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Das Feenspiel – Epilog

Irgendwann sind auch die schönsten Spiele vorbei, die Gäste gegangen und man bleibt alleine zurück. Die Graugans hat mit der knappen Begründung, sie müsse jetzt ruhen, um sich wieder zu sammeln, das eine Bein ins Bauchgefieder hochgezogen, auf dem anderen steht sie. Der Kopf ist unter dem schützenden Flügel verschwunden. Ich beneide sie ein wenig, ich werde noch Zeit brauchen, um aus den Worten, den Stimmen, den Geschichten, in deren Zwischenräumen ich mich ein wenig verloren habe, herauszutreten und bereichert an meiner eigenen Geschichte weiterzuwirken.

37 Tage lang habe ich mir hier auf dieser winzigen Bühne zwischen Himmel und Erde Gäste eingeladen, um dem Thema „Das Fremde“ auf die Spur zu kommen. Viele hochinteressante Sichtweisen führten schließlich zu uralten Daseinsformen von ersehnten Hilfskräften, die nur noch in den Märchen und Sagen vorkommen und völlig fehl am Platz erscheinen in einer hochzivilisieren Welt, in der Wahrheit nur dann zu existieren scheint, wenn sie mit Fakten und Zahlen belegbar ist. Meine Ahnungen, die Suche nach etwas längst Verlorengegangenem und meine eigene Sehnsucht nach sowas wie einem Clan der 13 Frauen ließen mich die Spürung aufnehmen. Die einzige Möglichkeit, im Nebulösen zu forschen, konnte nur das einfache Spiel sein, so wie Kinder mit dem Nichtexistenten spielen und ihm dadurch ermöglichen, sich zu materialisieren.

Viele Fragen … wird sich da überhaupt jemand drauf einlassen, wieviel oder wie wenig Regieanweisungen braucht es … wie soll ich etwas erklären, was mir selbst ein Rätsel ist … ich entschied mich für größte Geheimhaltung und die eher dürre Aufforderung: »komm und sage, was Du zu sagen hast, egal, was es ist!« Und welche Freude, sie kamen!

13 Frauen, die einen, weil ich sie gerufen habe, die anderen sind einfach so aufgetaucht und dann noch welche, die sind erschienen. Unglaubliche Texte und Bilder haben sie mitgebracht, wundersame Poesie, Herzenskraft, Macht zur Verwandlung und Zärtlichkeit, soviel Zärtlichkeit … ja, und wie das so ist, wenn man alte Kräfte ruft in Nächten, in denen die Membran dünn ist zu anderen Wirklichkeitsformen … wer Ohren hat zu hören … hört auch zwischen den Zeilen die Not und die Pein durch die Jahrtausende, Verfolgung und die Schreie der Unzähligen, die auf den Scheiterhaufen brannten … und ich sah wieder diese nackten Füsse hinter einem Karren herlaufen … und auch die Einsamkeit in unseren heutigen Existenzen.

Was mich am meisten erstaunte: das Spiel nahm seinen eigenen Lauf und entwickelte eine eigene Dramaturgie.

Manch ein Geheimnis behalten die 13 Feen für sich, das ist auch gut so, vieles muß im Raum der Ahnungen bleiben, um es zu schützen.

Heute im Morgengrauen war das Fest vorbei und ich sehe, wie alle aus der Höhle kommen, die Kronen ein wenig schief vom ausgelassenen Tanzen … lachend und plaudernd, alleine oder in kleinen Gruppen schreiten sie aus in alle Himmelsrichtungen … fröhliche Zurufe und dann sind alle verschwunden. Der Vorhang meiner Bühne schließt sich. Feenstaub glänzt da und dort. Ein paar Glasperlen liegen auf dem Boden, eine hat ihren Zauberstab vergessen, sicher die Läuferin, die hatte es eilig … eine Krone liegt da, oh, das ist meine, gleich setze ich sie auf und ich fühle sofort: ich bin die Königin in meinem Reich.

