Archiv für den Monat: Juli 2014

Segen

Die Göttin segne dich.

Sie erfülle deine Füße mit Tanz und deine Arme mit Kraft.

Sie erfülle dein Herz mit Zärtlichkeit und deine Augen mit Lachen.

Sie erfülle deine Ohren mit Musik und deine Nase mit Wohlgerüchen.

Sie erfülle deinen Mund mit Jubel und dein Herz mit Freude.

Sie schenke dir immer neu die Gnade der Wüste:

Stille, frisches Wasser und neue Hoffnung.

Sie gebe uns allen immer neu die Kraft, der Hoffnung ein Gesicht zu geben.

Es segne dich die Göttin.

 

Segensspruch aus Zaire

 

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Casasco

In der Abenddämmerung bin ich mit dem Rad unterwegs. Im nahen Dorf läßt der rotgoldene Ball der untergehenden Sonne ein Fenster neben dem Kirchturm plötzlich aufstrahlen. Ich bin schier geblendet vom flammenden Funkeln  und es fällt mir ein liebgewonnenes Gedicht von Virgilio Masciadri ein. Immer wenn ich es las, dachte ich, wie schön es doch wäre, wenn ihm meine Fensterscheibe zugeblinzelt hätte, denn irgendwie lebe ich doch auch „am Hang gegenüber“…aber wie sollte das gehen, dazwischen sind die Alpen… ach, und wie auf den Aquarellen von Hesse schaut´s bei uns leider auch nicht aus… wo ist eigentlich „Casasco“?

Jetzt ist Virgilio tot. Vor ein paar Monaten ist er weggegangen… ja, das ist sehr traurig, aber auch ein Poet muß wohl irgendwann weiterwandern, durch Räume und Gezeiten, fremden Sternen entgegen.

Lieber Virgilio, mit dem Morgenstern kann ich leider nicht dienen, aber vielleicht kannst Du ja ein Bündel rotgoldener Strahlen der Abendsonne „empfangen“ als Dank für Deine wunderbaren Worte, die Du auf der Erde hinterlassen hast. Ich wünsche gute Reise, verehrter Dichter und grüß mir am Weg Casasco und…

 

Casasco

Frühmorgens funkelt im-

mer dieselbe

Fensterscheibe vom Hang gegen-

über in mein Zimmer ein

irdischer Morgenstern das

Dorf mit dem Kirch-

turm ist

wirklich es blinzelt mir zu und den

ganzen Tag fühle ich mich als

wäre

ich Hermann Hesse

 

Virgilio Masciadri

 

Herzlichen Dank an Irene Bosshart vom Orte-Verlag in der Schweiz, die mir erlaubte, dieses Gedicht hier zu veröffentlichen und deren wunderbare „Poesie-Agenda“ mich seit Jahrzehnten begleitet. Virgilio Masciadri hatte dieses in jeder Beziehung außergewöhnliche Poetische Notizbuch auch 2014 noch mit herausgegeben.

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Wendekreis des Krebses

Den ewigen Tierkreis der Gestirne tanzen wir wie oben so unten, zwölf verschiedene Masken dürfen wir anprobieren, zwölf Räume und Gezeiten durchreisen und den Sehenden, die sich trauen, ins Große Nichts zu blicken, können sich zwölf Gesichter der Gottheit offenbaren.

Durch das Sternzeichen Krebs wandeln wir gerade und in den Nächten bittet Sie, die tausend Namen hat, als Mondgöttin Selene zum Tanz der Großen Mysterien.

Sie erscheint als Schöpferin der Zeit, eng verbunden mit den Wassern des Lebens, als strahlende Königin der Nacht lehrt Sie uns, daß alles Leben aus der Dunkelheit geboren wird und auch dorthin zurückkehrt. Auf Ihrer Stirn trägt Sie den Silberspiegel des Mondes. Im Reigen lehrt Sie uns den Krebsgang, langsam, eins vor, zwei zurück…Sie lehrt uns, den Panzer abzuwerfen,den eigenen Träumen zu folgen, zu wagen, immer weiter in das innerste Zauberreich unserer Seele zu tanzen und durch das Vertrauen in unsere Intuition zu Erkenntnis zu gelangen.

Es gibt keinen Anfang und kein Ende, alles fließt, von Dir zu mir, von mir zu Dir, ich spüre Dich, ich spüre mich.

Mond, Mond, ich liebe dein Silberlicht.

Ich fühle, also bin ich.

 

Maske

 

 

Zwei Stühle.

Ich fahre vom Einkaufen nachhause. Auf beiden Seiten der Bundesstraße Häuser, Eigenheime mit Vorgärten, viele Blumen, Sträucher, Rabatten, gepflegte Hecken.  Überall geschäftig herumwuselnde Menschen, die sich redlich bemühen, der Vision »Landlust« soviel Daseinsberechtigung wie möglich,  im eigenen Leben und Vorgarten abzutrotzen. Der gepflegte Wildwuchs erfordert viel Arbeit und deshalb wird an einem Tag wie heute um 17.30 Uhr geschnitten, gerupft, ausgezupft, abgeschaufelt, umgegraben, zugedeckt, ausgedünnt, neugepflanzt, in Form geschnitten, ausgestochen, gegossen, gedüngt, entschneckt, entlaust, gespritzt, und sollte das alles schon getan worden sein, so wird der Rasenmäher geölt oder die Heckenschere repariert, das Auto poliert oder zumindest der Grill angeheizt.

Mitten drin in der beidseitigen Siedlungsbetriebsamkeit eines Sommerabends ein Garten ohne Blumen, ohne irgendwas. Eine große leere Grasfläche, darauf zwei Stühle.

Zwei Männer sitzen da. Sonst nichts. Sie sitzen nur so da, einander zugewandt, tun nichts weiter, vielleicht reden sie, vielleicht nicht.

Sie sitzen einfach nur so da.

Fast möchte ich ihnen danken für den Anblick eines leeren Gartens, für dieses ruhige wohltuende Nichts mit zwei Stühlen.