Wasser befüllt werden, das diese Länder eigentlich gar nicht mehr haben. In den Nächten um Weihnachten sind über dem Salzburger Flughafen die Flieger aufgestiegen wie die Leuchtraketen, einer nach dem anderen nach dem anderen nach dem anderen. Nach wie vor ist das den unzähligen Touristen völlig wurscht, das war immer schon so und wird sich nicht ändern. Alles, wofür man bezahlt hat, darf man konsumieren, die anderen machen es schließlich genau so. Wer da was dagegen sagt, wird nicht mehr gewählt, so einfach ist das. Wo wir auch hinkommen auf unserer Spazierfahrt, quellen die Mülltonnen über. Auf den Wiesen steht das Wasser, das Land ist aufgeweicht vom Dauerregen, davor hat der übermäßige schwere Schnee den Bäumen die Äste abgetrennt oder sie gleich in der Mitte auseinandergerissen, notdürftig sind Zufahrtsstraßen geräumt, aber überall ist das Ausmaß des Unwetters zu sehen. Mit dem Regen kamen heftige Stürme, dann wurde es schlagartig warm … viel zu warm für diese Jahreszeit, sagt der Wetterbericht. Auch unsere Streuobstwiese hat furchtbar gelitten, viel Arbeit wartet. Die alten Bäume haben so viele Jahre Wind und Wetter getrotzt, diesmal haben Schneedruck und Sturm die Kronen abgebrochen und ihre Äste liegen herum oder hängen halb abgerissen herunter. Der alte Zwetschgenbaum ist in der Mitte gespalten. Was für ein Bild des Jammers, die Bäume hört man nicht, sie klagen leise.
Ich fahre gern um diese Zeit übers Land, denn so ohne Schnee sieht man extrem ehrlich das ganze Spektrum an Häßlichkeiten, das man ihm zugefügt hat. Schmerzhaft deutlich steht die Scheußlichkeit der begangenen und gerade neu entstehenden Bausünden in der Gegend herum.
Wir sind dem Touristenstau entkommen, fahren zurück und landen schließlich in einer wunderbaren freundlichen Buchhandlung im Salzburger Bahnhof, dort im Untergeschoß ist die ganze Welt zugange, viele Sprachen sind zu hören, alle kommen an oder reisen weg. Ich mag diese nicht statische Atmosphäre von nicht ganz weg- aber auch noch nicht ganz dasein, alles ist in der Schwebe und nicht festgelegt. Und welches Glück, es gibt meine österreichische Lieblingszeitung, den „Falter“.
Heimzu fahren wir an den Bergen entlang nach Westen, der untergehenden Sonne entgegen, plötzlich steht der ganze Himmel in Flammen hinter dunkelblauem Gebirge. Dieser Anblick ist von so einer überwältigenden Schönheit, daß mir die Tränen runterlaufen vor Glück, daß ich dies hier Heimat nennen darf.
Auf der Straße liegt ein Stück graubraunes Fell, plattgefahren. Lange Löffelohren stehen kerzengerade in die Höhe. Mehr ist nicht übriggeblieben vom kleinen Feldhasen.
Die Rauhnächte winden sich um meine Füsse wie kleine Schlangen, vor mir liegt die Weihnachtsbotschaft … noch kann ich sie nicht lesen.
Liebe Grüße an die Frau Kraulquappe!