Archiv für den Tag: 14. April 2014

Ferne Nähe

Es ist Palmsonntag. Ich gehe auf dem alten Wallfahrtsweg, der sich wie eine Schlange um den Berg windet, den Mühlberg hinauf zum Marienheiligtum. Über der Kirchenpforte im Westen breitet die Schutzmantelmadonna ihren Mantel aus. Die Altvorderen irgendwo auf der Welt haben vom Tod als „die Frau im Westen“ erzählt. Am Mühlberg ist die Muttergottes überlebensgroß auf die Westwand gemalt und soll uns sagen, daß wir uns, wenn gar nichts mehr geht, unter ihren Mantel (Schutz und Schirm) verkriechen dürfen. An der Ostseite der Kirche hängt IHR Sohn am Kreuz, er hat bereits das Leiden überwunden und sein lieblich-zartes Gesicht zeigt direkt dorthin, wo die Sonne über dem Untersberg aufgeht, in dessen Namen angeblich die „Anderswelt“ versteckt ist, deren Pforte in seinen geheimnisvollen Höhlungen verborgen ist.

Ich stehe vor ihm, sein Antlitz strahlt tiefen Frieden aus,seine Gestalt zwischen Himmel und Erde in überirdischer Harmonie trotz Wespennest in der Achsel und den etwas zu langen Armen. Sympathisch schlafend.

Der Abstieg an den Kreuzwegstationen vorbei, zeigt das, was er dort oben bereits hinter sich hat. Warum dies alles eigentlich? Weil einer irgendwo irgendwann sein Maul nicht halten wollte? Und es passierte ja nicht nur vor zwei tausend Jahren, sondern hier, mitten unter uns ist ständig Kreuzweg und was können wir tun? Erst vor ein paar Stunden saß in einer Gesprächssendung Hamad Abdel-Samad und sollte sich rechtfertigen darüber, warum er in einem Buch über Islam und Faschismus schreibt und es veröffentlichen läßt, obwohl er um die Gefahr weiß, die ihm droht? Es ist bereits passiert, er wurde zum Abschuss freigegeben, d.h. ein sogen. Fatwa wurde über ihn verhängt, jeder dahergelaufene Spinner darf ihn jetzt also abschlachten, wie es ihm beliebt, sieht es so die islamische Religionsgemeinschaft vor in solchen Fällen? Das heißt, da lebt einer unter uns mit einem Todesurteil, weil er seine eigene Religion kritisiert hat.

Palmsonntag