Archiv der Kategorie: wohin wir gehen

„…daß, wanns so kimmt…“

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Seit Wochen war mein alter I-Mac unpässlich, jetzt funktioniert er wieder.

Letzte Nacht ist das Meer wieder zu uns gekommen und graue Nebelzungen lecken die Talwände ab. Allmählich sickert gegen Mittag  eine etwas ausgebleichte  Sonne durch die feuchten Schwaden und gibt den Meeresboden frei.

Das Jahr ist in die Knie gegangen unter den letzten blühenden Rosenbüschen und kriecht jetzt langsam auf Allerheiligen zu.

Beim „Nebelreissen“ bilden erste zarte Melancholientropfen kleine Lachen auf  den vermodernden Blättern.

Ein paar Krähen stelzen ganz gemächlich über die Straße und erledigen ihre Besorgungen.

Rings um mich herum werden die Gärten leer gemacht, es wird  „aufgeräumt“, allerorten.

Die letzten zuckersüssen Äpfel fallen von den Bäumen, wir werden nochmal Most pressen, um den Winter hindurch volle Ballons zu haben und willkommenen Gästen die Gläser damit zu füllen.

Nein, noch keine Bestandsaufnahme, was das Jahr gebracht hat, dafür ist noch Zeit genug, jetzt steht erstmal eine Fahrt an, nach Leipzig und den Domen der Romanischen Straße entlang. In den Osten, und ich freue mich sehr und hoffe auf wunderbare Begegnungen mit heutigen Menschen und Erkundungen auf alten Spuren und geheimnisvollen Wegen.

Und während draussen das Nebelmeer sogar die Nacht verschlingt, packe ich meine Sachen für die Reise zusammen und freue mich auf das Unterwegssein mit  meinen liebsten Freundinnen. Und doch  wird mir ein wenig weh ums Herz und das Wasser steigt mir in die Augen, weil ich dieses Lied immer und immer wieder höre vom Sichverstecken müssen und der großen Angst, sich nicht mehr zu finden…wenn das Wetter (Gewitter) vorbei ist…

Reich

Am 24. Juli um halb zehn Uhr abends, vor unglaublichen 64 Jahren, ist mein Vater mit dem Motorrad heimgekommen und hat glücklich und aufgeregt ins alte Haus hineingerufen:
„a Dirndl hamma, jetzt mog i a Halbe!“

Am Tisch sitzen zwölf Leute im alten Getreidekasten, mit vielen Kerzen, denn es gibt dort keinen Strom. Alle sind gekommen, um mit mir in mein neues Lebensjahr hineinzufeiern. Wir teilen alles, den Braten, den Wein, das Bier und unsere Geschichten. Mit vielen verbindet mich jahrzehntelange Herzensfreundschaft. Es wird durcheinander geredet, laut palavert über Sorg und Leid aber auch über die ganzen „wisst Ihr noch, als wir damals…“ und was wir alles schon miteinander erlebt haben, wo wir schon überall auf Exkursion waren, weil ich wieder einer geheimnisvollen Geschichte auf der Spur war, die in Radlkeller statt Kulthügel endete. Und auch darüber, daß überall auf der Welt sich die Menschen gegenseitig totschießen. Und wir sitzen hier und uns laufen die Tränen runter, weil wir so viel lachen. Ja, es gibt immer diese Gleichzeitigkeit. Irgendwo wird immer geschossen und woanders gelacht.
Ich fühle mich so beschenkt, ich sehe diese freundlich lachenden frohen Gesichter und ich frage mich:  Würden wir es erkennen, wenn einer von uns verlorenginge, depressiv würde und droht, abzustürzen…ja, ich bin sicher, wir würden uns suchen und da sein füreinander und uns halten.
Was für ein Glück, zu wissen, es sind Menschen da, auf die ich mich tausendprozentig verlassen kann.
Wir verändern die Welt nicht, wir sind nur wenige, aber  wir halten zusammen und wenn ein paar neue dazukommen, wird der Kreis einfach erweitert.  Wie selbstverständlich das junge afghanische Paar mit Baby dabeisitzt und mitlacht, wir sprechen nicht die gleiche Sprache und doch verstehen sich alle prächtig.
Augenblicke des Glücks. Irgendwann wird die Gitarre ausgepackt und die ersten Klänge jagen mir einen Freudenschauer über den Rücken. Heute darf ich mir aussuchen, was gesungen wird und wie oft und alle singen gutmütig mit, um mir eine Freude zu machen…unzählige Male mein Lieblingslied „an der Saale hellem Strande“, und nicht mehr zu zählen, wie oft wir  „Wilde Gesellen, vom Sturmwind umweht singen, weil mir
„…uns geht die Sonne nicht unter“ so gut gefällt…

…alles, alles wird gesungen, alles darf ich mir wünschen, meine Güte , wie reich ich doch bin!

