Archiv der Kategorie: Wesentliches

„Nachruf auf die Leere“ (Yamen Hussein)

Ich höre den Schlafenden träumen:
Teile dein Brot mit dem Fremden,
das Herz mit der Liebsten,
den Wein mit Vertrauten,
die Sitzbank mit Wolf und Derwisch.
Wirf keinen Stein ins Becken,
du verschreckst durstige Schafe.
Scheuche keine Vögel vom Weizenfeld.
Schließe die Tür nicht hinter dir,
lass deinen Schatten folgen.
Kaufe nur so viel du verdauen kannst.
Säe am Fenster,
was du nicht verkaufst, nicht einmal pflückst.
Betrachte dein graues Haar,
es zeigt, wie sehr die Eltern gealtert sind.
Begehe die Erde behutsam,
sie spiegelt deinen Körper.
Unterwirf dich nicht –
weder Gott, den Eltern noch einer Idee.
Glauben bedeutet zu lieben, nicht unterworfen zu
sein
und nicht zu unterwerfen.

Aus dem Buch: „Nachruf auf die Leere“
von Yamen Hussein

aus dem Arabischen von Leila Chammaa und
Jessica Siepelmeyer

Vielen Dank an Dincer Gücyeter, der mir erlaubte, dieses Gedicht von Yamen Hussein, das mich bis in den hintersten Herzwinkel getroffen hat, hier zu veröffentlichen! Yamen, der Dichter aus Homs/Syrien, hat 2014 sein Land verlassen.

mehr im www.elifverlag.de 

Foto: Michael Helminger

Zweistundenfrau und Totentanz

Im nicht allzuweit entfernten Salzburg steht der diesjährige Jedermann auf der Bühne,  in Gestalt eines kongenialen Schauspielers, und wirft sich der spektakelhungrigen Meute zum Fraß hin. Die Reichen und die mit Mundschutz nicht mehr ganz so Schönen, flankiert von unzähligen  A-dabeis, lechzen danach zu sehen, wie nackt oder zumindest halbnackt er´s heuer so treibt mit der Buhlschaft und warten auf das wohlige Gruseln, wenn der Tod ruft. Wenn der Jedermann seine Sache gut gemacht hat, wird er hinterher auf Händen getragen und abgeschleckt. Eigentlich geht es ja in diesem Stück um eine einfache, fast lächerlich anmutende Frage, die in diesem ganzen Brimborium untergeht, aber doch der wunde Punkt ist, um den sich alles dreht:

Was bleibt?

Am Morgen kommt der große Lastwagen vorgefahren, darauf steht: „Tierkörperentsorgung“. Der Fahrer ist unfreundlich, weil er die Schubkarre selber zum LKW fahren muß. Seit kurzem hat ein Schafzüchter 11 Schafe zu uns auf die Weide gestellt. Mietschafe sozusagen, die sich mit Heißhunger zu unserer großen Freude über die Streuobstwiesen hermachen. Ein altes Mutterschaf hat sich wiederkäuend und leise hingelegt und ist gestorben, über Nacht. Von der Schubkarre wird es in eine Klappe, die an einen Kleidercontainer erinnert, gekippt  und fällt mittels Hydraulik von oben in den Auffangbehälter. Dann das Geräusch des aufprallenden Körpers, Klappe zu, dann nichts mehr.

Das ist die Antwort.

Meine schöne Freundin mit den Jadeaugen erscheint mir im Traum, wir stehen im Treppenhaus dieses wundervollen alten Stadthauses, ich kann das Bohnerwachs riechen und diesen zarten, blumigen Duft meiner Freundin. Wir wollten so gerne in diese Altbauwohnung ziehen und dort gemeinsam wohnen. Was Neues sollte beginnen, nachdem ein Mann sie verlassen hatte für eine Frau, die ihm liebenswerter erschienen war. Oft, so oft habe ich mich gefragt, was aus uns beiden geworden wäre, hätten wir damals die Wohnung bekommen. Ich spüre sie heute noch, die Sehnsucht nach diesem kurzen Augenblick einer so intensiven Nähe … ins Herz gebrannt, das Schmerzende an dieser Freundschaft, die Liebe, die wir spürten und die wir dann verraten haben. Wir gingen bald wieder zurück in unsere Leben, ich in die Endphase einer depressiven Beziehung, und sie ziemlich schnell in eine Ehe mit Kindern, Hund und einem Trinker als Mann, der seiner gescheiterten Ehe hinterher trauerte. Vor einigen Jahren ist sie gestorben, verhungert ist sie, meine schöne Freundin mit den Jadeaugen. Wenn ich von ihr träume, weine ich ein wenig.

