Archiv für den Monat: Februar 2025

Tanzender Stern

Ozeanische Gefühle…

Wassermann sagt: Ich habe den Menschen auf dieser Welt meine Visionen gebracht, sie wissen jetzt, was zu tun ist. Fische, übernehmt jetzt und schließt den Kreis.

Und die Fische übernehmen den Stab und mit ihm die Sehnsucht aller zwölf Sternzeichen und schwimmen damit hinaus aufs weite offene Meer. Sie gleiten durch die Wasser der Unendlichkeit, alles Feste löst sich auf. Ich löse mich auf, ich bin und ich bin nicht…

Dorthin ins Namenlose führt kein Weg, nichts ist mehr greifbar oder faßbar, es gibt keine Grenzen mehr, alle Konturen verschwimmen in sanften Spiegelungen. Loslassen, geschehen lassen, wirken durch Nichttun … das Ruder wegwerfen und sich vom Meer treiben lassen, wohin das Meer es will … das könnten wir von den Fischen lernen.

Nixen schwimmen heran und verschwinden wieder, sie wissen um die Geheimnisse von Anfang und Ende, Werden und Vergehen. Wer sich diesem grenzenlosen Fließen hingibt kann erfahren, daß jede Form nur Übergang ist.

Der Kreis hat sich geschlossen und sein Ende wird zum Anfang werden, wenn die Zeit reif ist.

Meeresgöttinnen zeigen das Bild einer sich ewig wandelbaren Mutter des Chaos, aus ihr heraus entstehen neue Welten.

 

„Man muß noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“

(Zarathustra, Friedrich Nietsche)

 

 

# 77 Ein strenges Geschäft.

„Nun ist Einsamkeit an sich schon ein strenges Geschäft.“  (Andreas Glumm)

Mit dem heutigen Beitrag, der die magische Zahl 77 trägt, beenden die Kraulquappe und ich unser Projekt des Schreibens überkreuz. Kaum zu glauben, aber wir machen das jetzt schon über eineinhalb Jahre! So nervig wie das oft war, daß wir praktisch auf Knopfdruck schreiben mußten, so sehr hat es auch für das Schreiben Struktur und Disziplin gebracht. Wir haben uns sozusagen zu einer Disziplin verpflichtet. Aber irgendwann ist es halt auch wieder vorbei, so ein Projekt. Es war ein wundervoll unkompliziertes Zusammensein mit der lieben Kraulquappe, in absolut freier und doch verbundener Arbeit, ein geglücktes und glücklichmachendes gemeinsames Tun.

Und wie das nach jedem erfolgreichen Projekt halt so ist: ich bin froh, wenn die gemeinsame Verpflichtung weg ist, aber gleichzeitig gerate ich in eine Art wehmütige Leere und bin erstmal mit meiner Einsamkeit alleine, wie immer, wenn das Alte weg ist und das Neue noch nicht in Sicht. Vielen lieben Dank an die mutige Kraulquappe, die sich einfach so in dieses Projekt reingeschmissen hat. Wir bleiben uns gewogen und in Verbindung, eh klar, schaumamal, was die Zukunft so bringt. Jetzt heißts erstmal:
Aus is und gar is und schad is, daß wahr is.

Ich wollte mir heute den letzten Bundestag vor der Wahl anschauen, hab es aber nicht lange ausgehalten, die Gemeinheiten, die Häme, die Hetze, dieser offene Haß und der spürbare gegenseitige Vernichtungswille, all das, was man sich gegenseitig an den Kopf warf … keine Spur von Freundlichkeit und Zuversicht, nach der Wahl, wenn auch nicht gleicher Meinung, so doch in die gleiche Richtung blickend die Regierung zu gestalten, sondern nur Gehacke. Unglaublich. Nur wenige behielten die Fassung, einer davon Robert Habeck, der in seiner Rede ruhig blieb und das sagte, auf was es ihm ankommt und sich nicht dazu verleiten ließ, trotz der Ärgernisse Stil und Kinderstube zu verlieren. Ich schätze ihn sehr, und das, was er sagt und was er tut und auch seine Partei entspricht  sehr  meinem Denken und ich fühle mich absolut gut von ihnen vertreten. Fehler gestehe ich zu, es sind Menschen.

Jetzt wird es wohl nochmal ziemlich schlimm werden in den nächsten eineinhalb Wochen. Mit dem ganzen Geschimpfe und dieser ewigen Kritisiererei und diese andauernden Schuldzuweisungen mag ich nichts mehr zu tun haben, ich habe schon gewählt in Respekt und Achtung vor denen, die mich im Bundestag vetreten sollen und im Vertrauen darauf, daß sie ihr Bestes geben.

Und überhaupt mag ich nicht ständig darauf warten, daß der Staat alle Probleme löst, der Staat sind wir selbst und wir müssen halt die Hände aus den Hosentaschen nehmen und selber was tun, und es gibt viel zu tun für jede n von uns. Wir können uns organisieren und in die Altersheime gehen, und uns um das Wohlergehen der dort Vergessenen kümmern, um die Kinder, die keiner braucht und die in den Heimen verlorengehen, wie die Tiere in den Tierheimen oder wenn wir einfach zum Nachbarn gehen, der seine kranke Frau pflegt und kleine Kinder hat und in die Arbeit gehen muß … was wäre dabei, zu sagen: ich habe Zeit, was kann ich tun?

