Archiv für den Tag: 7. Dezember 2018

24 T. – Mutmaßungen über das Deutschsein Tag 7 #Jan Kuhlbrodt

Ist hier jedes rechthabende Wort falsch? Aber gibt es linkshabende linkische Wörter auch? Sprechen sie in der Pause?

Peter Waterhouse in Equus – Wie Kleist nicht heißt

Was ist Deutsch? Für mich?

Eine Frage, die mich in Verlegenheit bringt, weil: ich weiß es nicht. Das Wort, der Begriff? hat über die Jahre, in denen ich damit umging oder vielmehr den Umgang damit beobachtete, seinen Charakter und seinen Inhalt eins ums andere Mal verändert; mir scheint, es ist zuallererst ein Spiegel für die Position dessen, der es benutzt. Und ein Bild für die gesellschaftliche Umgebung, in der es benutzt wird. Gut erinnere ich mich noch an die Verrenkungen, die sprachlichen, die die Ideologen in der DDR betrieben, um dem Deutschen eine irgendwie progressive Note zu verleihen.

Meine Schwierigkeit folgt also gar nicht aus eigenem Deutschsein, denn das bleibt weitgehend unbestimmt, sondern im Hinblick auf eine Abgrenzung. Egal ob man das Wort polemisch für für das schlechthin böse nimmt, oder ob man es gebraucht, um seinen kümmerlichen Stolz zu füttern: Deutsch ist alles, was nicht nichtdeutsch ist.

Hier aber läuft der Gedankentanker schon auf Grund, es sei denn, ich würde das Deutsche als das schlechthin Andere mir Fremde bestimmen. Damit hätte ich meinen Hals natürlich aus der Schlinge gezogen. Elegant? Und by the way alle Verantwortung für deutsche Untaten von mir gewiesen. Aber, und hier beginnen die Schwierigkeiten, ich habe diese Abkehr in deutscher Sprache formuliert. Es ist wahrscheinlich das Einzige, was unstrittig deutsch ist. Meine Fessel also, an mein Deutschsein. Die Sprache! Und es wäre zum Verzweifeln, läge diese als reine Sprache vor, als bestimmte Anzahl eindeutiger Vokabeln, die nach einem festen grammatischen Regelwerk gefügt werden und eine entsprechende Anzahl sinnvoller Sätze zuließen. Ein abgegrenztes Sammelgebiet, wenn man so will, denn alles Sagbare wäre damit bestimmt. Trüber Gedanke!

Zum Glück aber ist die Sprache allen Sprachbewahrern zum Trotz eine dynamische Angelegenheit und sie ist Formbar. Wir sind also in der Lage, die Köpfe aus der Schlinge zu ziehen, die wir sprachlich um unsere Hälse gelegt. Und wir sollten es tun.

 

Text: Jan Kuhlbrodt
Blog: Postkultur