Ich fahre mit dem Radl immer den gleichen Rundweg. Manchmal denke ich an die überaus geschätzte Ilse Aichinger, die jahrelang einen immer gleichen Weg gegangen ist zu ihrem Lieblingskino, um sich dann die immer gleichen Filme anzuschauen und dann im immer gleichen Kaffeehaus zu sitzen und auf irgendwelchem Papier ihre wunderbaren „Unwahrscheinlichen Reisen“ zu notieren, die sie dann als Kolumne in der Zeitung veröffentlicht hat. Der immer gleichbleibende Weg, der doch nie derselbe ist, eine unerschöpfliche Quelle von Erfahrungen. Das ist, wie immer den gleichen Tanz tanzen. In Osteuropa gibt es das noch, daß Dörfer ihren eigenen Tanz haben, der wird getanzt bei allen Gelegenheiten … immer der gleiche, doch nie derselbe. Die Magie ist in der Wiederholung.

Gestern kam ein Reh aus der Wiese auf die Straße, es sah mich an, ich sah es auch an, wir waren beide so erschrocken, daß wir nichts sagen konnten. Das Reh blieb  stumm und ich auch, dann bewegten wir uns wieder auf unseren Wegen in entgegengesetzte Richtungen.

An einer bestimmten Stelle im Wald drehe ich mich immer um, weil ich meine, hinter mir jemanden zu spüren, aber nie ist wer da. Die Stelle hat sich verlagert, früher war sie ganz vorne am Rand,  schon als  Schulkind hatte ich Angst, das kleine Wäldchen zu betreten … heute ist die Stelle ein paar hundert Meter weiter in den Wald hinein gerutscht.

Der Tod sitzt gerne im Hochsommer auf den sonnenwarmen Steinen unter blauem Himmel und lächelt versonnen, helle klare Augen hat er … zwei Bussarde kreisen … das Dasein streicht mir sanft mit dem weichen Fell einer Katze um die Beine. Zwei Freunde meines Vaters haben sich im Sommer erschossen. In der Zeit nach dem Krieg gab es eine kleine Gruppe Freunde, sie hatten kein Geld aber große Begeisterung für Motorräder, „Schnauferln“ genannt. Der Vater sagte immer, der Hias hätte die größte Leidenschaft gehabt und er sei  ein genialer Mechaniker gewesen, der beste überhaupt. Ich glaube, er hat eine Horex gefahren und er war sein liebster Herzensfreund und ein Leben lang hat er gerätselt, warum sich der Hias eines Tages erschossen hat. Er fuhr an einem strahlenden Sommertag zu einer kleinen Kapelle und da drinnen erschoß er sich. Anscheinend war er nicht gleich tot und da hat er sich mit letzten Kräften noch zu seinem Motorrad geschleppt … dort haben sie ihn gefunden.

Beim zweiten Herzensfreund viele Jahre später hat es gleich geklappt, er konnte schießen und wusste genau, wie er es anstellen mußte, damit er nicht mehr aufwachte. Mein Vater hing sehr an W., sie machten „Ausfahrten“ mit den Motorrädern und sie sind zusammen aufgetreten bei allerlei Festivitäten, der Papa mit der Zugharmonie und der W. mit der Gitarre. Sie haben viel gelacht miteinander, denn W. war einer, der gut Witze erzählen konnte. Eines Tages war er tot, seine Frau hat ihn gefunden. Vermutlich hatte er Angst vor einer möglichen Erkrankung, aber niemand weiß wirklich, was in ihm vorging. Was wissen wir schon voneinander.

