#4 Lukas, die leuchtenden Männer, Drachen und der Herbert.

Es ist 12 Uhr, auf der nachbarlichen Baustelle ist es sehr still, alle machen Mittagspause, auch der Kran. Sein Arm ragt über unsere alten Bauernhäuser in den strahlend blauen Himmel hinein. Von weither segelt langsam eine weiße Wolke heran. Vor ein paar Tagen war Christi Himmelfahrt, ich habe die Versuche nahezu aufgegeben, über die Bedeutung dieses Festes zu sprechen, weil das eh keinen Menschen interessiert. Ganze Scharen von  Sportsmännern rasen durch die Gegend auf teuersten Rädern, die man nicht mehr Räder nennt, sondern Bikes, ausgestattet mit teurer Biker Uniform … die andere Gruppe fährt nicht lang herum, sondern hockt sich gleich zum Saufen in die Biergärten und zelebriert das, was man halt so leichthin unter Vatertag verstehen mag.

Ich lese den Bibeltext immer und immer wieder und werde nicht schlau daraus. Ab Ostern wirds schwieriger und unverständlicher, die Bildersprache der Bibel tut sich schwer, den Übertritt eines Menschen in die nächste Dimension darzustellen. Es geht um die magischen vierzig Tage, in denen einer lebt, obwohl er tot ist und erscheint, ohne noch eine Gestalt zu haben und dann entschwebt er in eine neue Dimension, in diese extrem schwer verständliche Geistigkeit ohne Form aber weiterhin mit Berührung … bloß vollkommen anders als wir es erdenken können … aber spüren können wir es trotzdem, auch wenn diese Art von Berührung nicht mehr erklärbar ist. Und dann gibt es ja noch diese geheimnisvollen Männer mit strahlenden Gewändern, die immer mal wieder auftauchen, sie stehen da und sprechen in Rätseln. Wer sind sie und woher kommen sie und was ist ihre Aufgabe?

“ …sahen sie, wie er emporgehoben wurde und eine Wolke ihn fortnahm vor ihren Augen. Und als sie zum Himmel starrten wie er auffuhr, siehe, da standen zwei Männer in leuchtenden Gewändern und sagten: ihr Männer aus Galiläa was steht ihr und schaut zum Himmel? …“
Luk24,50-53

Man kann es nachlesen.

Die weiße Wolke ist heran geschwommen, hat sich um den Arm des Krans gewickelt und ich sehe einen Drachen, aus Wolkenschaum  geformt , er liegt da, ganz lässig und entspannt und schaut zu mir herüber und ich schaue zurück und wir lächeln uns an. Dann springt durchs offene Fenster der rote Kater Willie auf den Schreibtisch und läuft über die Tastatur, um auf meine Schulter zu kommen. Als ich wieder aus dem Fenster schaue, ist die Mittagspause vorbei, der Kran geht leise scheppernd seiner Bestimmung nach und der Drachen ist  verschwunden.

Herr Graugans schleppt mich schwitzend und jammernd aus meiner erkältungsbedingten Lethargie heraus in ein asiatisches Lokal in Salzburg. Es ist am Stadtrand gelegen und deshalb auch für Geldbörsen Normalsterblicher erschwinglich. Die Freude über das gemeinsame Essen mit unserer Lieblingsnachbarin, die sich grade aus einer schweren Lungenembolie herausgearbeitet hat, und die wunderbaren Speisen, vor allem sehr viel eingelegter Ingwer,  lassen mich zusehends gesunden. Am Nebentisch sitzen zwei junge Leute die damit beschäftigt sind, alles, was sie sich Teller für Teller vom Buffet holen erstmal ausgiebig zu fotografieren und zu posten, dann ein paar Bissen zu essen, um gleich wieder nach den hoffentlich zahlreichen Kommentaren zu schauen, die sie dann natürlich auch wieder kommentieren müssen. Während des Kommentierens des Kommentierens des Kommentierens sprechen sie nicht miteinander, eigentlich sprechen sie überhaupt nicht miteinander  sondern nur mit denen, die irgendwo da draußen auch posten und kommentieren. Aufgelockert werden die Posts über das Essen am Teller durch Selfies, die zeigen sollen, wie es ausschaut, wenn sie grad chinesisch essen.

Gestern Abend habe ich die Wiesen abgesucht, der Kater Herbert war zwei Tage verschwunden und der Großbauer, der ringsherum die Gründe der aufgegebenen kleinen Landwirtschaften gepachtet hat war unterwegs und hat mit seinem acht Meter breiten Mähbalken alles abgemäht, da geraten Rehkitze und Katzen leicht in die scharfen Messer, wenn sie meinen, sie könnten sich drunter weg ducken. Der Herbert ist zwar schlau und vorsichtig, sonst wäre er nicht 13 Jahre alt geworden, aber nachdem er heuer schon dreimal mit verletzter Pfote heimkam und große Blutflecken auf der Sofadecke hinterlassen hat, bin ich immer in Sorge, wenn er sich nicht wenigstens einmal pro Tag sehen läßt. Die Suche war erfolgreich, ich sah ein kleines weißes Fellbündel irgendwo dort, wo jagdmäßig große Erfolge winken, da auf abgemähter Wiese die Mauslöcher sozusagen offen da liegen und man nur ein wenig warten muß. Als ich ihn rief, kam er sofort den Berg heraufgelaufen, ging plaudernd mit mir heim, nahm ein paar Brocken Katzenfutter und verschwand wieder auf vorläufiges Nimmerwiedersehen hinaus in die Nacht.

Bald ist es soweit, dann übernimmt Frau Akelei das Zepter hier um Haus und Hof herum, grade eben sehe ich die ersten ihrer Gespielinnen. Die Köpfe mit dunkelroten Feenhauben wackeln zart im lauen Wind. Und daneben liegt in ihrem Schatten der von nächtlichen Umtrieben völlig erschöpfte Herbert … da bist Du ja, Du Strawanzer, sage ich.

 

und da schreibt die Frau Kraulquappe

 

 

6 Gedanken zu „#4 Lukas, die leuchtenden Männer, Drachen und der Herbert.

  1. Bleibe ich bei den weltlichen Dingen. Die traurige Beobachtung im Restaurant, immerhin ausgeglichen durch die Kraft des Ingwers, zum Glück. Überhaupt das feine Beobachten in deinen Zeilen – eine Seinsebene, zu der ich nicht mehr komme. Um den strahlend blauen Himmel beneide ich dich. Wir hatten das über den gesamten Frühling vielleicht an zwei, drei Tagen, so kommt es mir vor. Der kühlste, graueste Frühling, an den ich mich erinnern kann. Wenigstens kann sich der Grundwasserspiegel wieder ein bisschen erholen. Fühle dich umarmt

    1. „So oder so ist das Leben … so oder so ist es gut …“
      Soo schön, von Dir zu hören!
      Ich glaub, ich werde dir einen Brief schreiben, so einen mit Füllerschrift auf Papier… ich grüß Dich und umarm Dich

  2. danke für diesen feinen, vielgliedrigen text, danke für die akeleien, die i so gern hab, in meinem gärtchen waren sie immer gern … nahm beim umzug in töpfen welche mit, die zu meiner verwunderung nun tatsächlich blühen hier auf dem balkon im zweiten stock – hätt’s nicht gedacht … und nehm’s als kleines omen, dass im großen ganzen vielleicht doch was zu retten ist, wer weiß … sei herzlich gegrüßt!

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