# 39 Memento homo …

… daß du Staub bist und zum Staub zurückkehrst.( Gen.3, 19)

Heute, zu Beginn der magischen 40 Tage bin ich selber überhaupt nicht verkatert, obwohl drei der nämlichen Exemplare der Fellbande (zwei eigene und ein Kostgänger) um mich herumsitzen. Gestern war Faschingsdienstag. An mir ist der Fasching leider spurlos vorübergegangen. Früher machte immer irgendwer einen Hausball, „Tanz in allen Räumen“, zum Essen gab es Nudelsalat, belegte Brote und den Käse-Igel, eiin großer Weißkrautkopf wurde in Alufolie gewickelt und dann mit Trauben und Käsewürferln gespickt. Dazu gab es Ananasbowle und Bier und um Mitternacht gabs scharfe Gulaschsuppe. Und es wurde selber Musik gemacht , gesungen, Platten aufgelegt und getanzt. Alle waren irgendwie kostümiert, da war nichts Gekauftes dabei, sondern aus alten Gewändern was zusammengenäht. Und es gab immer ein Motto und es waren immer zuviele Leute in zu kleinen Räumen, man mußte beim Tanzen aufpassen, daß man nicht den anderen auf die Füße trat. Unser letzter Hausball war vor etlichen Jahren  und lange vor dem schrecklichen Krieg, die „Russendisco“. Und da waren kaum zehn Leute da. Jetzt macht niemand mehr einen Hausball, weil kein Mensch mehr daheim ausgelassen feiern mag, anscheinend. Der Fasching scheint nicht mehr stattzufinden, zumindest nicht mehr im privaten Umfeld, die Realität oder was sonst, erlaubt es nicht mehr, sich Masken aufzusetzen und sich in jemand anderen zu verwandeln. Schade, ich würde gleich wieder zu einem Ball einladen, wenn es Leute gäbe, die Lust drauf haben.

Bei der besten aller Faschingsveranstaltungen, in Veitshöchheim,  waren die Narren los, so wie es sich gehört. Und mittendrin im bunten Treiben mit Musik und lustigen Sprüchen setzten die Narren den als Reichskanzler und Maurer verkleideten Landesvater samt Assistenz zu und sagten ihnen, bitterernst und gnadenlos die Meinung, wie es sich zumindest einmal im Jahr auch gehört, auch dafür sind die Narren gut und völlig richtig am Platz. Da war dann mal für kurze Zeit niemandem mehr zum Lachen zumute.

Als Schulkinder haben wir uns das ganze Jahr über auf den Faschingsdienstag gefreut, wir durften verkleidet in die Schule kommen, „Maschkeragehen“ haben wir das genannt und auf dem Gesicht hatten wir eine „Larve“, wir durften lustige Filme anschauen und später sind alle Klassen mit ihren LehrerInnen in einem langen Faschigzug durch das Dorf gezogen. Ich kann mich so gut erinnern, daß ich mal zwischen einem Koch mit großer Haube und einem Rauchfangkehrer mit schwarzem Gesicht gegangen bin. Meine Freundin und ich waren „Feine Damen“ aus der Stadt, stöckelten Po wackelnd herum, das Gesicht aus dem Farbkasten bemalt und wir redeten ziemlich gespreizt nach der Schrift … so wie wir uns halt die feinen Damen vorstellten. Schade, daß man den Kindern diese Freude heute nicht mehr gestattet.

Am Rosenmontag hätten wir gerne die Nachbarsfreundin mit ihrem Mann zu einem heute altmodischen Fondue eingeladen, aber beide sind furchtbar an einer Grippe erkrankt und ich koche Hühnersuppe, der ich einen Heilungszauber untermische, weil ich das kann,  und mache Ingwerwasser und Fischstäbchen mit Kartoffelbrei und habe die Hoffnung, daß es ihnen bald wieder besser geht.

Mit den Schneeglöckerln ist es mein ganzes Leben lang immer das Gleiche: erst geht der Schnee weg, dann ist länger nichts und ich bin traurig, daß wohl keine mehr wachsen. Und irgendwann steht ein einzelnes Schneeglöckerl da und dort und sonst nichts.  Und auf einmal, sozusagen über Nacht, sind plötzlich ganze Flecken weiß, als hätte eine riesige Kraft erstmal ein paar Späher losgeschickt, um die Lage zu sondieren, um dann mit voller Kraft anzuschieben und sich selbst zu gebären und sich in einem Blütenrausch über die Wiesen zu werfen. Lauter weiße Glöckerln mit grünen Tupfen und wie betörend gut sie riechen. Unter dem Nußbaum geht der Specht spazieren mit edler Garderobe. In weißem Gefieder mit schwarzen Punkten und einem blutroten Wams und einer blaugrün schillernden Ausgehjacke stakst er herum und pickt hierhin und dorthin mit langem rasiermesserscharfem Schnabel. Bald wird er den Stamm hinaufgehen in eleganter Haltung und dann hört man sein Tocktocktock.

Im Fernsehen wird der Opernball in Wien übertragen. Der über 90 Jahre alte „Mörtel“ Lugner hat die 79 Jahre alte „Priskilla Präsli“, wie er sie nennt, als diesjährige Begleitung ausgewählt. Eine überraschend liebenswürdige und eher leis und zurückhaltende Frau wird da vorgestellt. Sie scheint sich echt zu freuen, hier dabei sein zu dürfen und bedankt sich freundlich vor den Kameras und beantwortet geduldig die immergleichen Fragen höflich und guterzogen. Sie spricht selbstverständlich von Elvis als der größten Liebe ihres Lebens. Sie steht da, heruntergehungert auf die Größe ihres Modellkleides, hinter dicker Schminke und den Machenschaften diverser operativer Verjüngungsreparaturen ist von dem, was mal ihr Gesicht war, nicht mehr viel vorhanden. Sie ist reich und berühmt, hat einen Mund, der in starrem Dauerlächeln auf eine weiße Porzellanmaske gemalt zu sein scheint, und in ihren kleinen schwarz ummalten Augenschlitzen ist es dunkel. Sie tut mir leid, die kleine, magere alte Frau, die sie nicht sein darf.

Und so schauts bei der lieben Kraulquappe aus am Aschermittwoch.

5 Gedanken zu „# 39 Memento homo …

  1. danke für diese faschingsrückschau. das fehlen privater partys bedauere ich auch, ich kann die arbeit nicht mehr ausführen, könnte aber organisieren. andere sind mit mir alt geworden, zwischen 70 und 80 feiern wir nicht einfach spontan. schade eigentlich, was könnte passieren? schön das mit der hühnersuppe, traurig sich mit 79 noch ausstellen zu lassen wie priscilla. hab es gut, roswitha

  2. die zur maske operierte preslywitwe ist eine art kontrapunkt zu den anderen faschingsverkleidungen, in die man ja nur eine begrenzte zeit schlüpft.

    liebe grüße, andrea

  3. Als ich Kind gewesen bin, habe ich Fasching geliebt. Ab der Pubertät nicht mehr, da wurde es als junge Frau unangenehm.
    Die Basler Fasnacht hat ein bisschen was wieder gerade gerückt.

    Herzensgrüße an dich, Ulli

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.