Habt meinen Herzensdank, Ihr wundervollen Frauen, die Ihr den Mut hattet, das Nichtsagbare aus Euch heraussprechen zu lassen, Dank für Euer Kommen, wenn ich rufe, das Experiment ist gelungen … nicht deshalb, weil ein Traum Wirklichkeit geworden ist, sondern … weil Ihr mit mir meinen Traum weitergeträumt habt! Wir werden sehen, ob sich die Zauberfäden zu einem zarten Gespinnst verweben …

Vielen Dank auch an das Publikum, was wäre eine Bühne ohne Euch, die Ihr über so lange Zeit Eure Lichtzeichen hinterlassen habt! Nur Menschen, die es selber wagen zu träumen, zeigen wertschätzende Achtung vor den Träumen anderer … ich habe ein zärtliches Gefühl bei jedem »like«.

So, und jetzt möchte ich allen, die mir hier schon so lange treu sind aufs Herzlichste danken, denen, deren Namen ich kenne, aber auch den vielen, die immer wieder unerkannt hereinschauen … jaja, ich kenne auch die unverbindliche Flüchtigkeit in dieser virtuellen Welt … und doch schlägt hinter jedem Click ein Herz und oft hört man es sogar und auch hier hinterläßt ein liebevolles Wort das gleiche wie in der sogenannten »Wirklichkeit« : es tut einfach gut und wärmt die Seele, nicht wahr?

Uns allen wünsche ich ein gutes Neues Jahr, daß wir die Herausforderungen bewältigen, daß wir das Lachen nicht verlernen und daß wir niemals vergessen, daß wir nicht immer entscheiden können, ob wir gesund oder krank sind … aber ob wir trotzalledem glücklich sind, das können wir entscheiden! In diesem Sinne alles Liebe für Euch da draußen, bis bald mal wieder in diesem Theater!

Allen Mitwirkenden vom Feenspiel sei es selbst überlassen, ob sie sagen wollen, wer sie sind! Und allen, die eh schon  zu wissen glauben, wer sich hinter welcher Fee verbirgt, gebe ich zu bedenken … manchmal sind die Dinge nicht so, wie sie scheinen, und schon gar nicht bei 13 mächtigen Zauberinnen in der Rauhnachtszeit!

 

 

Das Feenspiel – 13. Rauhnacht

Man mag mich nicht. Verteufelt, verkannt, vergessen. Und doch bin ich die, die ich bin. Kann mich nicht erkennen. Ich gehe um den See herum, die Uhr schlägt die Stunde vor Mitternacht, bald beginnt die letzte der Heiligen Nächte. Die bleiche Mondsichel spiegelt sich im schwarzen Wasser, von mir spiegelt sich nichts. Alt bin ich und bucklig und humpelnd schleppe ich den schweren Rucksack und böse bin ich und mein Gefolge sind mordende Rabauken … so wollen sie es sehen. Und heute Nacht soll sich die Wandlung vollziehen, ich soll wieder jung und strahlend schön werden und das Licht bringen in ihre finsteren Seelen… so wollen sie es sehen.

Im Sommer lebe ich im Gebirge und im Winter reise ich in die Unterwelt  und fliege über den Himmel. Ich bin, die ich bin , die ich war und die ich sein werde. Ich kann mich nicht erinnern, wer ich war und wer ich bin und doch bin ich die, die ich bin. Ich trage das, was beginnt, das was endet, und das was wieder beginnt im Rucksack mit mir herum. Ich bin im ZwischenRaum von Werden-Vergehen-Werden und füge die losen Enden zusammen. Ich bin da, wo nichts mehr ist, zwischen dem letzten Seufzer und dem ersten Atemzug … ich bin das Licht in der Dunkelheit und die Dunkelheit im Licht und ich bin jung und alt und jung zugleich. Ziemlich kompliziert, ich mag nicht weiter nachdenken über die fremde verwirrende Dimension, in der ich existiere, sondern freue mich über die Einladung der Eule und lasse mich auf ihren Schwingen zur Höhle hinauf in den Bergen fliegen.

