“ … Diesmal mein Herz,
diesmal fährst du mit … „
(Element of Crime: Vier Std, vor Elbe 1)
Als wir aus dem Kino herauskommen, müssen wir aufpassen, daß uns die vielen Reichen und Schönen die sich durch die Gassen der Altstadt von Geschäft zu Geschäft bewegen, nicht mit ihren schönen und noblen und sehr teuren Regenschirmen ins Gesicht stechen. Der Salzburger „Schnürlregen“ fällt in wie mit Bleistift und Lineal exakt gezogenen feinsten Linien schräg aus dem grauen Himmel heraus und rieselt über die Stadt.
Es werden wohl 1 – 2 km sein bis zur Garage unter dem Mönchsberg, wir gehen sie lächelnd und aufgewärmt vor Glück über den Film, den wir gesehen haben. Charly Hübner hat an fünf Abenden in Berlin die Band „Element of Crime“ bei ihren Auftritten begleitet, hin und wieder mit allen gesprochen, Lieder gefilmt und alte Aufnahmen darunter gemischt. Ein kleiner, feiner Film ist es geworden, der mich sehr berührt hat. Es wird die Geschichte einer Band erzählt, die es seit vierzig Jahren gibt, nichts weiter.
Film: „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin.“
Regie: Charly Hübner
Unser derzeitiger Zustand droht immer mehr zum Weltenbrand auszuarten. Und hierzulande, wo noch extremer Wohlstand und gesicherte Lebensverhältnisse herschen im Vergleich zum Rest der Welt, wurde um den 3. Oktober herum wieder mal kräftig herumgeschimpft und geklagt, es ging um Euch und Uns und Wir und Ihr und wer alles sich abgehängt und schlecht behandelt und im Stich gelassen fühlt. Ob es jemals ein „Wir“ gegeben hat? Jeder ist sich doch, wenn´s drauf ankommt selbst die/der Nächste in dieser hochgezüchteten Zivilisation, in der nur Leistung, Profit und daß man alles kaufen kann zählen. Und wieder mal die Frage, wieviel Flüchtende wir aufnehmen können, ohne daß es unserem Wohlstand schadet. Meine Güte, die ärmsten Länder nehmen Millionen Geflüchtete auf, da fragt kein Mensch, wie sie das denn schaffen. Und wenn wir unsere Grenzen noch so sehr bewachen, irgendwann werden sie niedergerissen. Der Vorrat an Süßwasser geht immer mehr zur Neige, 40% der Weltbevölkerung haben jetzt schon zu wenig Wasser, alleine schon deshalb wird es eine Völkerwanderung geben. Die Menschen gehen dorthin, wo sie nicht verdursten und verhungern, das ist ihr gutes Recht und dann werden die Grenzen keine mehr sein und in den fußbodenbeheizten Doppelgaragen werden Menschen statt Autos wohnen.
Es tat so gut, eineinhalb Stunden im Kino zu sitzen und auf der Leinwand nur in freundliche Gesichter zu schauen und Menschen zu beobachten, während sie Musik machen miteinander. Dies hier soll nicht zu einer Rezension ausarten, ich bin da nicht neutral genug, ich liebe Sven Regeners melancholische Poesie und ich liebe es, wie er sie mit seinen Freunden vertont. Egal ob Gitarre, Baß, Schlagzeug, Akkordeon, Trompete, es sind alle hochkarätige Musiker und das Allerschönste ist diese Hingabe an die Musik, die sie alle haben. Und eigentlich ist es ein Film über die Musik und darüber, was mit Menschen geschieht, für die sie der Mittelpunkt der Welt ist.
Was diesen kleinen Film u.a. ganz groß macht ist die Selbstverständlichkeit, mit der auch die sogenannten „Vorgruppen“ ins Bild kommen ! Und ich freue mich sehr, außer einer meiner Lieblingsbands Von wegen Lisbeth auch noch Maike Rosa Vogel und zwei ganz besondere Frauen, Steiner & Madlaina gesehen zu haben. Und überhaupt freue ich mich über diese weiche und humorvolle Liebenswürdigkeit, mit der Charly Hübner Regie führt, ohne auch nur im Geringsten kitschig oder unglaubwürdig zu werden.
Immer und immer wieder fesselt mich der Ausdruck im Gesicht von musizierenden Menschen, wenn man sie einfach spielen läßt. Da gibt es eine Art von Hingabe, schlecht zu beschreiben, in etwa so, als würde der Mensch mit der Musik verschwimmen, sich in ihr auflösen.
Und da denke ich an meinen Vater, der von der Werkstatt in die Stube kam und als erstes die Ziehharmonika unter der Bank hervorgeholt hat, um ein Stück nachzuspielen, das er irgendwo gehört hat. Alles nur nach Gehör selbstverständlich. Auch gesungen haben wir früher nach Gehör, war man zu zweit oder zu dritt, dann hat man halt einfach mehrstimmig gesungen. Ich dachte ein halbes Leben lang, daß das bei allen so ist, daß man halt die Stimme singt, die grad benötigt wird.
Heute habe ich youtube durchwühlt, um den Gföller Marsch zu finden, den mein Vater immer gespielt hat, weitaus virtuoser, als er immer dachte, denn alles, was ich gefunden habe von Musikanten, die ihn auf der Steirischen spielten, hat sich bei weitem nicht so gut angehört. Mein Vater spielte exzellent die Bässe, und bei keinem sonst haben sie so schön geschnarrt. Und niemand hat halt diese Papahände, die vom Schmiedeeisen in der Werkstatt gefärbt waren, die Musik war so wichtig, daß er keine Zeit mehr hatte zum Händewaschen.
Und wenn Musikanten spielen, dann sind sie nicht mehr ganz da, sie sehen dich an, aber eigentlich schauen sie durch dich hindurch. Das ist dieser Blick, der so unendlich weit hinaus geht oder so weit hinein, wer kann das sagen.
Der Herbst verhält sich noch nicht ganz so, wie man es von ihm erwartet, der Wald ist noch nahezu grün, der Anemonenstrauch hat neue Seitentriebe entwickelt und blüht und blüht als wäre Frühsommer. Die Kakteen sind übersät mit Knospen, auch die meisten Rosen sind nicht gewillt, auf Sparprogramm zu schalten. Ein Baum hängt noch voller Birnen und die kleinen roten Äpfel wollen partout nicht fallen.
Das Meer kam jetzt erstmalig abends zur blauen Stunde zu Besuch. Es strömt in langen Nebelschwaden herein und füllt das Tal mit seinem samtigen, feuchten Hauch. Alles wird diffus, sogar der bedrohliche Lärm der schweren Panzer und anderer Fahrzeuge, die an Krieg und Elend erinnern und schon wieder auf der Bundesstraße Richtung Reichenhall rollen wirkt durch den Nebel gedämpft. Und dann steige ich hinein und bewege mich auf dem Meeresboden, ich gehe herum und werde zu einem Wesen ohne Raum und Zeit in einer fremden Welt, in einer fernen Galaxie. Niemand kann mich finden, ich werde unsichtbar.
Nur der rote Willie hat den Einstieg gefunden, schreitet aufrecht in Zeitlupe durch den Dunst, wie er das sonst im hohen Gras macht und reibt schnurrend seinen Kopf an meinem Bein. Wir bleiben ein Weilchen stehen und schauen hinaus auf die wabernde See.
„Unscharf mit Katze“ (Element of Crime)
Und die Kraulquappe schreibt hier
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