Am Abend auf der Hausbank sehe ich sie. Das alte Kind in mir möchte immer noch glauben, daß jeder der Glühwürmer eine kleine Laterne dabei hat, um den Weg auszuleuchten. Es gibt im Juli immer so eine gewisse Nacht, niemand weiß, wann genau das ist, aber in dieser einen Nacht beginnen sie zu leuchten und das kleine dunkle Wäldchen am Bach ganz in der Nähe beginnt zu strahlen wie es sonst nur der Sternenhimmel vermag.
Beim Reingehen schließe ich die Haustür fest zu, aber etwas, was noch viel kleiner ist als Glühwürmer ist längst schon hereingeschlüpft, hat Kratzen im Hals mitgebracht und entwickelt sich zu einer Sommergrippe mit dem üblichen Programm. Letzte Nacht war grauslig. Die Nase versucht, durch Niesattacken zu retten, was noch zu retten ist, das führt zu permanentem Laufen mit gleichzeitiger Verstopfung, also ist das Luft holen denkbar schwierig, an Schlaf ist trotz bleierner Müdigkeit nicht zu denken. Woher kommen Frösteln und Schwitzen, ist die Nacht draußen so fiebrig heiß oder bin ich es. Ein Schrei kommt von irgendwoher, dann noch einer und nocheiner … Vor sehr langer Zeit ist mal auf unserem kleinen Hof, der immer schon ein Auffang – Lager für nicht mehr gebrauchte Tiere war, ein kleiner schwarzer, nicht ganz reinrassiger Spitz gelandet. Er gehörte zu der Hundesorte der schrillen Permanentkläffer, deswegen wollten ihn seine Leute wohl auch loshaben. Er hieß Molli, hing wahrscheinlich nachts an einer Kette, sonst wäre er vermutlich stiften gegangen und er kläffte und jaulte die ganze Nacht den Mond an. Mein Vater sagte, das kommt daher, weil der Molli das Ergebnis einer Kreuzung mit einem Kojoten ist ..
Aber das ist alles schon so lange her. Irgendwo heulen die Koyoten, mein Kopf ist heiß und voller Geschichten … ich stehe am offenen Fenster und schaue auf ein weites Land hinaus, irgendwo da hinten sind die Berge … davor noch muß der Rio Grande sein, der längst nicht mehr der gleiche ist, den wir fernwehsehnsüchtig in den alten Western angebetet haben, sondern heute ist er geschunden, ausgetrocknet und am Ende finden seine Arme keinen Weg ins Meer , sondern versacken im Staub…
Auf der Straße vor dem Haus treibt ein heißer Wind eine Coladose klappernd durch den Staub und und er bringt einen Geruch mit, dieser Wind … und er weht über mein Gesicht und plötzlich erinnere ich mich: es riecht nach der Wüste und die riecht am Tag ganz anders als in der Nacht.
Alles riecht anders, wenn es Nacht wird in El Paso.
Und da schreibt die um ein Jahr gealterte Kraulquappe
Gute Besserung, meine liebe Graugans. Denke dir bitte drei vierblättrige Kleeblätter, ich mir die Glühwürmchen, die so rar geworden sind, um nicht zu sagen unsichtbar.
Herzlichst, Ulli
Gute Besserung Dir…schwarzen Spitz…sowas gibts?
Ich glaub die sind immer weiß.