Dort wartet Ihr schon, meine Schwestern. Wie schön Ihr seid, in Euren Augen spiegeln sich die Gezeiten und goldener Glanz leuchtet von Euren Kronen. Alles Wichtige habt Ihr schon gesagt auf Eure wunderbare Weise, eine jede mit der Magie ihrer EigenArt. Mir bleibt jetzt nur noch, den Kreis zu schließen … Oh, und seht, die Höhle öffnet sich, und so wie die Sterne oben so werden unsere Füsse unten den Reigen tanzen. Und während wir das Zauberlied singen in Begleitung von Mond und allerlei Tieren der Nacht drehen wir uns im Kreis  und unsere Füsse zeichnen das geheimnisvolle Muster in den Boden und alles was einen Anfang hat wird enden und alles was endet, hat einen Anfang, und dazwischen liegt die Ewigkeit.

So soll es sein.

Gastbeitrag: Die 13. Fee »Die Percht«

Das Feenspiel – 12. Rauhnacht

 

 

Die mit den Vögeln tanzt…

Ich komme, wenn die Sonne scheint.
Mit den Vögeln tanzen, mit den Fischen schwimmen, mit den Katzen schnurren und der kleinen Häsin einen Platz auf meiner Schulter geben…
Die Saalach ist mein Hafen und mein Fluss, der mich trägt und herumwirbelt.
Vom Untersberg tönt mein Juchitzer weit ins Land hinein.
Im Schatten des Berges, der mich beschützt, stimme ich in das Lied der Ahninnen ein und wiege mich im Wind der leisen Töne.
Das Leben ist ein Fest! Lasst uns gemeinsam tanzen am Feuer der Verwandlung!

Gastbeitrag: Die 12. Fee »Die mit den Vögeln tanzt«

 

Das Feenspiel – 10. Rauhnacht

Sieh mich an, meine Augen sind dunkel.
Sehr alt bin ich und doch jeden Tag jung.
Von tiefstem Grün ist mein Mantel,
eine mächtige Nachtkerze mein Stab.
Ich trag Zweige im Haar: Rosmarin, Salbei, Thymian, Lorbeer, Lavendel …
In meinem Beutel sind Samen: Akelei, Nigella, Ringelblume, Mohn, Karde …
und ein winziges silbernes Ei.
Nenne mich Yemayerba: Dotter und Gras.
Ich ruhe nie, bin allwach. Ich folge der Spur des Lebens.

Wo ist das Leben?

In der Dunkelheit, in der Einsamkeit, in den Abschieden, in den Tränen.
Im Unabgegoltenen. In den Verletzungen, die nicht heilen.
In den unauflösbaren Widersprüchen.
In der Zärtlichkeit, in den Augen-Blicken, in den arglosen Gesten.
In den Ritzen, den Fugen, in allen Zwischenräumen und Gängen, Übergängen.
In den Transitzonen, in den Wartesälen, auf den Bahnhöfen. Im Flüchtigen.
Im Fragment. Im Auftakt. Im Potential. In der Fügung des lächelnden Kairos.
In den Wurzeln, in den Knospen, im Sprießen, im Welken. Das Leben
ist in der Liebe, ist dort, wo du es siehst, wo du es gestattest, wo du ihm Raum gibst, es nährst …

Liebe Schwestern, lasst mich mitschwingen im Reigen!
Ein Geschenk hab ich für Euch, ein kleines Lied:

Wünschelstunde

Es treffen sich Dreizehn zur Wünschelstunde
im Krötengarten am Zauberteich.
Sie heben die Flüsterkelche zum Munde,
über’s Wolkenmeer schwebt die Mondin so weich

und lauscht hinunter zum nächtlichen Garten,
wirft silberne Netze über den Teich.
Da wollen die Dreizehn nicht länger warten:
Sie tauchen ins Mondenwasser sogleich

und schwimmen im Licht. Die Nachtkerzen blühen,
sehen wispernd den dreizehn Schwestern zu.
Auch Mariensternblümchen erwachen und glühen,
sie recken sich murmelnd, und hin ist die Ruh‘!

Es raunt und staunt, es rauscht der Teich,
es bauscht und bogt und kichert leise,
es regt sich traumwach das Pflanzenreich,
selbst die Gräser singen auf ihre Weise.

