Archiv für den Tag: 11. Dezember 2018

24 T. – Mutmaßungen über das Deutschsein, Tag 11 #Riffmaster

„Au weia … was ist denn das für ein Thema … gleich als ich diese Fragestellung „Mutmaßungen über das Deutschsein“ das erste Mal hörte,  wurde mir ein wenig schummrig. Und irgendwie wollte ich mich ja vor diesem Thema drücken, denn es ist ein Thema, das bei mir viel Unbehagen auslöst.

Spontan fiel mir dann das folgende Zitat ein:  „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“  … viel überheblicher konnte man ja kaum dieses nationale Überheblichkeitsgedusel zum Ausdruck bringen und ich packte dieses Zitat direkt in die Nazi-Ecke.

Weit gefehlt ! Denn, zum einen heißt dieses Zitat ja eigentlich „… und es mag am deutschen Wesen einmal noch die Welt genesen!“ und entstanden sind diese Zeiten 1961 im Rahmen des Gedichtes „Deutschlands Beruf“; der Verfasser war ein gewisser Franz Emanuel August Geibel (17.10.1815 – 06.04.1884). Anlass für dieses Gedicht war sein Wunsch, dass aus all den damaligen deutschen Einzelstaaten ein vereinigtes Deutschland (freilich unter der Führung des Kaisers) entstehen möge. Und mit diesem Wunsch verband er die Hoffnung, dass daraus eine neue Friedensordnung entstehen möge, von der auch andere Völker profitieren sollten und könnten. Mag ja naiv gewesen sein, aber die von mir unterstellte Überheblichkeit relativierte sich doch stark, nachdem mir die Hintergründe dieser Zeilen bewußt wurden.

Dass spätere Generationen aus dem Wörtchen „mag“ dann dieses „soll“ machten, dafür kann der Autor nun wirklich nichts. Und dass dieses Zitat später auch mal als Ausdruck deutscher Arroganz verwendet wurde, ist ja nun auch nicht von der Hand zu weisen.

Na ja und dann diese berühmten Heinrich Heine Worte: „„Denk ich an Deutschland in der Nacht, / Dann bin ich um den Schlaf gebracht“ (entstanden 1844, quasi am Vorabend der deutschen Revolution von 1848). Sie drücken für mich bis heute jene Empfindungen aus, die mir bei meinen Mutmaßungen über Deutschland sehr nahestanden.

Skepsis, große Skepsis, wenn ich da an mein Heimatland denke. Und vordergründig auch kein Wunder, gehöre ich doch zu jener Generation, die sich schmerzlich bewusst zu machen hatte … welche Greueltaten von deutschem Boden ausgingen.

Aber auch dieser Argwohn ist ja eigentlich nur auf dem ersten Blick gerechtfertigt. Öffnet man seinen Blick auf dieses Thema, so kann man durchaus – und da muss man nicht allzulange nachdenken – feststellen, dass “wir Deutsche“ ohne weiteres hervorragende und unser Leben prägende Persönlichkeiten hatten und wohl auch haben. Damit meine ich nicht dieses „Land der Dichter und Denker“ (auch diese Formulierung löst ihn mir Unwohlsein aus), sondern damit meine ich alle jene Menschen, die mit ihrer z.T. radikalen Entschiedenheit dazu beigetragen haben, Gegenentwürfe zu all jenen Barbareien in der Menschheitsgeschichte zu entwickeln, die mich heute noch bewegen, berühren. Und spontan wandern meine Gedanken zu einer Rosa Luxemburg …

Und dennoch: mein Widerwille bleibt, denn in der Fragestellung steckt ja auch die Vermutung es gäbe ein „Deutschsein“. Und das bringt mich dann unwillkürlich zu diesem Theo Sommer, dem damaligen Herausgeber der „Zeit“, der da 2006 schrieb „Integration bedeutet zwangsläufig ein gutes Stück Assimilation an die deutsche Leitkultur und deren Kernwerte“. Diese deutsche Leitkultur impliziert ja, es gäbe auch eine italienische, französische oder britische Leitkultur.

Das Gegenteil ist der Fall.  Eigentlich bedeutet die Auseinandersetzung mit „deutscher Leitkultur“:

Für Deutschland muss die Leitkultur der Integration betont europäisch sein. Ihr liegen die folgenden zentralen europäische Werte zu Grunde: Trennung von Religion und Politik, Demokratie, Menschenrechte, religiöser und kultureller Pluralismus und Zivilgesellschaft. (Bassam Tibi; der stammt aus Damaskus und war damals, als er diese Zeilen in der Welt veröffentlichte – also 2002 –  Professor für Internationale Beziehungen an der Georg-August-Universität Göttingen)

Bringen mich diese Überlegungen weiter ? Komme ich damit der ursprünglichen Fragestellung näher ? Ich befürchte nein … Meine Mutmaßungen über das Deutschsein führen mich in die Sackgasse … aber zumindest dies bleibt bei mir hängen: Auf den Blickwinkel kommt es an und mein Blickwinkel ist und bleibt ein Blickwinkel der an Humanität und sozialer Gerechtigkeit orientiert ist … und da haben Menschen aus deutschen Landen doch so einige wichtige und wohl auch entscheidende  Impulse geben können.

Und ein jeder sei aufgefordert, welche der gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland für ihn eine besondere Relevanz haben … denn mit diesen Entwicklungen sind auch immer besondere Persönlichkeiten verbunden. Persönlichkeiten, die dann Teil der „Mutmaßungen über das Deutschein“ sein können.

Text : Riffmaster

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