Archiv der Kategorie: Weltenklang

Für G.

vor zwei Tagen wäre er 70 Jahre alt geworden:

Georg Danzer

7. Okt. 1946  –  21.Juni 2007

 

Und hier lieber Schurl, wo Du auch bist, Dein Lieblingslied vom alten Freund, dem Ambros Wolfgang:

 

„…über meine Seele führt mein Weg,

über meine Liebe führt mein Weg,

über meine Träume führt mein Weg…

komm, laß Deine Sehnsucht an den Start…“ (Danzer)

Dieses Lied

Für alle, denen es  nicht so gut geht, bei denen alte Narben aufbrechen,  die an Verletzungen leiden, die nicht heilen wollen, die traurig und einsam sind,

und

für einen lieben Menschen speziell, dem ich gerne Schmerzen abnähme, aber  nichts anderes tun kann, als ihm dieses Lied durch die Nacht zu schicken, aus einem warmen Herzen und mit guten Gedanken…

bitte nicht verzagen,

auch diese Nacht geht vorbei

und morgen scheint die Sonne,

da bin ich sicher

und ich denke:

everybody hurts, sometimes

Herzensklänge

Die Erkenntnis, daß alles, aber auch wirklich ALLES aus Sternenstaub und Klang besteht, läßt die Frage entstehen, ob es denn überhaupt ein Niemandsland braucht.

Sie mag darüber nicht nachdenken, sondern sie legt sich auf den fliegenden Teppich der Musik und läßt sich tragen durch das Sein.

 

Klangschale

Woher kommt die Musik? War am Anfang das Wort oder der Klang?

Warum reagiere ich so extrem empfindlich und vor allem so unterschiedlich auf Töne, und warum konnte ich noch nie Musik nebenbei hören, wie soviele Menschen? Und ich weiß nicht, warum mich Musik manchmal extrem glücklich macht oder genauso extrem unglücklich und was mir das größte Rätsel aufgibt, warum kann ich manch eine Musik überhaupt nicht aushalten, weil sie mir die Brust sprengt oder das Herz zerreisst, ob vor Glück oder vor Unglück, nicht mal das weiß ich. Es scheint dann eine Art von Sehnsucht von mir Besitz zu ergreifen, die nicht mehr in der Welt des Erklärbaren angesiedelt ist und unerträglich wird, weil sie nicht gestillt werden kann.

Schon als junges Mädchen musste ich heulen bei manchen Liedern, vor allem bei den Beatles…“Blackbird“ kann ich heute noch kaum aushalten.

Vor ein paar Tagen ist mir das wieder aufgefallen. In der Dämmerung bin ich unterwegs, es schneit, die Straße ist leer und im Radio läuft „Dollar Days“ von David Bowie, die Landschaft wird immer unwirklicher…dieses Saxophon (weiß jemand, wer es so grandios spielt?) trägt mich durch die Nacht…dieser Hauch von Ewigkeit weht mich an…so schön, dieses Gleiten durch die Nacht auf den Tönen dieser Stimme und dieses wilden Saxophons…

Und nicht lang danach spielen sie „Child in Time“ und ich werde zerrissen und zerrüttet…was ist das nur?

Dieses Lied verfolgt mich, am Abend kommt es mir aus dem Fernsehen entgegen und es begegnet mir noch ein paarmal und mir fällt wieder ein, was ich Monate zuvor in einem meiner derzeitigen Lebensbücher („Zur frohen Zukunft“ – Werkstattgespräche mit Adolf Holl) gelesen hatte. Holl hatte sich vor Jahren in einem Kloster der Zisterzienser aufgehalten und darüber berichtet,daß er von ihnen beim Hören ihres Gesangs viel  gelernt habe, was er nicht vergessen hätte, auch Sachen, die älter seien als das Christentum, den Tonus Peregrinus zum Beispiel.

Ich forsche nach und erfahre, daß dieser Tonus Peregrinus, lat. „fremder Ton“,  von den acht Modi des Gregorianischen Gesangs abweicht. Es ist der neunte Ton. Es soll wechselnde Halte- oder Schlußtöne geben und es ist mir nicht wirklich klar, was dies alles bedeutet.

Bach hat das Magnificat, ein wildes, leidenschaftliches, unerbittliches und hartes Lied der Maria vertont als „Magnificat anima mea Dominum“ und da erscheint dieser Tonus Peregrinus.

Bach-Magnificat

Und dann wird mir gesagt, wo er noch vorkommt,

nämlich in einem Song von Deep Purple: „Child in Time“!

Deep Purple-Child in Time

a – Moll, a – Moll, G – Dur, a – Moll

Antworten?

Ich fürchte, nein, eher nur weitere Fragen…die Frage nach dem Alter des „fremden Tons“ wurde nirgendwo aufgegriffen.

Wo kommen die Töne her und was machen sie mit uns?

Geheimnisvoller Urgrund

_SC84125

 

Finis…?