Da entsteigen die Dreizehn dem Silberteich
und trinken die Kelche leer, ganz stumm.
Die Mondin schläft ein und die Blumen zugleich,
und die Wunschwunderstunde ist um.

 

Gastbeitrag: Die 10. Fee »Yemayerba«

Das Feenspiel – 9. Rauhnacht

Da, wo ich lebe, ist es still.
Um mich zu finden, musst du den Erlenhain hinter dir lassen und den Binsengürtel durchqueren. Wenn über dir der Himmel frei und weit ist und der Wind ungehindert von Gebüsch seinen Tanz tanzen kann, das Pfeifengras im Takt der Windmusik sich wiegt und im Frühling das Sumpfblutauge lächelt, die Frösche blau leuchten im Liebesrausch und der Ziegenmelker nächtens seine Rasseln schwingt – dann bist du in meinem Reich.
Jetzt, im Winter, hörst du kaum einen Laut. Mit der Dämmerung legt sich eine Nebeldecke über alles, sanft schützend und verhüllend.
Kaum jemand hat mich je gesehen. Erklären kann man mich nicht.
Ich zeige mich nur, wenn ich es will. Ein kurzes Aufleuchten. Mal hier, mal dort, schaukle ich auf Schwingrasen, springe von Bulte zu Bulte, gleite über Schlenken hinweg.
Ich kann dir den Weg zeigen. Mal tu ich’s, mal tu ich’s nicht. Wer mein Reich liebt, den führ ich wohlbehalten hinaus. Wer es nicht achtet, den führe ich hinein, sehr sehr tief hinein… und lehre ihn Respekt. Und wer ungestüm sich wehrt, wird immer tiefer sinken…
Mein Geschenk für euch Feen in der Höhle hier ist ein sanftes Leuchten, das kein Feuer braucht, und eine Musik mit Instrumenten aus Schilf und Pfeifengrasgeflecht. Und ich zeig euch den Weg zu Stille und Weite, in der die Jahrtausende leise flüsternd denen erzählen, die verstehen können.
Ob ich eine Fee bin? Ich weiß es nicht. Es kümmert mich nicht. Ich bin, was ich bin.
Ein Irrlicht.

Gastbeitrag: Die 9. Fee

Das Feenspiel – 8. Rauhnacht


liebe gretl,
hab dank für den ruf.
ich war so weit weg, war so lange verstummt.
1 flügel lahm, 1 hemd ohne kNopf. die stimmbänder kalt – so fühlt man sich alt.

gedankenKreisen dauern oft lang. kein schnee weist den weg in der tRautropfenzeit. man hört nicht auf, bevor(s) nicht(s) vollbracht. „no river too deep, no mountain too high“. ich kam zu fuß : 7x ruh rûch. zur n_acht hab ichs geschafft. und nun solls mit mir enden, dies griesgrame grausame ungrade jahr, das uns (wie) viel reif_e wohl brachte ins haar (?). was müssen wir können + wissen + sein, um 1 neues zu beginnen – weiser zu scheinen? manches wird leichter, wenns gemeinsam versucht. du hast uns aus+ein: geladen/gesucht. und jede von uns bringt etwas mit. lauf lächeln luft leben laut oder lied …

du weißt, liebe gretl, ich trag immer die last. die werd ich nicht los, was ich auch mach. das sei kein geschenk, hab ich noch gemeint, da hab ich sie schon übern berg hergeschleift. wenn man die last teilt, wird sie ganz klein … so hab ichs mir kl_eingeredet. verzeiht. salva venia: ich hab mich gefreut. es hätte (auch noch überdies) schlimmer sein können, denn ich erbte das leid. das schnürte ich einst <sorg_sam+k_leidsam> fest ein, 1 bündel ballast, damits keine_r sieht – wie hab ich gelacht. doch seit dieser zeit weiß ich mir nicht rat. ich red von nichts anderem mehr als von der last. sie hängt mir vom hals herab, schnürt mich halb ab. ich schleppe sie natürlich naturgemäß überall hin, bald verschwinde ich drin. die jahre vergehen und ich sing immer 1 lied, das handelt von trrrr … trauer trauma + trieb trübsal + t_rost. une histoire de pression. (alles muss extrem unangenehm anstrengend sein → 1 hartes los.) so gings stets bergauf, bis heuer den herbst. bis zu dem tag, an dem die wärme zerbarst. da wurds mir zu schwer endlich, und ich warfs hin. hab nicht lang nachgedacht, mich nicht versehen.

seitdem bin ich verstimmt verstummt.
um was solls noch gehen?

