In den letzten Wochen war hier sehr viel Betrieb, viele hielten ihr Gastspiel hier auf meiner Bühne, zwischen Himmel und Erde. Jetzt ist die Bühne leer, ich habe den Haupteingang geschlossen, halte aber immer noch eine kleine Türe offen für Seiteneinsteiger, Nachzüglerinnen, versprengte Geister … Ich liebe es, Gäste zu haben, die mein Dasein bereichern, weil sie mich teilhaben lassen an ihrer Art, die Dinge zu sehen.
Ich bin aber auch sehr gerne alleine, rieche die Theaterluft und höre meinen Schritten zu auf dem Bühnenboden, der klingt, als wäre ein Hohlraum darunter, zum Sichverstecken vor der realen Welt. Eine virtuelle Bühne, eine die erstaunlich lange sich schon hält, alle anderen Versuche waren nicht so erfolgreich. Das halbfertige Papiertheater lehnt seit Jahren hinter einem Schrank. Das wunderbare „Theater hinterm Ofen“, ein Geschenk in Form einer Palette mit einem Stuhl darauf kommt nur an einem Abend zum Einsatz, beim Verlesen eines meiner besten Gedichte, wie ich meine, fängt der Ofen an, Funken zu sprühen, der einzige Gast ist eingeschlafen, schreckt auf und geht nach Hause … ach ja …und die Idee eines lauschigen, intimen Kellertheaters mit frivolem Saxophon scheitert an diversen Gründen, u.a. weil es vom einzigen Stück nur den letzten Satz gibt, an den ich mich aber nicht erinnern kann. Für eine, die zumindest teilweise von einer alten Theaterfamilie abstammt, bisher keine erfolgreiche Bilanz. Ich gehe nicht gern ins Theater, mag es nicht, eingeklemmt zwischen Vielen stundenlang auf eine Bühne zu starren. Aber ich habe Sehnsucht nach der Bühne, weiß genau, wie es da riecht und habe die Geräusche im Ohr, und ich spüre den Stoff des Vorhangs auf meinen Fingerkuppen … meine Sinne sind erregt, wenn ich nur an eine Bühne denke und das Seltsamste ist, ich bin noch nie auf einer gestanden.
Die Mama muß es mir direkt vererbt haben, so eine Art Gen. Sie erzählte diese Geschichten, immer und überall. Sie spielte Szenen. Sie hat Arien aus Toska gesungen, während sie die Kuh gemolken hat. Woher kam sie … aus Deutschland, aus Österreich, aus Böhmen? Ja, aus Böhmen. Ihre Gefühle sind mir ein Rätsel geblieben, sie wechselten mit dem Publikum, mit dem sie jonglierte je nach Lust und Laune, ihre Paraderolle war die junge Naive … „wir spielen alle, wer´s weiß ist klug“ soll Arthur Schnitzler gesagt haben. Mein wahrheitsfanatischer Papa spielte nie. Er mochte das alles nicht, was da an „gschlamperter Scheinwelt“ von Österreich/Böhmen herüberwehte.
Ach, was für Gedanken mir da so kommen, während ich auf meiner leeren Bühne herumgehe.
Heute, in der Stunde vor Mitternacht, ist Wintersonnwend, der Kreis schließt sich und alles beginnt von Neuem. Ich setze mich auf den gebohnerten Bühnenboden und schaue hinaus ins All, hier zwischen Himmel und Erde kann ich erkennen, wie sich der blaue Erdenball unter mir dreht, ich habe Zeit, Zeit in Hülle und Fülle. Bald ist Weihnachten. Das Land rennt und rennt, um sich noch schnell, schnell intensiv zu besinnen.
Ich verschenke gerne meine Zeit, aber das ist nicht so einfach, denn es hat eigentlich niemand Zeit für die Zeit. Und so bleibe ich allein ein wenig hier in diesem virtuellen Zwischenraum sitzen, sehe den Sternen beim Glänzen zu und dem Mond beim Kugelrundwerden und finde dieses Lied. Es klingt zwischendurch ein wenig schräg, beide später sehr berühmt singen und spielen hier, so scheint es, erfrischend unprofessionell … es klingt, als wären sich zwei Menschen so vertraut , daß sie nicht mehr reden müssen, da beginnen sie zu singen, miteinander, füreinander … und zufällig lehnt da eine Gitarre …
Irgendwo tief innen in uns vergraben, liegt ein kleines Kind in der Krippe, und allein durch sein Lächeln zerplatzen die Dämonen der Angst und der Einsamkeit, ich weiß es genau, es ist nie zu spät, es zu suchen … Singen hilft … da bin ich sicher.