Archiv für den Monat: Januar 2020

Das Feenspiel – Epilog

Irgendwann sind auch die schönsten Spiele vorbei, die Gäste gegangen und man bleibt alleine zurück. Die Graugans hat mit der knappen Begründung, sie müsse jetzt ruhen, um sich wieder zu sammeln, das eine Bein ins Bauchgefieder hochgezogen, auf dem anderen steht sie. Der Kopf ist unter dem schützenden Flügel verschwunden. Ich beneide sie ein wenig, ich werde noch Zeit brauchen, um aus den Worten, den Stimmen, den Geschichten, in deren Zwischenräumen ich mich ein wenig verloren habe, herauszutreten und bereichert an meiner eigenen Geschichte weiterzuwirken.

37 Tage lang habe ich mir hier auf dieser winzigen Bühne zwischen Himmel und Erde Gäste eingeladen, um dem Thema „Das Fremde“ auf die Spur zu kommen. Viele hochinteressante Sichtweisen führten schließlich zu uralten Daseinsformen von ersehnten Hilfskräften, die nur noch in den Märchen und Sagen vorkommen und völlig fehl am Platz erscheinen in einer hochzivilisieren Welt, in der Wahrheit nur dann zu existieren scheint, wenn sie mit Fakten und Zahlen belegbar ist. Meine Ahnungen, die Suche nach etwas längst Verlorengegangenem und meine eigene Sehnsucht nach sowas wie einem Clan der 13 Frauen ließen mich die Spürung aufnehmen. Die einzige Möglichkeit, im Nebulösen zu forschen, konnte nur das einfache Spiel sein, so wie Kinder mit dem Nichtexistenten spielen und ihm dadurch ermöglichen, sich zu materialisieren.

Viele Fragen … wird sich da überhaupt jemand drauf einlassen, wieviel oder wie wenig Regieanweisungen braucht es … wie soll ich etwas erklären, was mir selbst ein Rätsel ist … ich entschied mich für größte Geheimhaltung und die eher dürre Aufforderung: »komm und sage, was Du zu sagen hast, egal, was es ist!« Und welche Freude, sie kamen!

13 Frauen, die einen, weil ich sie gerufen habe, die anderen sind einfach so aufgetaucht und dann noch welche, die sind erschienen. Unglaubliche Texte und Bilder haben sie mitgebracht, wundersame Poesie, Herzenskraft, Macht zur Verwandlung und Zärtlichkeit, soviel Zärtlichkeit … ja, und wie das so ist, wenn man alte Kräfte ruft in Nächten, in denen die Membran dünn ist zu anderen Wirklichkeitsformen … wer Ohren hat zu hören … hört auch zwischen den Zeilen die Not und die Pein durch die Jahrtausende, Verfolgung und die Schreie der Unzähligen, die auf den Scheiterhaufen brannten … und ich sah wieder diese nackten Füsse hinter einem Karren herlaufen … und auch die Einsamkeit in unseren heutigen Existenzen.

Was mich am meisten erstaunte: das Spiel nahm seinen eigenen Lauf und entwickelte eine eigene Dramaturgie.

Manch ein Geheimnis behalten die 13 Feen für sich, das ist auch gut so, vieles muß im Raum der Ahnungen bleiben, um es zu schützen.

Heute im Morgengrauen war das Fest vorbei und ich sehe, wie alle aus der Höhle kommen, die Kronen ein wenig schief vom ausgelassenen Tanzen … lachend und plaudernd, alleine oder in kleinen Gruppen schreiten sie aus in alle Himmelsrichtungen … fröhliche Zurufe und dann sind alle verschwunden. Der Vorhang meiner Bühne schließt sich. Feenstaub glänzt da und dort. Ein paar Glasperlen liegen auf dem Boden, eine hat ihren Zauberstab vergessen, sicher die Läuferin, die hatte es eilig … eine Krone liegt da, oh, das ist meine, gleich setze ich sie auf und ich fühle sofort: ich bin die Königin in meinem Reich.

Habt meinen Herzensdank, Ihr wundervollen Frauen, die Ihr den Mut hattet, das Nichtsagbare aus Euch heraussprechen zu lassen, Dank für Euer Kommen, wenn ich rufe, das Experiment ist gelungen … nicht deshalb, weil ein Traum Wirklichkeit geworden ist, sondern … weil Ihr mit mir meinen Traum weitergeträumt habt! Wir werden sehen, ob sich die Zauberfäden zu einem zarten Gespinnst verweben …

Vielen Dank auch an das Publikum, was wäre eine Bühne ohne Euch, die Ihr über so lange Zeit Eure Lichtzeichen hinterlassen habt! Nur Menschen, die es selber wagen zu träumen, zeigen wertschätzende Achtung vor den Träumen anderer … ich habe ein zärtliches Gefühl bei jedem »like«.