(ich oder du, mein lieber tag? zähl ich die jahre, die ich dich begleite, heute mir auf ohne entsprechend gefühl, wo ich sie gestern gespürt in jedem glied – werd ich morgen früh <ja, das hoff ich> ihrer unbedacht mit dir wieder streiten ums frischangesicht.) erst als du riefst, fee, sah ich wieder dorthin, wo das bündel ballast herumliegt ohne sinn. was hätte ich tun sollen? ich gebs ja gern zu. ich nahms mit nur aus angst, ich hätt sonst nichts zum dazutun.

was hätte eine_r für 1 grund, die last zu tragen?
wenn nicht die angst, leere zu wagen?

was will ich euch geben, was bring ich euch mit? piedestal fidibus fremdwörterschatz? scharrfüße schleusenstau schreibsalat? ich kam nicht gleich drauf, ich spürte_s nicht – zu groß ist das loch, das die leere aufschnitt. ich öffnete das bündel ballast, auf dass es das loch füllt, bevor eine_r rein_stürzt. doch der bund war lose/das bündel leer/alles leid war längst aufgezehrt. ich aber weiß nicht, wos hin ist. in mitleid zerronnen/in luft aufgelöst? seit wanns wohl schon weg ist? wie lang ichs le_er_trug? ich kanns euch nicht sagen, ich hüte mich gut. (we all know, there’s no shortcut through hell.) wer traut sich schon in 1 grab zu schauen, das er sich selbst 1x grub? natürlich erschrak ich. ich glaubte da sei nichts. nun hätte ich nichts mehr für euch. last leid luft leere – alles vorbei.

jetzt wärs zeit für die lösung. . das „let go“ hab ich schon unterhaut. doch er schreibt sich zu leise, mein innerer laut. wie schreiBt es sich so, dass das herz es auch hört? dass es ruhiger im takt schwingt, den fluss nicht mehr stört? eine bracht uns das feuer, da werf ichs hinein, das nutzlose bündel, das alte leid-leinen. wir bleiben allein. und für den moment, wo die flammen aufgehen, beben+lodern , wo altes vergeht, auf dass neues entsteht, weiß ich, was ich euch mitgeben möcht.

ich streich uns über_nacht den zweifel heraus, aus unseren köpfen+körpern, aus unserer haut. wir sitzen nur da, und schauen ins licht. das geb ich uns mit:
mut für die stille. 1 moment rûch.
kurz&gut: für 1 augen_blick:
nichts.

Gastbeitrag: Die 8. Fee »Nichts«

Das Feenspiel – 7. Rauhnacht

hab mich verfangen
hoch in den Wipfeln
gleich unter den Sternen

lausche eurem Gesang

verachte das Leid
wie konnte es geschehen,
dass die Bäume Wunden tragen?
die Vögel sterben?
die Kinder weinen?

hab mich verfangen
tief in den Wipfeln
dort wo der Wind die Äste fegt

träume vom Feentanz

husche durch Zeit und Raum
dem Spiel entgegen

die Welt braucht Lebenskraft
zum Weiterdrehen!

Gastbeitrag: Die 7. Fee

 

 

Das Feenspiel – 6. Rauhnacht

Es dunkelt. Ein großer Vogel durchsegelt den Abendhimmel. Zögernd betritt eine Frau die Höhle, trägt in zusammengelegten Händen Feuer in die Mitte, dessen Flackern die Gestalten der Anwesenden umspielt. Sie setzt die Kapuze ihres nachtblauen Mantels ab, sieht sich um und beginnt zu sprechen.