Die letzten heissen Tage, in denen wir unsere kleine private Sommerakademie veranstalteten, sind längst vergangen, der Sommer ist alt geworden und hat im Herbststurm seine Kleider abgeworfen.

Als wir unsere Arbeiten fertigstellten, kamen grad viele tausend geflüchtete Menschen in Deutschland an, das Land spürte plötzlich ein mitfühlendes Herz in sich schlagen, rannte mit Altkleidung, Wasserflaschen, Plüschtieren und Transparenten zu den Bahnhöfen, verhielt sich freudig erregt und nannte dies „Willkommenskultur“. Es kamen und kommen immer mehr, hunderttausende und jetzt wird die Freude über die Fremdlinge deutschlandweit merklich kühler, an den Grenzen wird streng kontrolliert, die Bundesländer halten sich relativ zurück in der Aufnahmebereitschaft…

Als wir vor ein paar Wochen auf der Heimfahrt nachts aus Versehen die falsche Ausfahrt nahmen, lagen an der Grenze Salzburg/Freilassing kilometerweit auf den Gehsteigen und auf der Straße Kleiderbündel gestapelt herum, o mein Gott, ich schäme mich so sehr, ich dachte tatsächlich im ersten Moment, es wäre Altkleidung, nein, es waren Menschen. Hunderte, tausende Menschenbündel lagen in dieser kalten Nacht und warteten, viele nicht zugedeckt…und da wusste ich plötzlich, jetzt hat die Welt ihr wahres Gesicht gezeigt, und plötzlich war alles anders wie vorher. Seit dieser Nacht gibt es kein Wegsehen mehr, die Wirklichkeit hat alle Fernsehbilder überholt.

Inzwischen sind alle Geflüchteten (es kommen täglich mindestens tausend hinzu) in Zeltlagern entlang des Grenzflusses hinter Zäunen und unter Bewachung untergebracht und müssen warten, denn wegen der vielen Millionen, die auf das Oktoberfest wollten, durften die Geflüchteten nicht auch noch mit Zügen nach München fahren, wohin sie ja wegen Registrierung und Weitervermittlung müssen, das hätte die Stadt nicht mehr verkraftet, also Warten im Zeltlager. Inzwischen heisst es, nächste Woche dürften die Züge wieder fahren.

Die Ereignisse überstürzen sich ständig, die Probleme wachsen, erstaunlich, wie ruhig und andauernd hilfsbereit die hiesige Bevölkerung bleibt, trotz nahezu lahmgelegtem Grenzverkehr über Wochen wurde und wird zwar viel über starre Bürokratie und über alle staatlichen Eingriffe und über alles Mögliche geschimpft, nie über die Geflüchteten, niemand gibt ihnen die Schuld, im Angesicht der Not, die sie mitschleppen, werden ihnen die Hände gereicht.

Mittendrin in diesen ganzen übergroßen Ereignissen gab es unsere kleine, virtuelle Ausstellungseröffnung! Vor den Rechnern saßen wir und haben aufgeregt die wunderbaren Kommentare beantwortet und uns so sehr gefreut, daß Ihr alle hierher gekommen seid, zum luftigen Ort der Graugans, zwischen Himmel und Erde, daß Ihr die Arbeiten wahrgenommen habt und viele von Euch das Thema ins Herz gelassen haben!

In den letzten Vernissagen, „leibhaftigen“, an denen ich teilgenommen habe, waren ca. 20 BesucherInnen, die haben die Eingangsrede über sich ergehen lassen, sind nach einem kurzen Blick auf die Arbeiten in Grüppchen herumgestanden, haben über Urlaub etc. geredet und sind verschwunden. Eine Künstlerin war so gekränkt und verärgert, daß sie kein Wort mehr sprach mit der Kuratorin, die es nicht geschafft hatte, mehr Leute herzubringen. Also, wer aus eigener leidvoller Erfahrung weiß, wie schwer es ist, Menschen in Ausstellungen zu locken, vor allem, wenn man nicht DEN Namen hat oder massentaugliche Ware produziert, weiß auch, daß es an einen sensationellen Erfolg grenzt, wenn in zwei Stunden ein paar hundert „Zugriffe“ vermeldet werden.

Habt Alle herzlichen Dank für´s Kommen, für´s Mitmachen bei diesem virtuellen Experiment, vor allem für´s Mitreden, für´s genaue Hinschauen und -hören und auch  denen, die kein Zeichen hinterließen, für´s aufmerksame Wahrnehmen!
Dank von Herzen, es war so schön mit Euch, so gute Gespräche, so viel gute Energien kamen geflogen und manch eine Präsenz von Euch war spürbarer in dieser luftigen Weite als viele, neben denen man leibhaftig so herumsteht!
Das Rad dreht sich weiter, unsere Arbeiten wurden der virtuellen Unberechenbarkeit übergeben.
Seid gegrüßt, bleibt mir gewogen und laßt uns weiterhin in irgendeiner Weise miteinander in Kontakt sein, ich freu mich drauf und stehe zur Verfügung!