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Die Fremden

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Dieses Bild, gemacht von einem Fotografen in Neutitschein (Novy Njcin) in einem altmodischen Rahmen, liegt seit Jahrzehnten bei uns herum, niemand wusste mehr, wer die Leute auf dem Foto waren. Ich nehme an, es sind nahe Verwandte der Geschwister Ritz, womöglich die Eltern, und der junge Mann, ist es der „Herr Ritz“? Ähnlichkeit wäre vorhanden. Was nimmt man mit, wenn man verjagt wird und ganz schnell ein paar wenige Habseligkeiten zusammenpacken kann? Ja, ein Foto der Eltern, das nimmt man mit, glaub ich. Jan M. Piskorski schreibt in seinem Buch: „Die Verjagten“, daß Menschen den Wohnungs- oder Hausschlüssel mitnehmen, sie sperren ab, bevor sie weg müssen und dieser Schlüssel wird aufbewahrt an neuen, erzwungenen Lebensorten. Einen Schlüssel gibt es nicht mehr, aber ein Poesiealbum und eine Urkunde über bestandene Gehilfenprüfung im Nähhandwerk.

Die fremden Menschen, Fremde unter Fremden, die hiessen dann „Flüchtlinge“ und ihre Kinder sind die Kinder von Flüchtlingen, ein Leben lang.  Und auch die nachfolgende Generation trägt diese Traumata von Verjagtwerden oder Flüchtenmüssen mit sich herum, mehr als wir ahnen.

In den siebziger Jahren kamen wieder Fremde, die hießen auch so: „Die Fremden“ und es waren Menschen „von oben herunter“, das heißt, aus Norddeutschland und sie wollten hier im Voralpenland Urlaub machen. Mancherorts wurden sie am Bahnhof mit Blasmusik begrüßt, man freute sich, denn diese Fremden brachten Geld in die Häuser. Den Sommer über wurde manch eine Familie in den stickigen Dachboden ausquartiert, die übrigen Zimmer wurden zu „Fremdenzimmern“ umgestaltet. Und alles nahm so seinen Lauf. Da die Fremden Geld brachten, bekamen sie alles, was sie wollten, es wurde die volkstümliche Musik erfunden, es gab Heimatabende mit krachledernem Getue und langsam mutierte das Land, den Fremden zuliebe und ihrem Geld, zu einem einzigen Komödienstadl und die Geranienfluten an Balkonen und den Miedern der Jungfrauen wippten den Takt dazu, der Schweinsbraten hieß ab jetzt Schweinebraten, die Fleischpflanzl wurden zu Frikadellen und die Semmeln zu Brötchen.

Heute ist der Tourismus zu einer Industrie geworden und hat sich, wie überall, der Zeit angepasst, das heißt, das Land wird zubetoniert und kann sich kaum mehr rühren unter Wellnessanlagen, Funcentern und Erlebnisparks, denn „man muß den Leuten ja was bieten!“

Die Freude läßt sich davon bis heute nicht verführen, die hat ihre ganz eigenen Gesetze, genauso wie die Liebe und das Glück. Tröstlich, aber auch ein wenig traurig.

Ja, und die Fremden, die heißen heute längst schon Touristen und die Anderen, die kein Geld bringen und sehr fremd sind, die heißen „Asylanten“. Jetzt sind wir mal beim Spazierengehen in eins dieser unglückseligen Gespräche geraten, die man vermeiden sollte, aber dann darf man mit niemandem mehr reden…es ging um den geplanten Ausbau der Autobahn unter einem Hügel durch, um zu fünf Spuren zu gelangen und da kam die Bemerkung: „Das können wir uns nicht leisten, der Staat hat doch kein Geld mehr, weil uns die da, die ständig ins Land hereindrücken, armfressen!“ Die Flüchtlinge also wieder und wieder und wieder! Wo denn da die Armut wäre, wenn ich am Aldiparkplatz stehe und vor mir ein Audicoupet, rechts neben mir ein großer Audi und links neben mir ein Mercedes – Geländewagen und hinter mir fährt grad ein Sportwagen vorbei, dem man die 100000 EUR schon ansieht…ach, völliges Unverständnis.

Die Fremden, ohne Geld sind sie nirgends erwünscht.

Noch heute frage ich mich, ob meine Flüchtlingsmutter und mein Vater die Flüchtlinge auch ohne Zwang aufgenommen hätten? Ich glaube schon. Ich hoffe es . Und wir, heute?