***

Von allen Schwestern bin ich die, die man zuerst übersieht. Mein Name ist Meret, geehrt durch die Göttin Ma’at.

In meinen blauen Mantel gehüllt stehe ich zwischen den Menschen und warte auf die, die sich von mir angezogen fühlen. Es sind immer die gleichen.

Du strahlst so eine Ruhe aus, sagen sie. Ich lächele. Wenn sie von meinen Stürmen wüssten. Und dann erzählen sie.

Vom Überleben.

Von der Ungerechtigkeit.

Von der Hektik.

Von der Überforderung.

Von der Angst.

Von Lasten, die verhindern, dass sie sich erkennen können.

Wer bist du, frage ich, wenn sie auf meine Antwort warten, denn manchen reicht es, dass ich ihnen zugehört habe. Was drückt man dir auf, was tust du selbst dazu, dass es dir so geht, wie es dir geht? Bist du bereit, dich infrage zu stellen, die Grenze dessen, was für dich normal ist, zu verschieben, Verantwortung zu übernehmen?

Jetzt verlassen mich viele, denn diese Fragen sind unbequem und die Antworten rütteln auf. Sie gehen mit meinem Segen, sei er ausgesprochen oder nicht, viele glauben nicht an seine Macht. Es dauert, bis eine Saat aufgeht, manchmal kürzer, manchmal länger. Ich zwinge nicht. Ich bin nur da. Und wenn nicht in diesem Leben, dann danach.

Wer bist du, fragen sie mich.

Ich bin sanft, antworte ich. Und frage weiter. Verlangst du vielleicht zu viel von dir? Von anderen? Glaubst du überhaupt, dass du ein Recht darauf hast?

Auf Wachstum?

Auf Gerechtigkeit?

Auf Gelassenheit?

Auf Wertschätzung?

Auf Liebe?

Alle haben Zweifel. Viele glauben, dass sie selbst schuld sind. Dann weinen wir. Lachen. Schweigen. Wir sprechen, wir lassen uns aufeinander ein. Keine Antwort ist wie die andere. Die Nacht wird lang, und die Dunkelheit bewahrt unsere Geheimnisse.

Ich bin die, die das rechte Maß sucht. Grenzen zieht. Hindernisse einreißt. Strukturen sichtbar macht. Geduld erbittet. Ermutigt.

Du bist es wert, dass es dir gut geht. Aber nicht auf Kosten anderer.

Dein Mitmensch ist es wert, dass es ihm gut geht. Aber nicht auf deine Kosten.

Himmel und Erde, Mensch und Tier sind es wert, dass es ihnen gut geht. Und das liegt auch in unserer Hand.

Ich bin die, die den Ausgleich lehrt.

Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung, er ist ein Teil von ihr. Dankbarkeit und Ehrfurcht stehen uns allen gut zu Gesicht.

Wir sind alle Sterne unter einem Himmel.

***

Sie hebt die Arme. Ihr nachtblauer Mantel entfaltet sich und klafft auf, sie wächst, bis die ganze Höhle zu verschwinden scheint. Klar und hell funkeln die Sterne in ihrer unermesslichen Pracht, unendlich nah und fern zugleich, dass allen Tränen über die Wangen rinnen und alle Herzen vor Liebe weit werden, weil sie sonst zersprängen.

Seht das Geschenk der Göttin. Öffnet euer Herz für die Sehnsucht. Geht in Schönheit.

Sie lacht, und plötzlich ist die Höhle wieder eine Höhle. Ein Feuer prasselt in der Mitte. Draußen erschallt ein Ruf – eine Eule?

Lasst uns feiern, Schwestern, sagt sie. Ich habe euch so vermisst.

Gastbeitrag: Die 6. Fee

Das Feenspiel – 5. Rauhnacht

Eine recht kleine & zarte und doch kräftige & zähe Fee bin ich, dem tiefsten Bayern entsprang ich, man nennt mich Philippa, meine Passion ist das Sausen, Singen und Spielen mit meinesgleichen und mir verwandten Seelen.

