Archiv für den Monat: Januar 2021

Sternenstaub

Es ist schon finster, ich bin eine Nachtgeherin. Der Himmel ist voller Sterne und alle bleiben auf ihren zugewiesenen Plätzen, zu einer anderen Zeit wären viele von ihnen unterwegs in die Hurghadas dieser Welt, deren Preise sich nach garantierten Sonnenstunden bemessen. Kein Mond zu sehen. Ich gehe an dem Haus vorbei, das vor ein paar Jahren einen neuen Balkon bekommen hat. Sie wollten nach altem Brauch die Symbole von Glaube, Hoffnung und Liebe ins Holz gefräst haben. Das Herz für die Liebe wurde dann aber weggelassen, weil es zu kitschig erschien.

Es kommt mir so vor, als hätte der Ort dies bemerkt und sein Hauswesen danach ausgerichtet.

Es ist kalt, kein Schnee, ich gehe über die Wiesen und die Schritte knistern als ginge ich auf Glas. Neben dem kleinen Fluß, der ein Bach ist, Streuwiesen … da wächst dieses zähe, schilfähnliche Gras, es wurde früher als Einstreu für die Tiere im Stall genommen, vor allem bei den armen Bauern, auf den großen, reichen Höfen gab es das goldgelbe Stroh. Heute gibt es gar nichts mehr, die Kühe stehen auf den nackten Böden, die sind praktischer, sie sind nicht angebunden, dürfen aber das ganze Jahr nicht mehr hinaus auf eine Weide. Früher waren sie angebunden, standen die Wintermonate im Stall, durften aber im Sommer täglich auf die Weide. Ich kann sie nicht mehr fragen, was ihnen lieber wäre … es gibt keine mehr in Sichtweite, der letzte kleine Bauer hat aufgehört.

Auf der Bundesstraße ist reger Betrieb und ringsherum krachen die Böller, die nicht verkauft werden durften. Wo nur der Mond bleibt, denke ich, er müsste doch längst über die Salzburger Steinberge zu uns wandern. Eine Eule fliegt von irgendwoher und verschwindet in der alten Fichte. Die hat jahrelang alleinstehend am Bach den Wettern getrotzt und dann, im letzten Jahr hat der Sturm ihren Gipfel abgebrochen.

Viel wahre, kluge Worte werden zu Silvester gesprochen, mir fällt nichts mehr ein, was dem hinzuzufügen wäre. Alles ist, wie es ist und so werden wir halt auf unserer Lebensbahn weiterwandern und uns den neuen Herausforderungen stellen, sie durchlaufen, außen herumgehen oder drüberhüpfen … und das Lachen erscheint mir auch für das neue Jahr heilsamer als das Ärgern. Und wie die Sterne, so kreisen wir um uns selbst und um andere herum und letztendlich um etwas,  dessen Geheimnis wir nicht einmal erahnen können und das wir Gott nennen oder Nichts.

Auf einmal wird es hinter mir sehr hell, ich drehe mich um und da ist er ja, aufgegangen im Nordosten, wo er sonst nie herkommt und sein goldenes Leuchten läßt das gläserne Gras funkeln. „Der Mond ist aufgegangen“ … und  „Guter Mond, du gehst so stille“ … singe ich ihm zur Begrüßung, und zum Dank schwimmt er am Himmel hinter mir her und begleitet mich ein Stück des Weges, alleine auf der weiten Flur.

Ein paar Raunächte bleiben noch. Ich horche ins Große Oben, ins Große Unten und in mich hinein … vielleicht formen sich aus dem Erhorchten und Geschauten Visionen am Horizont des Seins.

Das Korn male ich und verbacke es mit den Nüssen vom Baum hinterm Haus und wir essen das warme Brot, als Segensspeise in das neue Jahr hinein.

Laßt uns einander weiterhin Freude schenken und uns gewogen bleiben, wo wir auch sind! Ihr Lieben da draußen, ich grüße Euch herzlich und wünsche Euch ein wundervolles Neues Jahr, voll Glück und voll Segen auf all Euren Wegen!

Ich hoffe, Ihr werdet mich auch weiterhin hier zwischen Himmel und Erde besuchen, auch wenn ich manchmal einen ziemlichen Schmarrn zusammenschreibe … wie z.B. bei einem meiner Lieblingsgedichte … da habe ich doch jahrelang behauptet, es sei von Goethe, dabei hat es Victor Blüthgen geschrieben:

Leg`s dem Leben nicht zur Last,
dünkt sein Wert dir Plunder!
Wenn du Märchenaugen hast,
ist die Welt voll Wunder.

Victor Blüthgen