Jedesmal, wenn ich im Altersheim bin, denke ich mir, daß sich über kurz oder lang das Heim verändern täte, wenn wir viele wären, die sich um Menschen kümmerten, auch wenn sie ihnen erstmal fremd sind … “ es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ … ist es nicht so, immer noch und immer wieder? Es wurde mir schon oft vorgeworfen, ich sei so eine arme irre unverbesserliche Humanistin, so würde es auf der Welt nun einfach nicht funktionieren.  Niemand kann aus seiner Haut, ich auch nicht und wenn ich ein paar Leute finden täte, die mitmachen, dann würde ich so eine Art Besuchskreis gründen für alle Einrichtungen, in denen lebende Geschöpfe verlorengehen … ich habe schon so viel gegründet in meinem Leben. Mit manchem bin ich jämmerlich bis grandios gescheitert, aber mancherort habe ich Spuren hinterlassen, immerhin, und direkt verloren war kein Versuch, die Welt zumindest ein bisserl zu einem besseren Ort zu machen, auch wenn in meinem löwischen Größenwahn immer die Komplett – Rettung geplant war.

Oje, es ist schon weit nach Mitternacht, das Dorf schläft lange schon, nur bei mir ist noch Licht. Allen, die grad verzagt sind oder einfach einen schönen und liebenswürdigen Film sehen möchten, der leicht und hell ist und doch Seelentiefe hat, ich hab ihn heute zum fünften Mal angesehen und werde es sicher noch öfters tun:

„Glück auf einer Skala von 1 bis 10“  ist der Titel des franz./schweiz. Films , er läuft noch bis zum 3. März auf auf ARD – Mediathek!

„Es war mild, der Kaffee hatte mich aufgewärmt, und durch die offene Tür drang ein Duft von Nacht und von Blumen.“   ( Albert Camus: Der Fremde)

 

Und hier schreibt die Kraulquappe

 

# 76 Songlines

Abschied
Eines Nachts, als der Sommer am tiefsten war, zog ich die Tür hinter mir zu und ging los, so geradeaus wie möglich nach Osten. Berlin war ganz still an diesem frühen Morgen. Alles, was ich hörte, war das Pochen der eigenen Schritte auf den Dielen, dann auf Granit. Eine Süße lag in der Luft, das waren die Linden, und Berlin lag wach, aber es hörte mich nicht. Es lag wach wie immer und wartete wie immer und hing wirren, gewaltigen Träumen nach, die aufblitzten wie das Wetterleuchten dort über dem Häusermassiv. Es hatte geregnet die Nacht, ein Bus fuhr vorüber, seine Rücklichter zogen rote Spuren über den nassen Asphalt. Verkehr kam auf, in den Alleen schrieen die Vögel, zitternd sprang die Stadt an, bald würden Angestellte in breiter Formation in ihre Büros fahren. Damit hatte ich nichts mehr zu tun.

aus: „Berlin – Moskau
Eine Reise zu Fuß“
von:   Wolfgang Büscher
rororo 2003

Das Buch kam heute mit der Post, ich habe es ausgepackt und aufgeschlagen und wusste nach den ersten Zeilen, daß ich auch auf diesem Weg, den Wolfgang Büscher vor zwanzig Jahren abgeschritten hat, hinter ihm hertrotten würde wie ein streunender herrenloser Hund, der einer Fährte folgt. Und ich folge dabei nicht erstrangig seinen Stiefeln auf fremden Straßen, nicht den Abenteuern, die er erlebt, wahrscheinlich nicht mal seiner Person. Ich kann das nicht näher beschreiben, aber es ist die Poesie seiner Sprache, der ich folge. Mit dem ersten Satz beginnt der Weg, der sich Wort für Wort weiter fortsetzt wie Lichtzeichen von einem fremden Stern oder wie eine Melodie, die sich von selbst weiterspielt. Ich sehe es nicht und höre auch keine Musik und trotzdem ist es so. Bruce Chatwin hat über die Traumpfade geschrieben, niemand kann sie erklären und doch sind sie da. Ich folge den Traumpfaden der Sprache, des geschriebenen Wortes schon lange. Ich kann sie  weder sehen noch riechen oder hören, aber ich spüre sie. Ich habe mit W.G. Sebald England mit Linien überzogen, bin J.L.Borges ins Labyrinth gefolgt, mit Bruce Chatwin nach Patagonien, wo in dieser Höhle das Fell von einem uralten Wesen verborgen war und bin mit Werner Herzog nach Paris gegangen, eine Linie, die den Tod überwinden konnte.

Von Wolfgang Büscher habe ich „Ein Frühling in Jerusalem“ gelesen und irgendwann mitten in seinem Text habe ich sie gespürt: die Songline der drei Frauen, oder waren es mehr und seitdem möchte ich genau dorthin, wo sie waren und noch sind …  diese Frauen.

Seit diesem Buch bin ich seiner Sprache gefolgt und mit ihm durch Deutschland gegangen und um das Holzhaus im Wald geschlichen und jetzt werde ich ihm folgen nach Moskau, lange bevor der schreckliche Krieg so viele Menschen in Tod und Verderben gestürzt hat. Und dann werde ich nach Amerika reisen, durch das Hartland und durch Asien und … nicht zu vergessen, das neue Buch über seinen Weg durch die Wüste.

Auf meinem Tisch liegen mindestens zwanzig ungelesene wunderbare Bücher, die Lettre mit einem hochinteressanten Text über Patti Smith und W.G.Sebald, es wird langsam eng, kaum haben noch Teekanne und Tasse Platz, aber alles muß warten, denn ich bin unterwegs nach Moskau mit Wolfgang Büscher, dem ich hiermit nochmal herzlich danke, daß ich aus dem Buch zitieren durfte!

Ihr könnt es gerne Leidenschaft für Sprache nennen oder auch sagen, daß ich spinne, beides würde ich nicht ausschließen, aber ich sage, ein paar wenigen gelingt es, mit ihrer Sprache Songlines zu schaffen, auf denen man reisen kann, wenn man den Mut hat, sich treiben zu lassen. Da ich eine Träumerin bin …

 

Und hier schreibt die Kraulquappe