Das Haus am Waldrand hinter dem  Dorf war schon lange nicht mehr bewohnt und ist ziemlich verwahrlost. Der neue Besitzer ist oft da, wahrscheinlich, um es instandzuhalten. Seine Frau kommt am Samstag und bringt ihm das Mittagessen. Und während der Woche, jeden zweiten Tag, pünktlich von 17.30 bis 19.30Uhr kommt die Zweistundenfrau, sie parkt ihr teuerglänzendes Auto am Dorfeingang und wird vom Hausbesitzer geholt, dazu steigt sie in sein Auto und sie fahren durch das Dorf zu seinem Haus. Pünktlich nach zwei Stunden bringt er sie zurück zu ihrem Auto und dann fahren sie beide weg, in die gleiche Richtung. Alle sehen das, alle wissen das, nur seine Frau sieht es nicht, die kommt Samstag Mittag und fährt nach dem Essen wieder. Um 17.30 kommt die Zweistundenfrau in ihrem schnittigen Sportwagen und parkt am Dorfrand.

Seit Neuestem sind plötzlich durch und durch orangene Schmetterlinge da.

 

 

 

 

 

24 T. – Erkundungen der fernen Nähe … Tag 5

Ich backe Apfelkuchen und aus dem Rest des Germteigs (Germ/Hefe) kleine runde Küchlein … Ofakindln heißen sie bei uns, die Kinder des Ofens, die in der Wärme ausgebacken werden. Sie dürfen werden, wie sie wollen, sind an keine Form gebunden, wie kleine gute Geister sind sie.

 

Bevor jetzt bald der Schnee kommt, bin ich heute noch zum Hügel gegangen, und dort, wo sich der Weg gabelt, rechts steil  hinauf. Da oben war immer ein Lieblingsort von mir und eines Tages stand ich da im Licht der Abendsonne, da knackte es leise im Unterholz und gemächlich tauchte ein Dachs auf, ging langsam und vor sich hinschnaufend ganz nah an mir vorbei und hinunter zum Bach. Ein Augenblick, unendlich wie die Ewigkeit, ein Moment vollkommener Harmonie.

Kurze Zeit später haben sie dann den Hügel zwischen den Wegen komplett abgeholzt, alle uralten Buchen umgeworfen. Und als ich Wochen später wieder hinaufgehen wollte, da hatte ich diese Begegnung mit dem Zwerg im Berg, zornig zischte er mich an: Mensch, hau bloß ab!

Nein, nicht wirklich … aber wer weiß das schon, wann die Wirklichkeit wirklich ist und wann nicht … wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Heute war alles ruhig, der Zwerg ist ausgewandert oder tief drin im Hügel.

 

Beim Heimkommen sagt es vom Apfelbaum herüber: Meine Haut wird immer dünner, je älter ich werde …

Geht mir auch so, sage ich.

Die weiße Pracht

Die Wilde Jagd hält sich nicht an den Kalender, sondern braust über den grauen Himmel und läßt Tonnen von Schnee fallen. Heute also auch in unserem Landkreis die Katastrophe vom Landrat bestätigt, ganz offiziell. Strassen gesperrt, Edeka-Läden gleich dazu wegen Einsturzgefahr, auf der Autobahn liegen umgefallene Lastwägen herum, Bäume fallen ohne Axt von irgendwoher nach irgendwohin und liegen verquer in der Gegend, Räumfahrzeuge geben auf. Unsere Gemeinde konnte mithilfe von schweren Traktoren und Schneefräsen unserem kleinen Weiler bis jetzt einen leidlich guten Zugang zur noch nicht gesperrten Bundesstraße ermöglichen, niemand weiß, wie lange noch, heute Nachmittag ein paar Stunden Ruhe vor dem Sturm … ab morgen Mittag weitere starke Schneefälle angesagt, die Wochen fortdauern sollen. Morgen wahrscheinlich mit dem Rucksack drei km durch den Wald zum Einkaufen, das Katzenfutter geht zur Neige. Die halbwilden Katzen leben zum Teil auf dem Heuboden und können kaum mehr durch den tiefen Schnee zur Futterstelle. Ich grabe eine Art Tunnel  und stehe irgendwann heulend da, alles tut mir weh vom wochenlangen Schneeschaufeln und ich kann einfach nicht mehr.

