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Capricornus

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Eine fahle Sonne scheint durch ein Loch im grauen Himmelsbeton.

Steinbockzeit, karge Zeit. Alles ist nach innen gerichtet, dort sammeln sich die Kräfte, angeblich. Im Außen ist Januar, ein unentschlossener Winter haut tonnenweise Schnee her und leckt ihn dann mit Regengüssen und Föhnstürmen schnell wieder weg. Die Welt zeigt ihr wahres Gesicht, das, was später unter Blumenfluten und Dekoartikeln versteckt wird, kahle Häuserfronten zeigen sich ehrlich und scheußlich und entlarven somit  jeden Versuch, was besseres draus zu machen, als Lug und Trug. Um das alte Haus herum führen Igelspuren, die anzeigen, daß ein Igel immer alles gleichzeitig macht: Essen und kacken, essen und kacken, am meisten natürlich um die Katzenschüsseln herum.

Im Winter zeigt das Haus all seine Wunden und Verletzungen, überall hat es Risse und bröselt vor sich hin, die Jahrhunderte zerreissen das Holz, machen das Dach undicht, treten die Schwellen schief und blasen durch die geschlossene Haustür den Schneewind herein. Da liebe ich das Haus am meisten, wenn es in dieser schonungslosen Wahrhaftigkeit diese verletzte Schönheit zeigt und dadurch auf die Endlichkeit aller Dinge hinweist.

Mit starken Mauern fest auf dem Boden stehen, aber auch die Grenzen zu kennen. Ist das nicht auch die Steinbockqualität: Diese mächtige, zähe Kraft, die unter schwierigsten Bedingungen überleben läßt, die wie ein Fels den Naturgewalten trotzt, sogar der Zeit? Ja, eine Offenbarung, aber nur für diejenigen, die mutig genug sind, dem Leben ins Gesicht zu schauen. Genau hinschauen auf das, was angepackt werden muß, das sagt Steinbocks Herrscher Saturn,  Herr der Zeit, alter Weiser, Eremit.

Ja,ja, so Vieles schiebe ich hinaus und vor mir her, alles was mich ängstigt und das ist eh fast alles. Du mußt hinschauen, sagt Saturn zu Steinbock und du trägst eine schwere Verantwortung, du mußt das Wesentliche erkennen.

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Ach, aber ich bin kein Steinbock und ich haue ab vor dieser Verantwortung, meine Güte, was ist denn nur das Wesentliche, jetzt bin ich so alt geworden und weiß es immer noch nicht. Ich denke an das Märchen von der Baba Jaga, das ist eine Uralte, Grausige, die lebt im Wald und ihr Haus steht auf einem Hühnerknochen und sie kann Menschen versteinern lassen und ihr heilendes Licht können nur die bekommen, die durch harte Prüfungen gehen und Mut haben. Komisch, trotz aller Schrecken ist mir die alte Baba Jaga sympathischer als dieser strenge Herr Saturn.

Und dann sehe ich diesen majestätischen Steinbock, der ganz oben in den Bergen auf einem Felsenvorsprung steht und sich nicht bewegt, schaut, steht und schaut. Dort oben am Rand der Vegetation ist sein Reich, mühsam und karg, aber dort oben wachsen auch die Kristalle im Verborgenen.

Bevor ich endlich mal das erledige, was ansteht, nämlich, das Haus zu putzen und etliche sehr gefürchtete Untersuchungen über mich ergehen zu lassen, fällt ein Buch von Jan Costin Wagner aus dem Regal: „Eismond“, und ich gerate in den Sog der Geschichten um Kimmo Joentaa, dem jungen melancholischen Polizisten in Finnland und nach Ausschlürfen des vierten Buches habe ich eine Art Dejavu, ich sehe mich in diesem Haus sitzen und lesen, eintauchen in Geschichten und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich wieder nichts von dem erledigt habe, was ansteht und trotzdem in den Büchern verschwinde…so, als wären nicht fünfzig Jahre vergangen…so, als hätte ich das Buch gar nicht aus der Hand gelegt…

Was ist das Wesentliche?  Was bleibt denn übrig zum Überleben in diesem Mysterium von Zeit und Materie, wenn wir alle tauben Nüsse aussortiert haben?

Auf einmal brennt der Himmel!

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