So, und jetzt möchte ich allen, die mir hier schon so lange treu sind aufs Herzlichste danken, denen, deren Namen ich kenne, aber auch den vielen, die immer wieder unerkannt hereinschauen … jaja, ich kenne auch die unverbindliche Flüchtigkeit in dieser virtuellen Welt … und doch schlägt hinter jedem Click ein Herz und oft hört man es sogar und auch hier hinterläßt ein liebevolles Wort das gleiche wie in der sogenannten »Wirklichkeit« : es tut einfach gut und wärmt die Seele, nicht wahr?

Uns allen wünsche ich ein gutes Neues Jahr, daß wir die Herausforderungen bewältigen, daß wir das Lachen nicht verlernen und daß wir niemals vergessen, daß wir nicht immer entscheiden können, ob wir gesund oder krank sind … aber ob wir trotzalledem glücklich sind, das können wir entscheiden! In diesem Sinne alles Liebe für Euch da draußen, bis bald mal wieder in diesem Theater!

Allen Mitwirkenden vom Feenspiel sei es selbst überlassen, ob sie sagen wollen, wer sie sind! Und allen, die eh schon  zu wissen glauben, wer sich hinter welcher Fee verbirgt, gebe ich zu bedenken … manchmal sind die Dinge nicht so, wie sie scheinen, und schon gar nicht bei 13 mächtigen Zauberinnen in der Rauhnachtszeit!

 

 

Das Feenspiel – 13. Rauhnacht

Man mag mich nicht. Verteufelt, verkannt, vergessen. Und doch bin ich die, die ich bin. Kann mich nicht erkennen. Ich gehe um den See herum, die Uhr schlägt die Stunde vor Mitternacht, bald beginnt die letzte der Heiligen Nächte. Die bleiche Mondsichel spiegelt sich im schwarzen Wasser, von mir spiegelt sich nichts. Alt bin ich und bucklig und humpelnd schleppe ich den schweren Rucksack und böse bin ich und mein Gefolge sind mordende Rabauken … so wollen sie es sehen. Und heute Nacht soll sich die Wandlung vollziehen, ich soll wieder jung und strahlend schön werden und das Licht bringen in ihre finsteren Seelen… so wollen sie es sehen.

Im Sommer lebe ich im Gebirge und im Winter reise ich in die Unterwelt  und fliege über den Himmel. Ich bin, die ich bin , die ich war und die ich sein werde. Ich kann mich nicht erinnern, wer ich war und wer ich bin und doch bin ich die, die ich bin. Ich trage das, was beginnt, das was endet, und das was wieder beginnt im Rucksack mit mir herum. Ich bin im ZwischenRaum von Werden-Vergehen-Werden und füge die losen Enden zusammen. Ich bin da, wo nichts mehr ist, zwischen dem letzten Seufzer und dem ersten Atemzug … ich bin das Licht in der Dunkelheit und die Dunkelheit im Licht und ich bin jung und alt und jung zugleich. Ziemlich kompliziert, ich mag nicht weiter nachdenken über die fremde verwirrende Dimension, in der ich existiere, sondern freue mich über die Einladung der Eule und lasse mich auf ihren Schwingen zur Höhle hinauf in den Bergen fliegen.

Dort wartet Ihr schon, meine Schwestern. Wie schön Ihr seid, in Euren Augen spiegeln sich die Gezeiten und goldener Glanz leuchtet von Euren Kronen. Alles Wichtige habt Ihr schon gesagt auf Eure wunderbare Weise, eine jede mit der Magie ihrer EigenArt. Mir bleibt jetzt nur noch, den Kreis zu schließen … Oh, und seht, die Höhle öffnet sich, und so wie die Sterne oben so werden unsere Füsse unten den Reigen tanzen. Und während wir das Zauberlied singen in Begleitung von Mond und allerlei Tieren der Nacht drehen wir uns im Kreis  und unsere Füsse zeichnen das geheimnisvolle Muster in den Boden und alles was einen Anfang hat wird enden und alles was endet, hat einen Anfang, und dazwischen liegt die Ewigkeit.

So soll es sein.

Gastbeitrag: Die 13. Fee »Die Percht«

Das Feenspiel – 12. Rauhnacht

 

 

Die mit den Vögeln tanzt…

Ich komme, wenn die Sonne scheint.
Mit den Vögeln tanzen, mit den Fischen schwimmen, mit den Katzen schnurren und der kleinen Häsin einen Platz auf meiner Schulter geben…
Die Saalach ist mein Hafen und mein Fluss, der mich trägt und herumwirbelt.
Vom Untersberg tönt mein Juchitzer weit ins Land hinein.
Im Schatten des Berges, der mich beschützt, stimme ich in das Lied der Ahninnen ein und wiege mich im Wind der leisen Töne.
Das Leben ist ein Fest! Lasst uns gemeinsam tanzen am Feuer der Verwandlung!

