Archiv für den Monat: März 2015

Nekropole

Sie vermauert den Eingang, wenn sie den Winter über im Haus lebt. Das Haus, das ist sie und sie ist das Haus und wenn sie ihren extrem sensorisch begabten Fußkörper zurückzieht –  mit dem sie sich ansonsten vorwärts bewegt, atmet, ernährt  – dann gleitet sie in der Spirale des Hauses in sich selbst zurück. Ihr Leib legt sich um sich selbst herum, schmiegt sich an die glatten Wände des eigens für ihn und durch ihn entstandenen Hauses. Sie ruht in ihrer eigenen, schleimigen Feuchtigkeit und kommt erst wieder heraus, wenn die Bedingungen für sie erträglich sind. Dann hinterläßt sie eine Spur, die im Mondlicht silbern glänzt.

In der Liebe mag sie gerne intensive Berührung und langandauerndes Aneinanderkleben zu zweit oder zu mehreren, sie wechselt ihr Geschlecht je nach Wunsch und sie schießt „Liebespfeile“ ab, zur allgemeinen lustvollen Stimulation.

Wenn sie sich nach dem Winter aus  dem Haus herausstrecken will, verspeist sie vorher ihre Eingangstür, damit sie genug Kalkvorrat hat, um das Haus zu reparieren oder zu vergrößern. Irgendwann stirbt sie.  Dann liegt dieses Haus eingegraben in der Erde und offenbart sein Geheimnis, das niemand versteht, nur sie kennt des Rätsels Lösung, aber sie hat sich im Nichts aufgelöst.

Was  bleibt, sind Bauwerke von  meisterhaft inszenierter Unendlichkeit, architektonische Antwort auf das Große Mysterium.  Jetzt im Frühjahr sind sie für geschulte Augen sichtbar,  im Wald, oder wie bei uns unterm Kastanienbaum hinter dem alten Haus, sie liegen in eigenartigen Anordnungen, als wären sie alle hier zusammen gekommen, um zu sterben, jede für sich allein in ihrem Haus, aber in Nachbarschaft mit anderen.

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