„Whatever you want“…bis hin zum „Schuld war nur der Bossa Nova“…zwischendurch wird geblödelt bis zum Abwinken, manche Töne liegen nicht mehr ganz exakt, aber wir singen mit Inbrunst und aus Freude…aus purer Lebensfreude.

Beim vierstimmigen, magischen „Alperer“ – Jodler bekommen wir nasse Augen.

Und dann ist Mitternacht und Irm singt das wundervolle Lied: „Mir gehts ähnlich“ und da ich nicht genug kriegen kann davon, singt sie es halt mehrere Male.

Schade, ich hab es nirgendwo gefunden, sollte es jemand haben, tät ich mich so freuen, wenn ich es hier erklingen lassen könnte! Ich hoffe ja, daß der wunderbare Herr Ärmel das liest und…

Na, was sag ich denn, hier isses schon! (Herr Ärmel,Sie haben was gut bei mir! )

 

Ja, und irgendwann gehen alle heim oder liegen auf dem Sofa in der Stube und ich sitze vor meinen Geschenken und fühle mich vom Glück umarmt. Ich bin so reich beschenkt mit Gutscheinen für Ausflüge an geheimnisvolle Orte, Zaubergeschichten, Rosen, ein Freund schenkt in wissender Vorausschau eine Schachtel Blues vom Feinsten, um mich für das neue Lebensjahr musikalisch gut zu versorgen und stark zu machen für alles, was so kommt…einer schickt mir einen Wunsch durch die Nacht, der mir Glanz in die Augen zaubert und ein Seelenverwandter sagt, daß jetzt die beste Zeit wäre, um so richtig neu durchzustarten…soviele gute Wünsche fliegen durch alle Welten, analog und digital,

als ich um fünf Uhr am Geburtstagsmorgen ins Bett falle, bin ich nur noch dankbar und trunken vor Glück und ich denk mir, wenn ich in diesem Moment stürbe, tät ich es als reichste Frau der Welt!

Morgen werde ich zum Vater Rhein fahren, freue mich so sehr darauf, an den Großen Fluß zu kommen.

Aber heute gehe ich noch zu meiner wilden Mama und lege ihr meinen Herzensdank und eine rote Rose auf ihr Grab. Denn sie hat mir das allergrößte Geschenk gemacht:

Mein Leben.

Untertauchen…Auszeit

Seit einiger Zeit schon stelle ich fest, daß ich immer süchtiger und gieriger werde nach Klicks und freundlichen Kommentaren, den Rechner kaum noch ausschalte, um ja nichts zu verpassen und mich zunehmend in den Weiten und Spiegelhallen des großen Netzes verirre. Ich schreibe unzählige Mails, quatsche hier und dort herum, hacke  Zeugs in die Tastatur, rede mich um Kopf und Kragen, vergesse, wem ich wo was geschrieben habe, bringe Namen durcheinander, suche verzweifelt nach Bestätigung und Anerkennung und sehne mich ständig danach, bemerkt zu werden.

Je mehr ich mich im Netz herumtreibe, um so undurchsichtiger und trüber wird alles.

Da ich nicht verloren gehen möchte, habe ich entschieden, für die Dauer der Fastenzeit eine Blogpause zu machen und von hier mal zu verschwinden.

Ich werde statt am Rechner mehr am Bach sitzen, in das klare Wasser bis zum Grund schauen, seinem Gesang zuhören und darüber nachdenken, warum ich blogge, was mir gut tut und was nicht, wo ich herkomme und wo ich hinmöchte, werde ein neues Projekt beginnen und ein altes wieder ankurbeln, über eine Ausstellung nachdenken und künstlerischen Austausch mit Gleichgesinnten pflegen.

Es ist mir dringend abgeraten worden, eine Pause zu machen, da wäre ich „weg vom Fenster“ und alle meine Kontakte auch! Das muß ich riskieren. In meiner Seele muß sich etliches klären, dazu braucht sie die Einsamkeit und einen Schreibtisch, auf dem leeres Papier liegt und ein paar Stifte, ohne die ständige Ablenkung eines flimmernden Bildschirms und seiner Illusionen.

Wer an mir Interesse hat, und Kontakt möchte, wird nach mir suchen und mich auch ohne Netz finden und alle anderen fliegen weiter, das ist halt so.

Wahrscheinlich kommt die Graugans nach der Fastenzeit wieder, vielleicht in der Karwoche, ich weiß es noch nicht.

Gewiß ist, daß sie Euch dann freudig schnatternd begrüßen wird, wenn Ihr sie hier besucht!

Viele liebe Grüße,

habt Dank von Herzen für Eure freundliche Aufmerksamkeit bisher

Eure Graugans, leise schnatternd…