Gastbeitrag: Die 12. Fee »Die mit den Vögeln tanzt«

 

Das Feenspiel – 10. Rauhnacht

Sieh mich an, meine Augen sind dunkel.
Sehr alt bin ich und doch jeden Tag jung.
Von tiefstem Grün ist mein Mantel,
eine mächtige Nachtkerze mein Stab.
Ich trag Zweige im Haar: Rosmarin, Salbei, Thymian, Lorbeer, Lavendel …
In meinem Beutel sind Samen: Akelei, Nigella, Ringelblume, Mohn, Karde …
und ein winziges silbernes Ei.
Nenne mich Yemayerba: Dotter und Gras.
Ich ruhe nie, bin allwach. Ich folge der Spur des Lebens.

Wo ist das Leben?

In der Dunkelheit, in der Einsamkeit, in den Abschieden, in den Tränen.
Im Unabgegoltenen. In den Verletzungen, die nicht heilen.
In den unauflösbaren Widersprüchen.
In der Zärtlichkeit, in den Augen-Blicken, in den arglosen Gesten.
In den Ritzen, den Fugen, in allen Zwischenräumen und Gängen, Übergängen.
In den Transitzonen, in den Wartesälen, auf den Bahnhöfen. Im Flüchtigen.
Im Fragment. Im Auftakt. Im Potential. In der Fügung des lächelnden Kairos.
In den Wurzeln, in den Knospen, im Sprießen, im Welken. Das Leben
ist in der Liebe, ist dort, wo du es siehst, wo du es gestattest, wo du ihm Raum gibst, es nährst …

Liebe Schwestern, lasst mich mitschwingen im Reigen!
Ein Geschenk hab ich für Euch, ein kleines Lied:

Wünschelstunde

Es treffen sich Dreizehn zur Wünschelstunde
im Krötengarten am Zauberteich.
Sie heben die Flüsterkelche zum Munde,
über’s Wolkenmeer schwebt die Mondin so weich

und lauscht hinunter zum nächtlichen Garten,
wirft silberne Netze über den Teich.
Da wollen die Dreizehn nicht länger warten:
Sie tauchen ins Mondenwasser sogleich

und schwimmen im Licht. Die Nachtkerzen blühen,
sehen wispernd den dreizehn Schwestern zu.
Auch Mariensternblümchen erwachen und glühen,
sie recken sich murmelnd, und hin ist die Ruh‘!

Es raunt und staunt, es rauscht der Teich,
es bauscht und bogt und kichert leise,
es regt sich traumwach das Pflanzenreich,
selbst die Gräser singen auf ihre Weise.

Da entsteigen die Dreizehn dem Silberteich
und trinken die Kelche leer, ganz stumm.
Die Mondin schläft ein und die Blumen zugleich,
und die Wunschwunderstunde ist um.

 

Gastbeitrag: Die 10. Fee »Yemayerba«

Das Feenspiel – 9. Rauhnacht

Da, wo ich lebe, ist es still.
Um mich zu finden, musst du den Erlenhain hinter dir lassen und den Binsengürtel durchqueren. Wenn über dir der Himmel frei und weit ist und der Wind ungehindert von Gebüsch seinen Tanz tanzen kann, das Pfeifengras im Takt der Windmusik sich wiegt und im Frühling das Sumpfblutauge lächelt, die Frösche blau leuchten im Liebesrausch und der Ziegenmelker nächtens seine Rasseln schwingt – dann bist du in meinem Reich.
Jetzt, im Winter, hörst du kaum einen Laut. Mit der Dämmerung legt sich eine Nebeldecke über alles, sanft schützend und verhüllend.
Kaum jemand hat mich je gesehen. Erklären kann man mich nicht.
Ich zeige mich nur, wenn ich es will. Ein kurzes Aufleuchten. Mal hier, mal dort, schaukle ich auf Schwingrasen, springe von Bulte zu Bulte, gleite über Schlenken hinweg.
Ich kann dir den Weg zeigen. Mal tu ich’s, mal tu ich’s nicht. Wer mein Reich liebt, den führ ich wohlbehalten hinaus. Wer es nicht achtet, den führe ich hinein, sehr sehr tief hinein… und lehre ihn Respekt. Und wer ungestüm sich wehrt, wird immer tiefer sinken…
Mein Geschenk für euch Feen in der Höhle hier ist ein sanftes Leuchten, das kein Feuer braucht, und eine Musik mit Instrumenten aus Schilf und Pfeifengrasgeflecht. Und ich zeig euch den Weg zu Stille und Weite, in der die Jahrtausende leise flüsternd denen erzählen, die verstehen können.
Ob ich eine Fee bin? Ich weiß es nicht. Es kümmert mich nicht. Ich bin, was ich bin.
Ein Irrlicht.

Gastbeitrag: Die 9. Fee