Weit gewandert bin ich zu unserem Höhlentreffen im Garten der Perchta, um dem Ruf der Graugans zu folgen und um Euch in klirrendkalter Nacht mit meinem Feenstab beherzt und schwungvoll eine Acht in den weichen, unberührten Schnee zu malen, den der Untersberg in seinem Schoße birgt.

Es ist die Acht, die nicht nur Teil dieses Tages, sondern heut ganz und gar die meine ist und zugleich mein Geschenk an die kommende Nacht und Euch in sich trägt.

Denn in jener Acht, so wie sie sanft hier vor uns liegt im Mondenschein, wohnt der Zauber der Unendlichkeit, keinen Anfang hat sie und auch kein Ende, sie strebt nicht nach links, rechts, oben, unten, selbstgenügsam ist sie, und ihre Mitte hat sie immer schon gefunden, ohne sie je zu suchen.

Doch seht nur, wie sie sich emporhebt aus ihrem Schneebette, wenn ich sie antippe mit meinem Feenstab, wie sie sich voller Anmut aufrichtet und zum funkelnden Nachthimmel reckt und an ihrer runden Gestalt uns gewahr werden lässt, dass das Diesseits und das Jenseits verbunden sind, dass es keine Grenze gibt zwischen den Welten, stattdessen mittendrin, in ihrer schlanken Taille, eine durchlässige Stelle, einen kleinen Durchschlupf…

So lade ich Euch ein zu meinem Feste, Ihr Feen:
Kommt mit mir heut Nacht, lasst uns durch dieses schmale Öhr hinausschlüpfen aus unseren düsteren Höhlen, lasst uns ausschwärmen in die verheißungsvollen Wälder, lasst uns lautlos durchs Tannicht streifen und furchtlos durchs Unterholz schnüren!
Lasst uns ein Rudel wilder und weiser Wölfinnen sein, unendlich ist die Nacht und unser Revier, und ich werde Euch leiten mit meiner feinen Nase!
Lasst uns gemeinsam Fährten aufspüren und ihnen nachgehen, lasst uns durch die Weiten dieser Winternacht jagen, lasst uns tanzen im Takt des Flügelschlags der Waldkäuze, jede von uns ganz für sich und zugleich wir alle gemeinsam, unter jeder Zirbe und jeder Latsche sollen die Pfotenspuren unserer Pirsch und die Trittsiegel unserer Tänze im Schnee zu finden sein!

Zur Geisterstunde wollen wir uns versammeln, im dunklen Herzen des dichten Bergwaldes liegt eine Lichtung, Ihr werdet sie finden, denn sie leuchtet Euch hell, inmitten all der Finsternis erstrahlt sie in unschuldigem Weiß, und sie bietet ausreichend Platz, in ihrem verschneiten Rund die Fünfte der Rauhnächte zu feiern, die Nacht des unschuldigen Kindes, jene Nacht, die mich einst gebar.
An jenem Orte werden wir uns treffen, Seit an Seit werden wir stehen und zusammen den Mond anheulen, so wie die Wölfe es schon immer taten.
Ein wildes, wölfisches Weiberheulen wird es sein, ein durch Mark und Bein gehendes Jaulen, ein göttlicher Gesang voller Kraft, voller Schmerz, voller Freude, voller Verzweiflung, voller Sehnsucht, voller Liebe und voller Hoffnung und Vertrauen auf die Wunder, die da kommen mögen: Bald, hoffentlich, endlich!

I'm runnin' through the forest
With the wolf at my heels
My king is lost at midnight
When the tower bells peal

We've got no fairytale ending
In God's hands our fate is complete
Your heaven's here in my heart
Our love's this dust beneath my feet

Just this dust beneath my feet
If I'm gonna live
I'll lift my life
Darlin' to you

I'm countin' on a miracle
I'm countin' on a miracle
I'm countin' on miracle
To come through
(Bruce Springsteen: Countin’ on a Miracle)

https://youtu.be/wm_jQkeLGxM

Gastbeitrag: 5. Fee »Die Wölfin«