# 40 unter der Sonne

Den uns selbst erstellten Auftrag, uns zu einer beliebigen Zeit an einem beliebigen Tag hinzusetzen und darüber zu schreiben, was grad ist, das ist keineswegs so einfach, wie es sich anhört. Ich denke an ein Zitat aus einer Rezension über den Essayband „Die Würde ist antastbar“ von Ferdinand von Schirach. Darin geht es in etwa darum, daß die Leute meinen, man würde sich hinsetzen, schreiben, aufstehen und das Gedicht sei fertig. So einfach ginge das aber nicht, das Schreiben, man ist nicht nur einsam, sondern es macht auch innendrin was mit einem Menschen. Grade noch bin ich in der Sonne gesessen auf der Hausbank vor dem alten Haus, um mich herum die eigenen Katzen und ein Kostgänger, der sich weigert, heimzugehen, was auf Dauer nicht ganz unproblematisch bleiben könnte für die nachbarliche Harmonie.

Um mich herum wächst alles und bald werden in dieser Wärme die Knospen aufspringen, viel zu warm, viel zu früh… einem hochaktuellen wissenschaftlichen Forschungsergebnis zufolge verlangsamen sich die Wasserströmungen im Ozean bedenklich, wenn der Golfstrom zum Erliegen kommt, dann ist der Kipp-punkt erreicht und man kann nur ahnen, was dann passiert, Eiszeit oder Wüste in Europa. Und wenn wir so weiterleben, wie wir das derzeit tun, dann wird es schon die nächsten Jahre passieren. Es verunsichert mich zutiefst, warum da nicht mehr darüber gesprochen wird und vor allem, was es für uns zu tun gibt, jetzt, um das Ganze noch aufzuhalten. Klimawandel ist nicht nur ein Wort, sondern die Vernichtung unserer Existenz hier auf Erden. In Spanien vertrocknet das Land, aber wir kaufen jetzt im Februar die Erdbeeren und den Salat und die Zucchini von dort  und dann werfen wir auch noch die Hälfte davon weg, weil wir die Form des Überkonsumierens gewöhnt sind und jegliche Einschränkung als bedrohliche Freiheitsbeschneidung empfinden. Auch die Urlaubsfliegerei wird eher immer mehr, am Abend sehe ich über Salzburg so viele Flieger aufsteigen, daß es mir vorkommt wie ein überdimensionales Tontaubenschießen, die werden auch im Minutentakt in die Luft gejagt.

Aber wir hoffen halt, daß die Wissenschaft sich irrt und übertreibt und es wird schon alles gutgehen oder?

Ich bin froh, daß noch gutes Wasser aus der Leitung fließt, wir genug zum Essen haben und daß uns keine Bomben um die Ohren fliegen. Aber wenn ich mich so umschaue, was an Sorgen und Problemen um mich im Gras zwischen den Winterlingen und den heraustreibenden Tulpen  so herumliegt … möcht ich manchmal gerne einfach davonlaufen. Es gibt für jedes Problem eine Lösung, man muß sich nur trauen, sie zu finden. Ich lerne in kleinen Schritten, Alter und den Verfall des Körpers anzunehmen, weil das Dagegensein ja auch gar nichts besser macht, sondern nur unglücklicher. Dinge annehmen, wie sie sind … in Demut … eine Lebensaufgabe.

Viele Probleme haben damit zu tun, daß man das Geld, das für ihre Bewältigung nötig wäre, nicht hat. Wenn ich daran denke, wie es mit Haus und Hof weitergehen soll und auf welche Lösung es immer deutlicher hinsteuert, dann fängt solidarisch mit dem kaputten Dach auch mein Herz an, zu bröckeln.

Josef Hader hat einen Film über das Land gemacht, erzählt er im „Kulturjournal“, im Radio auf Ö 1. Er sagt, daß das Land immer nur so dargestellt wird, wie die Stadtmenschen sich vorstellen, daß es zu sein hat. Normalerweise schau ich mir keinen Film an, der grad überall beworben wird, aber hier werde ich eine Ausnahme machen. Hader sagt, die Menschen in der Stadt sind weder besser noch schlechter wie die am Land, sowohl hier wie dort werden sie von ihrer Umgebung deformiert. Der Unterschied : In der Stadt kann man sich besser verstecken, das ist am Land nicht gut möglich. Und in seinem Film kommen Menschen vor, die alle nicht so sind, wie man sich am Land eine Frau oder einen Mann vorstellt … sie passen nicht dazu. Das möchte ich mir ansehen, denn dieses Thema Stadt/Land ist auch mein Thema und ich freue mich sehr, wenn es jemand , den ich schätze aufgreift und mit seinen Mitteln was draus macht. Der Film heißt: „Andrea läßt sich scheiden“ und läuft ab Anfang März auch in deutschen Kinos.