Der halbwilde Kater ist blind, bei Kämpfen untereinander wurden ihm die Augen ausgekratzt. Langsam und vorsichtig tastet er sich zum Fressnapf. Auf dem Dach des alten Hauses liegt ungefähr ein halber Meter schwerer Schnee, wenn die Höhe einen Meter übersteigt, wird es sehr gefährlich und alles droht, einzustürzen, es taut jetzt ein wenig, was alles nicht einfacher macht. Wir werden jemand brauchen, der das abräumt, aber wer geht hinauf auf das marode Dach? Die Angst, daß dieses Dach einstürzt, zieht sich schon viele Jahre durch mein Leben, nie war genügend Geld da, ein neues machen zu lassen. Ich habe ihn im Ohr, diesen Spruch vom Vater: …man muß immer was auf der Seite haben, wenn mit dem Dach was wär´! Wir sollten auch 50000.- auf der Seite haben, soviel mindestens kostet ein neues, aber wir haben das Geld nicht und so haben wir halt die Angst. Es ist der Notstand ausgerufen. Viele Dächer sind schon eingekracht, bei anderen wird es befürchtet. „Ein Dach über dem Kopf haben“ verliert seine Gewissheit und ein Obdach haben, was auch geschieht, ist keineswegs so selbstverständlich, wie man denkt, in diesem reichen Land.

Es ist still. So still, daß man es hören kann Der Schnee ist überall, er kommt durch die Ritzen, man atmet ihn ein, er stöbert durch die Träume, setzt sich auf die Gedanken, läßt nachts die alten Balken ächzen, fliegt durch Schlüssellöcher und riecht … nach … Nichts.

Die Idylle zeigt ihr wahres Gesicht.

„Was ist, wenn nichts mehr ist?“ habe ich als eine meiner Lebensaufgaben in meinem Horoskop vom Drachen gesagt bekommen. Ein Koan, unmöglich zu lösen und doch … der Klang der Kristalle in den Flocken … was bedeutet schon Existenz im großen Nichts …

Als die Stimme eines lieben Menschen durch Apparaturen zu mir dringt: Du sag mal, wie geht es Dir denn, ich kann zu Dir kommen und Dir helfen … meine Güte, da schmilzt nicht nur die kalte Angstklammer um mein Herz, sondern der Schnee um mich herum … ja, denn er ist aus Wasser und irgendwann fließt alles wieder, nicht wahr?

 

Venus …

Manchmal kommt mir das Leben vor wie die Lobby in einem kleinen schäbigen Hotel, wer gerade nichts zu tun hat, sitzt herum in knirschenden Ledersesseln vor oder hinter verkümmerten Topfpflanzen … Musikberieselung  und manchmal Stimmengewirr im Hintergrund … manchmal geht wer hinaus … manchmal kommt wer herein … manche tun so, als wären sie enorm beschäftigt … und ein paar sitzen herum, denken über verpasste Chancen nach, nippen an Drinks und schauen der Zeit beim Verstreichen zu … ich sitze da und halte in der einen Hand ein leeres Blatt Papier und in der anderen einen warmen Martini … jetzt ein Gedicht schreiben können … denke ich … aber wo sind bloß die Wörter, wenn man ihrer bedürfte?

Angeblich hatte meine Mutter ein Kind mit einem Mann, den sie im Lazarett kennenlernte und mit dem sie ein paar Tage verheiratet war, bevor er wieder an die Front musste. Kann nicht sein, sagen meine Tanten … da war doch auch noch dieser Partisan … weißt du noch, Venus hieß er …was für ein merkwürdiger Name, nicht wahr, mit dem hatte sie auch was …

Ich habe so stark abgenommen, mir ist ein wenig flau, haucht der Mond mit dünner Stimme, und beugt sich durchs offene Fenster, darf ich mich kurz in Deinen Fauteuil setzen?

