Wenn wir einen Christbaum brauchen, holen wir ihn im Torfmoos. Wir fahren die gegenüberliegende Talseite hinauf und ein paar km an der Bahnlinie entlang und dann betreten wir das weitläufige Moorgebiet, das in Richtung auf den Waginger See zuläuft. Dort, am nördlichen Ausgang hat der damalige grüne Bürgermeister Sepp Daxenberger seinen Biohof bewirtschaftet, so lang, bis alles über ihm zusammenbrach. Komplizierte Liebesdinge und schwerste Krankheiten, alles in einem Ausmaß, wie es Menschen nicht mehr ertragen können; und dann ist seine Frau gestorben und bald darauf er, im gleichen Krankenhaus. Beide mussten fast zur gleichen Zeit ihren Weg zu Ende gehen und traurige Kinder sind zurückgeblieben.
Auf der anderen Seite des Moores hat einer meiner Vorväter eine kleine Parzelle Torfmoos dazugekauft. Der Torfstich war Schwerstarbeit, heute erinnert nichts mehr daran. Die Schienen vom Wägelchen sind total verwachsen, der hölzerne Stadel lange abgebrannt vermutlich durch Brandstiftung. Mein Vater war nicht gern im Torfmoos, es machte ihn schwermütig. Völlig unverständlich für meine Mutter, die dort Riesenbuschen von allem pflückte, was wuchs, selbstverständlich auch die strengst geschützten Moorkolben.
Wenn man dem Forstweg ohne Abbiegen folgt, kommt man nach ca. zwei km zu einem Wallfahrtsort: Maria Tann. Eigentlich heißt der Ort Moari – Tann und hat mit der Himmelsmutter Maria ursprünglich nichts zu tun, denn „Moari“ … ausgesprochen wie das franz. „moi“ … ist das Wort für einen Grenzstein. Die Kapelle gibt es erst seit ca. 120 Jahren, vorher stand dort eine riesige Tanne als Grenzbaum zwischen zwei Gerichtsbarkeiten. Auch heute noch gehört die Kapelle zu zwei Gemeinden. Wie aus Moari Tann – Maria Tann geworden ist, bleibt im Dunkeln. Als ziemlich gesichert gilt , daß in der Tanne unzählige Krücken gehangen haben sollen und ein Marienbild. Ich glaube, daß diese Tanne in uralter Zeit ein heidnischer Wunschbaum war und dessen starke magische Kraft man brechen wollte … oder sollte man sagen, zu eigenen, christlichen Zwecken verwenden, indem man das Heiligtum der Mutter Gottes widmete. Wenn man aber bedenkt, daß auch sie ursprünglich aus der Großen Alten Muttergöttin hervorgegangen ist …
Der Ort selber verursacht mir schon hunderte Meter vorher ein mulmiges Gefühl … komisch, ich gehe nachts auf jeden Friedhof, aber in diesen Wald an diese Stelle würde ich niemals gehen. Es ist mir dort, als wären zwei Welten und dazwischen ein ganz schmaler Grat über dem Abgrund. Es heißt hier, achtsam sein und mit dem Wünschen äußerst vorsichtig, lieber erstmal etwas herschenken, ein Lied, ein Gebet oder ein Lächeln als kleines Dankeschön für all das, was man schon bekommen hat.
Da ich alleine zwischen den Bäumen stehe, singe ich mein Lieblingslied von der Maria, die durch einen Dornwald ging … wie der Weg durch den Advent …
Vor dem alten Haus brennt die rote Kerze in der Laterne. Was bleibt von Weihnachten, wenn man alles wegläßt, was man kaufen kann? Das Geheimnis, vermute ich hier zur Halbzeit auf meinem Weg durch den Advent. Eine sagte auf FB: „Seid lieb zueinander“, das erscheint mir schon mal als beste Voraussetzung für alles, was kommt!
Der Atem der Geschichte.
Die niemand mehr pflegt.
So scheints.
Vor 120 Jahren erst „Umwidmen“? 1900 noch versteckte Kapellchen bauen? Toll. Passt zum Neo-Christentum des „Thomas Truck“. Ein Bestseller um 1903 herum. Von Felix Hollaender.
Und diese Wunschbaumgeschichte, das ist Donar-Eiche, Feen-Baum/Schottland und Dakota-Wunschbaum in den Black Hills in einem – auch wenn es hier ne Tanne war. Aber zuvor stand an der Stelle ja sicher ein langlebigerer Laubbaum.
In den alten guten historischen Romanen aus der Zeit um 1900 weht einen auch reichlich die damals neue Erkenntnis an, wie sehr die alten Bräuche christlich überformt wurden und wie lange und intensiv die einfachen Leute an den Resten der alten Kultur festhielten – sonntags Kirche, aber irgendwann in der Woche zur Waldlichtung und der Freya oder der Frau Holle eine versöhnende Opfergabe in den Baum hängen. Freytag, Dahn, Huna…