Auf der Straße kommen mir große Lastwägen entgegen, dahinter etliche Panzer und als Nachhut ein paar Jeeps, tarnfarbig wie alles Übrige und bedrohlich. Immer öfter rollt Kriegsgerät über die Bundesstraße, so oft und so selbstverständlich, daß man sich schon daran gewöhnt. Nein – ich nicht – niemals!
Die Straße führt durch immer dichter besiedeltes Gebiet. Kaum noch eine leere Wiese, eine freie Zone sozusagen, an deren Rändern nicht schon das neue Industriegebiet geplant ist oder die Siedlung nebenan sich weiter ausbreitet, mit immer denselben Einfamilienhäusern, die sich allein schon mit der banalen Scheußlichkeit der Eingangstüren gegenseitig überbieten. Dazu kommen die derzeit hochmodernen schwarzumrahmten Fenster, die ausschauen wie die Augenlöcher von Totenschädeln. Und drumherum Rasen, aufgehübscht mit ein paar Containerpflanzen. Und um die vom Gartencenter vorgeschlagene Choreografie noch stimmungsvoll abzurunden, werden hie und da ein paar weiße Gesteinsbrocken plaziert. Oder es wird einfach alles mit Steinen aufgeschüttet, auf denen dann ein Blumentrog thront. Die schneebedeckten Berge im Hintergrund würden beim Anblick dieser Gärten des Grauens gerne davonlaufen, aber sie schaffen es ja nicht mal, die Plage der unangenehmsten Spezies, nämlich die der urlaubenden Menschen abzuschütteln. Und so stehen sie halt einfach weiterhin da und hüllen sich in den Mantel des Schneefalls und des Schweigens.
Ein Haus, an dem ich oft vorbeifahre, ist anders, ganz und gar anders. Manchmal sehe ich Licht in einem Fenster, also scheint wer darin zu wohnen. Der große Garten davor ist verwildert. Bei seinem Anblick schlagen strukturierte Menschen mit Ordnungsprinzipien die Hände über dem Kopf zusammen und Gartenprofis könnten so einen „Zugang“, wie wir die verschiedenen Stufen der Verwahrlosung nennen, überhaupt nicht aushalten und würden sofort aufräumen. Ich liebe diesen Ort. Er ist anscheinend so gut wie völlig sich selbst überlassen und gestaltet aus sich heraus die ganz spezielle Ordnung der Dinge. In der Mitte des Grundstücks steht ein Apfelbaum in voller Blüte und schenkt dem wilden Garten das Höchstmaß an Schönheit und Schmuck, was bräuchte es mehr? Ganz egal zu welcher Jahreszeit und in welcher inneren Verfassug ich daran vorbeifahre, wird mir ums Herz warm und licht und weit beim Anblick dieser sich selbst ordnenden Wildheit. Ja, ich liebe das Brachland, das überall dort entsteht, wo sich der Mensch mal heraushält mit seinen Kosten/Nutzen – Strukturen.
Beim Heimfahren vorhin lief schnell noch, ungefähr einen halben Meter vor meinem Auto eine Katze über die Straße, sie konnte nicht warten, hatte wohl einen wichtigen Weg zu machen. Es ging alles gut und sie verschwand im Gebüsch. Zuhause angekommen wurde ich schon erwartet und kaum hatte ich den Motor abgestellt, sprangen sie zu zweit auf die Motorhaube, liefen mit Schlammpfoten über die Windschutzscheibe oben drüber über das Autodach, klack klack klack … klärten die Machtverhältnisse, indem ein Kater dem anderen eine runterhaute und sich dann als Chef der Lage gemütlich auf der warmen Motorhaube niederließ.
Sie leben ganz nah an uns, haben uns immer im Blick und tun nur das, was und wie sie es für richtig halten. Ihrem kätzischen Naturell entsprechend kommen sie, wenn sie wollen und nicht unbedingt, wenn man sie ruft, wenn man sie anschaut, schauen sie erstmal weg, sind ganz nah und schnurren und streichen um die Beine und verschwinden plötzlich und sind wie vom Erdboden verschluckt. Sie hängen mehr am Ort als am Menschen, hassen jegliche Art von Fremdbestimmung, wechseln alle paar Wochen ihren Schlafplatz, gehen gerne nachts auf die Jagd, sind großflächig streunend unterwegs, wollen am Morgen was essen und sich dann ungestört zum Schlafen hinlegen.
Herr Graugans sagt, es gäbe da seines Erachtens durchaus gewisse Parallelen…
Vorhin kam eine Mail, geschickt von einem Freund, der mir ein Zitat schickte, von dem er annimmt, es könnte mir gefallen. Das tut es, lieber M. vielen Dank!
Das Leben und dazu eine Katze, das gibt eine unglaubliche Summe.
(wahrscheinlich von Rainer Maria Rilke, keine Quellenangabe aufzufinden)
…und da läuft die Kraulquappe durch die Stadt…