Archiv für den Monat: April 2015

Land in Sicht?

Noch kurz vor seinem Tod hat Günther Grass –  (er möge in Glückseligkeit in der ewigen Heimat wohnen!) – für Aufruhr in den Medien gesorgt, nur weil er sagte, daß schon einmal jeder Haushalt Flüchtlinge aufnehmen musste hierzulande, und es sei auch gegangen. Ausgelegt wurde es ihm dann, als hätte er gesagt, daß es eine Verpflichtung zur Aufnahme geben müsse – heute! Ja, da haben sich dann alle aufgeregt…ja, natürlich sind wir wieder mal sehr „betroffen“ über die ertrunkenen Flüchtlinge, ja, das tut uns natürlich sehr leid…und? Was weiter? Wessen Problem ist das? Und was sollen wir tun dagegen? Ich frage mich schon, warum eigentlich darüber kein Shitstorm ausbricht, warum rennen jetzt nicht Hunderttausende auf die Straße und schreien ganz laut? Warum fahren wir nicht mit unseren teuren Autos an die Küsten und sammeln sie ein, diese Ärmsten der Armen? Ja, allen tut es so leid, aber was ist denn die Konsequenz? Ich glaube, wir müssen sie kommen lassen, ja, alle! Alle, die es in ihrer Heimat nicht mehr aushalten und ich bin mir sicher, wenn diese Entscheidung getroffen ist, dann werden die Menschen nicht mehr armselig auf dem Meer verrecken. Ja, ich höre sie schon alle, wie sie von denen reden, die angeblich nur wegen unserer sozialen Leistungen kommen täten und weil es angeblich bei uns ein Schlaraffenland gibt! Meint Ihr denn, die Menschen geben alles auf, verlassen ihre Heimat, wissend, daß die Chance, halbwegs lebend an irgendein Ufer zu kommen verschwindend gering ist, nur, weil sie bei uns krankenversichert sind oder was? Diese EU, unsere reichsten Länder der Erde, versucht alles, um die Grenzen abzuriegeln und das Elend draussen zu lassen…aber es wird trotzdem angeschwemmt. Wir wollen nicht akzeptieren, daß es längst eine Völkerwanderung gibt, nicht die erste und nicht die letzte. Es kann monatelang in Arbeitskreisen, Gremien und was weiß ich alles gequatscht werden, Ursachenforschung betrieben und Analysen in jeder Richtung, TalkTalkTalk über alles…letztendlich, um dieser himmelschreienden Schweinerei von Schleusern und Konsorten, die alle auch noch viel Geld verdienen am Elend der dann doch krepierenden Menschen im Meer ein Ende zu bereiten, werden wir sagen müssen: wir nehmen Euch auf! Alle!

Ja, es wird große Probleme geben, ja, die Not , Traumatisierung, Heimatlosigkeit werden die Menschen nicht edler machen, ja, wir werden Menschen aufnehmen, die kriminelle Handlungen begehen, ja, wir werden uns voreinander fürchten, die einen vor der schwarzen Haut und schwarzen Augen und die anderen vor weißer Haut und blauen Augen und ganz sicher werden wir pro Haushalt irgendwann kein Geld mehr kriegen, um die Flüchtlinge unterzubringen und zu verköstigen, denn, wenn einmal die wirklich großen Massen kommen, dann wird es vielleicht sogar bei uns knapper mit dem Geld…aber wenn ich mich auf dem Parkplatz beim A… umschaue, wo mein Auto immer das mit Abstand kleinste ist, und ich mir oft denke: der vor mir geparkte Wagen, der wäre ein neues Hausdach und dann könnten wir auch noch dies und das reparieren am Haus…wenn ich dann die Wägen vor und hinter mir noch dazu täte, dann hätten wir eine Heizung und könnten sogar noch den Keller trockenlegen lassen…also, wenn pro Haushalt nur noch ein Auto da wäre, dann würde in vielen Fällen auch eine 30qm große, beheizte Garage frei und da könnten wir schon unendlich viele Flüchtlinge jahrelang beherbergen und verköstigen, nicht wahr?

Ich verdanke mein Leben einem sogenannten „Flüchtlingsweib“, wie man sie damals (und heute!) nannte. Meine Mutter hatte es noch relativ gut, wenn man ihr Schicksal vergleicht mit denen im Meer, wurde sie doch „nur“ mit unzähligen anderen sogenannten „Vertriebenen“ in Viehwaggons gepfercht und ins Nirgendwo hingekarrt unter Bedingungen und mit Erlebnissen, die sich lebenslang eingebrannt hatten…irgendwann gestrandet bei einem Bauern, der sie gezwungenermaßen aufnehmen und verköstigen musste. Dort wurde sie von meinem Vater entdeckt, der sich unsterblich verliebte in sie, die so anders war, und der sie dort herausheiratete und zu sich in ihre neue, zweifelhafte Heimat holte. Bald darauf kamen noch weitere Flüchtlinge, die unserem Haus zugeteilt wurden. Und so hauste man miteinander, in ziemlicher Armut und ohne Glücksgarantie. Ja, aber es ging auch irgendwie. Was ist das, „Heimat“? Das frage ich mich mehr denn je! Ist es nicht dort, wo endlich mal „Land in Sicht“ ist? Also, wir halten die Tür auf und werden sagen: „Seid willkommen!“ Natürlich hab ich auch Angst davor, mit so sehr fremden Menschen in unserem alten Haus, wie soll das gehen, ja, leicht wirds nicht, viele Mißverständnisse werden uns plagen, trotzalledem glaube ich, daß es nur so sein kann, wenn nur viele genug dafür eintreten, viele müssen wir sein und HEIMAT müssen wir anbieten.