Na gut, sage ich und rücke ein wenig zur Seite.

Hinterm Tresen fragt mich einer, ob ich noch einen Martini möchte und schaut mit feuchten Augen durch mich hindurch.

Dann dreht er die Musik lauter.

Nekropole

Sie vermauert den Eingang, wenn sie den Winter über im Haus lebt. Das Haus, das ist sie und sie ist das Haus und wenn sie ihren extrem sensorisch begabten Fußkörper zurückzieht –  mit dem sie sich ansonsten vorwärts bewegt, atmet, ernährt  – dann gleitet sie in der Spirale des Hauses in sich selbst zurück. Ihr Leib legt sich um sich selbst herum, schmiegt sich an die glatten Wände des eigens für ihn und durch ihn entstandenen Hauses. Sie ruht in ihrer eigenen, schleimigen Feuchtigkeit und kommt erst wieder heraus, wenn die Bedingungen für sie erträglich sind. Dann hinterläßt sie eine Spur, die im Mondlicht silbern glänzt.

In der Liebe mag sie gerne intensive Berührung und langandauerndes Aneinanderkleben zu zweit oder zu mehreren, sie wechselt ihr Geschlecht je nach Wunsch und sie schießt „Liebespfeile“ ab, zur allgemeinen lustvollen Stimulation.

Wenn sie sich nach dem Winter aus  dem Haus herausstrecken will, verspeist sie vorher ihre Eingangstür, damit sie genug Kalkvorrat hat, um das Haus zu reparieren oder zu vergrößern. Irgendwann stirbt sie.  Dann liegt dieses Haus eingegraben in der Erde und offenbart sein Geheimnis, das niemand versteht, nur sie kennt des Rätsels Lösung, aber sie hat sich im Nichts aufgelöst.

Was  bleibt, sind Bauwerke von  meisterhaft inszenierter Unendlichkeit, architektonische Antwort auf das Große Mysterium.  Jetzt im Frühjahr sind sie für geschulte Augen sichtbar,  im Wald, oder wie bei uns unterm Kastanienbaum hinter dem alten Haus, sie liegen in eigenartigen Anordnungen, als wären sie alle hier zusammen gekommen, um zu sterben, jede für sich allein in ihrem Haus, aber in Nachbarschaft mit anderen.

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Alte Kräfte

Bei Luisa Francia habe ich grade vom Einklang mit den alten Kräften gelesen. Die alten Kräfte, das ist nicht irgendein esoterischer Hokuspokus, sie meint, es ginge da um Leere, Klänge, Düfte, das Träumen etc. Ja, das kann ich auch spüren, daß die „alten Kräfte“ diese elementaren Kräfte sind, die uns umgeben, die in uns sind…eigentlich brauchen wir doch nur wirklich da – sein, das reicht. Das Gebirge ist in jedem Stein am Bach, das Meer in jedem Wassertropfen, das ganze Universum in den Augen einer Katze. Und in dem Zustand, den wir am meisten fürchten, die Leere, da ist Alles.

Wir haben Föhn.

Ein warmer Wind fällt irgendwo von den Bergen herunter und kehrt das Inwendige nach aussen, alles wird überdeutlich, wie unter einem Vergrößerungsglas entlarven sich alle falschen Absichten, unwahren Bemühungen, es wird überdeutlich, was nicht  „Authentizität der Gefühle“  bedeutet, wie es George Tabori formulierte.

Eigentlich ist gar nichts mehr möglich. Beim Blick auf die Berge, die mit einem Blau gefärbt sind, das man nicht fotografieren kann, weil es sich nur im eigenen Wahn zeigt, umweht von einem lüstern-penetrant-perversen warmen Wind, der sich in uns hinein schlängelt und schmatzend die Seele ausschlürft, kann man sich nur noch hinsetzen und alles lassen, alles, alles auf sich beruhen lassen. Sein.

Föhn, alte Kraft.