Vom Scheitern
Ich bin so frei, habe ich gesagt, damals. Ich habe mich einfach an deinen Tisch gesetzt, weil dort grad niemand gesessen ist und weil du grad aufgeschaut hast, einladend, und gefallen hast du mir auch, verträumt, nein, versonnen, wie du warst, und gleichzeitig so konzentriert. Aufgespannt wie ein Regenschirm war ich, dabei hat es doch gar nicht geregnet, und dann bin ich Schlag um Schlag, wie eine kippende Dominoreihe bin ich gescheitert: an deinem Gesicht, wenn es mich wieder einmal nicht erkannt hat, an deinen Handbewegungen, wenn du noch schnell eine Notiz machen musstest, an deiner Stimme, wenn sie so achtlos an mir vorbei durchs Zimmer zog, als ob die Tür einen Spalt offen geblieben wäre und die Zugluft sie hinaus auf die Straße gezogen hätte. In die fremde Welt, habe ich gedacht. Ja, auch am geöffneten Fenster, durch das der Lärm der Stadt drang, bin ich gescheitert. Und an deiner Teekanne, der du ein Taschentuch umgelegt hast, damit sie nicht tropft (weint, habe ich gedacht), an den tausend kleinen Dingen, die du am Tisch liegen gehabt hast und stehen (wie eine Wehrmauer, habe ich gedacht), an dem halbvertrockneten Blumenstock vor dem Fenster, ob er noch lebt? An dem Bild, oben an der Wand, du weißt, welches ich meine, bin ich gescheitert und an der Kommode, auf der deine Bücher gestanden sind, Kafka vornedran. An ihm bin ich zuletzt gescheitert: Vorbei am Türsteher war ich nämlich drin im Gesetz und habe nichts gesehen: nur lange Gänge gab es da und Türen und Wände. Die Zimmer: vollkommen kahl. Vergilbte Tapeten, abgewohnt, schon vor langer Zeit verlassen. Da wusste ich mit einem Mal: Ich bin so frei. Da wusste ich, ich musste gehn.
Text: Andrea Heinisch
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