 

„Komm Schatz, wir stellen die Medien um…“

Leider bedeutet ein Ausstellungsbesuch in der Kunsthalle Krems mindestens fünf Std. Autositzen, die derzeitige Ausstellung täte ich mir gerne öfters – am besten unendlich oft – anschauen: Pipilotti Rist – „Komm Schatz, wir stellen die Medien um & fangen nochmals von vorne an.“ Ausstellung läuft noch bis 28.06.2015.

Unbeschreiblich zauberhafte Videoarbeiten, die so außergewöhnlich sinnliche Wahrnehmungen auslösen, daß sich das Denken und die Versuche, herauszufinden, was das jetzt alles bedeuten könnte, ganz von allein einfach so abstellen, das Bewusstsein darüber, was innen und was aussen ist, verschwimmt. Unmöglich, zu beschreiben, wie genau es passiert, ich hatte jedenfalls das Gefühl von unendlichen Weiten, die sich in mir auftaten, ausgebreitet im Universum in ungeahnten Dimensionen und gleichzeitig doch alles hier und jetzt und in radikaler Verweigerung jeglicher Idylle.

Die Ausstellung ist so groß, kaum zum Erschauen, ganz sicher muß ich da nochmal hin!

Hiermit möcht ich auch nochmal einen besonderen Dank ins Waldviertel schicken, denn durch den Hinweis von Ingrid: http://waldviertelleben.blogspot.de/ hab ich überhaupt erst von dieser beglückenden Ausstellung erfahren!

Schmerzensmann

Wie schnell und immer schneller wir doch durch die Zeit schießen…Ostern vorbei, die Passionswoche, der Kreuzweg, die Parabel vom Leiden und grausigen Sterben eines Menschen, der wohl bis zum Schluß auf die Hilfe des göttlichen Vaters gehofft hatte. Schreckliche Ahnungen in der Nacht am Ölberg und das Ende, die fürchterliche letzte Konsequenz: keine Rettung für einen gewöhnlich Sterblichen. „Vater, warum hast Du mich verlassen?“ Weil Er nicht „rettet“, das ist nicht vorgesehen. Wir sind im Großen Kreislauf doch auch nichts anderes als kleine Zellen, die sich neu bilden und wieder absterben, alles wandelt sich ständig, aber wir sind wohl die einzigen Zellhaufen, die an einer Form festhalten wollen und mit aller Kraft, die wir haben, ignorieren, daß wir bereits an den Rändern ausfransen…wir laufen doch nur für einen Augenblick durchs große Weltenbild, im Höchstfall ein kurzes Aufleuchten und schon sind wir weg. Erst durch eine „Diagnose“ bekommen wir dann sozusagen das Todesurteil und dann schwitzen wir am Ölberg Blut und Wasser, denn jetzt wissen wir, wir sind sterblich. Und die Freunde am Ölberg haben geschlafen, ja, denn wer will schon dem eigenen, drohenden Tod ins Auge schauen im anderen Menschen?

Durch die Passion hat mich ein Spruch begleitet, wie ein Koan trage ich ihn in mir, manchmal ist mir, als würde eine Tür aufgehen, nur einen Spalt, aber sobald ich hinsehe, ist sie schon wieder verschlossen: „Werdet Vorübergehende.“ Einer der vielen umstrittenen, sehr rätselhaften Worte Jesu in den sogenannten „Apokryphen“, warum sich grad der Spruch mir angeheftet hat, weiß ich nicht, jetzt ist er da und begleitet mich.

Ja, natürlich, es gibt dann die Auferstehung, das Ende einer Parabel, das besagt, daß es kein Ende gibt. Interessanterweise legen hierüber die äußersten Randfiguren der Geschichte Zeugnis ab: Drei Frauen bemerken das leere Grab und sie haben die heilige Ahnung, daß soeben der Tod überwunden ist. Die Ahnung sei Ihnen von Engeln eingeflüstert worden…naja…wer´s glaubt!…Vielleicht haben sie es ja bemerkt, weil sie es ursprünglich wussten: die Erste spinnt den Faden, die Zweite reicht ihn weiter, die Dritte schneidet ihn ab, während ihn die Erste schon wieder gesponnen hat…und sind doch alle drei die Eine! Und alles, alles dreht sich im Kreise auf uralte Weise – und – das Ende hat stets den Anfang im Mund.

Das Göttliche Geheimnis hat kein Geschlecht, nicht wirklich, aber das Kind in mir sucht nach Bildern. Ich bin kein religiöser Mensch und mißtraue den gängigen Glaubensparolen und doch bin ich wohl eine Gottsucherin geblieben. Und ich suche vor allem die Spuren der alten Muttergöttinnen, vielleicht deshalb, weil ich meine Mutter schon so lange verloren habe. Und überall, wo SIE ist, ist auch ER, von Ihr geboren, Göttin und  Schmerzensmann, so als müsste ich Seine Geschichte erfahren um Sie zu verstehen? Nichts darf ausgelassen werden auf dem Weg, alles muß erfahren werden, Verrat, falsche Hoffnungen, Krankheit,  Einsamkeiten, Tod und Leben, Liebe, Freude…alles sollten wir durchtanzen, nirgends bleiben, weiter und weiter die Zeiten und Räume durchwandern im ewigen Tanz durch den Weltenkreis. Frei wie der Wind  möchte ich leben, manchmal ein Sturm, peitsche ich Wellen, reisse die Dächer von den Häusern, als lauer Wind streiche ich sanft über Blumenköpfe, so frei, frei bin ich, meine Gedanken versetzen Berge , bringen Vulkane zum Explodieren, lassen Wunden heilen und mein wildes Lachen läßt mich auf Wolken springen…so wild und frei tanze ich mit dem Drachen…trotz alledem!

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