Gestern war der Tag der Muttersprachen. Hans Kratzer hat für die SZ einen außergewöhnlich guten Artikel darüber geschrieben, wie es in Bayern mit der  Landessprache  so ausschaut! Das Land und seine Sprache, ein enorm weites Feld und eine inzwischen sehr traurige Geschichte. Eine Frage treibt mich um, die mir niemand wirklich zufriedenstellend beantworten konnte bisher: warum flüchten Menschen panisch aus ihrer Muttersprache, ihrer Mundart, der Sprache ihrer Region, versuchen sie aus sich heraus zu brennen und verbieten ihren Kindern sie zu sprechen? Warum wollen so viele Menschen nicht mehr, daß man hört, woher sie kommen? Wie gesagt, ein weites Feld und muß einen ganz eigenen Platz demnächst hier bekommen! Land und Sprache hängt in enger Verbindung zusammen. Ich liebe die verschiedensten Mundarten, jede ist gut auf ihre Weise, ihre Melodie.

Im bairischen Fernsehen ist so ziemlich der einzige Ort, wo man zumindest in einer Art Kunstbairisch noch ein bisserl oberbairisch, niederbairisch, fränkisch und oberpfälzerisch hört,  die Serie: „Dahoam is dahoam“. Ja, das ist Trash, ich hab dafür ein Faible, deshalb kann ich den zugegebenermaßen großen Schmarrn überhaupt aushalten, aber es wird tatsächlich von manchen SchauspielerInnen eine einigermaßen normale Alltagssprache gesprochen. Ansonsten dürfen in Filmen hauptsächlich Verbrecher, mehr oder weniger depperte Hausmeister oder den HauptdarstellerInnen untergeordnete geistig minderbemittelte Handwerker oder, die Steigerung, dicke und dumme Kellnerinnen oder Hausfrauen etc. die Mundart der Region sprechen. So schauts aus.

Seit Tagen geht mir dieser Bibelvers nicht mehr aus dem Kopf:

Was geschehen wird,
wird wieder geschehen.
Was man getan hat,
wird man wieder tun.
Es gibt nichts Neues
unter der Sonne.

Kohelet 1,9

Liebe Kraulquappe, vielen Dank an Dich und R. für den Kratzer-Artikel, der Herr Graugans, selbst SZ-online- Jünger,. hätt ihn doch glatt übersehen!

7 Gedanken zu „# 40 unter der Sonne

  1. der hader film läuft grad auf der berlinale und ich hab parout keinmal von 4x ein ticket gekriegt, aber wenn er im märz anläuft, wirds vermutlich auch wieder gemütlicher im kino …

  2. Ja, meine liebe Frau Graugans, man möchte manchmal davonlaufen – nur wohin? Hier ist es der Dauerregen, der mich langsam aber sicher zermürbt, Sorgen um die Entwicklung im Land kommt dazu. Es ist ein Weh in der Welt, das ich mir auch nicht schönreden will.
    Ich tröste mich mit guter Literatur und Filmen, manchmal auch Musik, der Tanz aber ist mir irgendwie abhanden gekommen.
    Ich grüße dich herzlich, Ulli

    1. Liebe Ulli, wir tanzen, jetzt grad extra, trotzalledem! Ich schick Dir ganz liebe Grüße, so warme, daß sie den Schnee mirnixdirnix wegschmelzen, der soeben gefallen ist!

  3. Vielen Dank, diesen Film werde ich mir auch vormerken! Ich erschrecke auch immer wieder, wenn ich an all das denke, was gerade unterlassen wird und die Klimaveränderung noch bremsen könnte. Es liegt schwer auf dem Herzen. – Ein lieber Gruß aus meinem Versteck in der großen Stadt!

  4. Ein schöner Artikel, der zur Selbstbesinnung anregt, danke dafür.
    Stadt und Land, ein großes Thema! Meine Stadtflucht führte mich 1999 nach Mecklenburg in ein kleines Dorf – und 2001 zurück nach Berlin, weil ich dort nicht heimisch werden konnte. Auf dem Land reicht „wohnen“ alleine nicht, mir nicht jedenfalls, ich wollte etwas tun mit dem Land, ein paar Hühner reichten dazu nicht. Hinzu kamen abweisende Einheimische und auf die Dauer ein extremer Mangel an Reizen. Einmal durch eine Straße in Berlin gehen brachte mehr Eindrücke als ein Monat in dem Dorf. Also zurück, ich hatte ihn erfolgreich verloren, den Traum vom Landleben.

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