Venus …

Manchmal kommt mir das Leben vor wie die Lobby in einem kleinen schäbigen Hotel, wer gerade nichts zu tun hat, sitzt herum in knirschenden Ledersesseln vor oder hinter verkümmerten Topfpflanzen … Musikberieselung  und manchmal Stimmengewirr im Hintergrund … manchmal geht wer hinaus … manchmal kommt wer herein … manche tun so, als wären sie enorm beschäftigt … und ein paar sitzen herum, denken über verpasste Chancen nach, nippen an Drinks und schauen der Zeit beim Verstreichen zu … ich sitze da und halte in der einen Hand ein leeres Blatt Papier und in der anderen einen warmen Martini … jetzt ein Gedicht schreiben können … denke ich … aber wo sind bloß die Wörter, wenn man ihrer bedürfte?

Angeblich hatte meine Mutter ein Kind mit einem Mann, den sie im Lazarett kennenlernte und mit dem sie ein paar Tage verheiratet war, bevor er wieder an die Front musste. Kann nicht sein, sagen meine Tanten … da war doch auch noch dieser Partisan … weißt du noch, Venus hieß er …was für ein merkwürdiger Name, nicht wahr, mit dem hatte sie auch was …

Ich habe so stark abgenommen, mir ist ein wenig flau, haucht der Mond mit dünner Stimme, und beugt sich durchs offene Fenster, darf ich mich kurz in Deinen Fauteuil setzen?

Na gut, sage ich und rücke ein wenig zur Seite.

Hinterm Tresen fragt mich einer, ob ich noch einen Martini möchte und schaut mit feuchten Augen durch mich hindurch.

Dann dreht er die Musik lauter.

20 Gedanken zu „Venus …

  1. wie gerne ich jetzt immer weiter gelesen hätte, liebe Margarete … stattdessen lausche ich den alten Klängen und muss aufpassen, dass ich nicht heule!
    Herzensgrüsse an dich
    Ulli

    1. Liebe Ulli, ein bisserl heulen bei Bakerstreet ist schon okay, finde ich!
      Herzlich zu Dir schick ich Trommelklang und Flügelrauschen …

  2. Liebe Graugans,
    eine spannende Reise hat für dich mit den Gesprächen begonnen.
    Gutes An- und Heimkommen!
    Uta

    1. Herzlichen Dank, liebe Uta … ja, ziemlich spannende Geschichten … wenn man sich mal einläßt … Zeiten und Orte bewegen sich aufeinander zu … manchmal ist mir, als existierten wir in Parallelwelten … ohne Vergangenheit und Zukunft ohne Entfernungen … alles irgendwie gleichzeitig..

      Viele Grüße

    1. Ach, Christiane, das ist so ziemlich das Schönste, was Du mir sagen kannst … „eine magische Geschichte“!
      Du stachelst mich dermaßen an, daß es eh kein Zurück mehr gibt, werde mich von Wort zu Wort vorwärtstasten und inbrünstig hoffen, daß die Magie mit mir ist und … vor allem auch bleibt!
      Ich dank Dir sehr für Deine wundervollen ermutigenden Worte!

      Viele liebe Grüße

    1. Puuh, lieber Arno, da krieg ich weiche Knie, bei Deiner Bemerkung, denn damit hab ich überhaupt nicht gerechnet , daß mal jemand sagen würde, mit ein paar Sätzen von mir könnte ein wunderschönes Buch beginnen …
      Ich nehm es sehr gerne von Dir entgegen und laß mich davon weitertragen…
      Hab vielen Dank!
      Liebe Grüße an Dich!

  3. Alles ist stimmig, der Text, die Musik und meine bildliche Vorstellung der Lobby.
    Ich bin immer wieder beeindruckt.

    Einen herzlichen Gruß in ihren Tag
    Ganga

  4. Vom Feinsten. Und das drängende Rafferty-Gitarrensolo setzt dem Text die Krone auf. „Los-los-los-loooooos! Ach lassen wir’s sein…“

    1. Weißt Du was, ich freu mich schon wieder so über Deinen Kommentar! Das ist dieser typische Bludgy – Style, niemand sonst könnte so über ein Gitarrensolo sprechen und nebenbei mir auch noch das Gefühl vermitteln, etwas Wunderbares geschaffen zu haben … meine Güte, Mr. Blu, ich dank Dir sehr!

      Gruß
      bis domnächst!

  5. Die Wörter sind immer da, auch unabhängig von uns. Schwieriger wird der Zugriff darauf, wenn man sich mit warmem Martini verlustiert. Stelle ich mir zumindest vor.
    Ihr Text im Zusammenhang mit Ihrer Blogroll erinnert dann doch vielleicht in gewisser Weise an eher an das Chelsea in N.Y. als an das Million Dollar in L.A.
    Seis drum, den Mond ab- oder zunehmend, nimmt doch jeder gerne auf.
    Ihr präsentiertes Lied war der Sommerhit von 1978. Da fuhr ich mit dem Motorrad gen Süden bis nach Korsika und in jedem Café und in jedem Bums lief die Scheibe. Ich fand den Gerry Rafferty mit Stealers Wheel interessanter. Aber das ist ja wie mit den Hotels, den Bars und den Drinks.
    Alles Geschmackssache sagte der Affe und biss in die Seife.
    Ihnen wünscht eine vorzügliche Reise in eine feinen Gegend,
    Ihr Herr Ärmel

  6. Lieber Herr Ärmel, haben sie Dank für diesen vorzüglichen und geschliffenen Kommentar! Ich gestehe, es mag sich mir zwar nicht zur Gänze erschließen, was oder wer in meiner Blogroll auf das Chelsea Hotel hinweisen könnte … aber daß Sie meinen bescheidenen Text überhaupt mit diesem Ort in Verbindung bringen, macht mich nahezu glücklich!
    Und selbstverständlich were ich dem diskreten Hinweis folgen und mir sofort Stealers Wheel anhören … denn mir gehts ja wie dem geschätzten Herrn Ä. der manchmal sagt: „Was versteh ich schon von Musik“!
    Viele liebe Grüße und vielen Dank für Ihre guten Wünsche, ich nehme sie gerne mit auf die Reise!

  7. Ich sage es schon lange und immer wieder: schreibe,schreibe schreibe.Du siehst,wie sich die Worte finden und Du damit andere brührst bis in die tiefste Seele.
    Eine interessante Spurensuche und ein gutes Wiederheimkommen.

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