Am Pfingstmontag war es überraschend ruhig und menschenleer oben auf dem kleinen Hügel über Prien am Chiemsee, wahrscheinlich deswegen, weil der „Mesnerwirt“ geschlossen war und was sollte man dann dort oben außer der Besichtigung der kleinen Kapelle noch unternehmen. Als wir das letzte Mal da waren, hockte der Biergarten voller Leute, die lautstark urig-bairische Gemütlichkeit auskosteten, oder das, was so gemeinhin als bairisch empfunden wird. Der Tourismus mag es halt gerne krachledern und dementsprechend verhalten sich auch die Gäste.
Diesmal nix, kein Mensch weit und breit und in der Kirche auch niemand. Leider ist da ein Gitter und man kann deshalb die mittelalterlichen Fresken nicht gut erkennen. Sehr alt ist sie, die kleine romanische Kapelle, die dem Hl. Jakobus geweiht ist, der erste Bau wahrscheinlich schon im 9. Jahrhundert, die Fresken aus dem 12. Jahrhundert. In Urschalling, wie dieser Ortsteil heißt, stand mal eine Burg und die Kirche war die Burgkapelle. Von der Burg ist nichts mehr übrig und die Kapelle ist voller Geheimnisse. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der ursprüngliche Eingang zugemauert und alle Fresken mehrfach übertüncht. Heute ist wohl alles mehr oder weniger vom Staub der Vergangenheit befreit und es kamen Bilder zum Vorschein, die aller Welt Rätsel aufgeben. Überraschend viele Frauenfiguren sind abgebildet und das geheimnisvollste Bild zeigt eine Trinität, in deren Mitte eine Frau zu sehen ist. Das sagen die einen gescheiten Leute, sie sprechen womöglich sogar von einer Heiligen Geistin, weil ja durch neuere Bibelübersetzungen das Wort „Ruach“ aufgetaucht ist und das ist weiblich. Die andere Hälfte der Gescheiten sagt, das wäre ganz sicher nur ein Jüngling und dann gibts natürlich die Ewiggestrigen, die sagen, wo kämen wir denn da hin, wenn jetzt auch noch der Heilige Geist weiblich wäre … naja, niemand weiß bis jetzt, wer für diese mittelalterliche Malerei verantwortlich war. So vieles ist nicht geklärt und die Spuren verlieren sich im Dunkel der Geschichte. Ich glaube, es macht sehr viel Sinn, den Geist Gottes als Geistin zu denken. Es gibt bei den drei Figuren nur zwei Arme und auch der Umhang gibt Rätsel auf. Leider kann man ohne angemeldete Gruppenführung nicht nach vorne gehen zur Apsis, um in Ruhe all das zu spüren, was die Geschichten an der Wand uns sagen wollen.
Aber auch mit Gitter ist es außergewöhnlich an diesem Ort und ich habe das Gefühl, im heiligen Bezirk eines Tempels zu stehen und in dieser romanischen Einfacheit wird es auf einmal möglich, diesen Atem zu spüren, den Odem, der durch mich hindurchweht und die Verbindung zum Göttlichen nicht herzustellen braucht … denn … sie ist da. Und ich brauche nichts tun, mich mit keinen schwierigen Gedankenkonstruktionen herumzuplagen, nur da sein und es geschehen lassen.
Manchmal genügen ein paar Sekunden und die Seele fliegt, „als flöge sie nach Haus“.
Ein sehr besonderer Ort.
Pfingsten schließt einen Kreis, so ahne ich. Ostern ist die Geschichte eines Scheiterns. Daß daraus die Verbindung zum Göttlichen entsteht, die wir alle haben, ob wir an sie glauben oder nicht, halte ich, vorsichtig ausgedrückt, für sehr wahrscheinlich.
Ein Blogger, den ich sehr schätze, weil er wunderbare Texte voller Respekt über vorgestellte MusikerInnen schreibt, hat um Pfingsten herum ein paarmal das Wort „Gott“ verwendet im Zusammenhang von Musik. Er schreibt als ersten Satz bei der Vorstellung von : „A Love Supreme“ von John Coltrane : Ob es Gott gibt, weiß ja keiner so genau“. Ich hab vor längerer Zeit auch über diese Platte geschrieben, aber eigentlich reichte meine Sprache nicht aus, um das Erleben dieser Musik auszudrücken. Bei Ihm
sind die Worte wie zartes Seidenpapier, aus dem man eine filigrane Kostbarkeit auswickelt. Ja, man sollte dieser Musik einen eigenen Raum geben und sich ihr ausliefern, sich an sie verschenken und drin verloren gehen, um dann sagen zu können, „daß man verstanden hat, irgendwie“. Danke für Deine Worte, lieber Fuchs und Danke dorthin, wo immer er sich aufhalten mag im Hauch der Ewigkeit: John Coltrane.
Und da schreibt die Kraulquappe
„Und ich brauche nichts tun, mich mit keinen schwierigen Gedankenkonstruktionen herumzuplagen, nur da sein und es geschehen lassen.“
Ein lebenskluger Satz. Im Jetzt sein. Nicht drei Sachen gleichzeitig machen. Wahrnehmen und freigeben.
Schöne Grüsse, Robert
„…seine seele flog nach haus“ , dieses lied kenne ich von früher und empfand es als tröstend. die geschichte mit den fresken beschäftigt mich, warum könnte es nicht so sein? menschen sehen manchmal nur, was sie sehen möchten, oder was zum weltbild passt. und einfach schauen und staunen über etwas, das vor so langer zeit geschaffen wurde, das macht mich immer dankbar. danke für die anregung, gruß roswitha
Den Heiligen Geist als Geistin „denken”? Ich kann weder das eine noch das andere.
Ja mei … da kann man dann auch nix machen, wie’s is, so isses.