Nach den 13 Monden nun also die 13. Rauhnacht.
Die alte Frau Percht, mit ihrem Rucksack unterwegs, um Verbrauchtes einzusammeln und Neues zu verteilen, gefolgt von wilder Jagd, diesmal alles ruhig, keine Schneestürme, Verwehungen, kein Sturmwind, der ums Haus peitscht, keine Bewegung? Oh, man darf sich nicht täuschen im Wind, dem wilden Gesellen, er dringt auch in unser Inneres, rüttelt an eingerosteten Türen, so daß sie drohen, aus den Angeln zu fliegen, reisst schmerzhaft die verklebten Verbände von alten Wunden und schneidet mit Eiszapfen die betonierten Wahrheiten durch. Auch so sorgt die Alte dafür, daß sich das Unterste nach Oben kehrt und eine neue Ordnung entsteht.
Wohin sind die Jahre gegangen, was wurde aus den Freundschaften? Wohin gehen die zurückgelassenen Teile der Entscheidungen, die man nicht wollte, das Eine oder das Andere der Alternativen? In welches Meer werden all die Geschichten gekippt, die nie erzählt wurden? Und all die Liebe, die im Raum stehenblieb, weil niemand sie annahm, wohin geht sie, ja wohin geht die Liebe, wenn man sie freiläßt, kann sie dann jemand sehen und sie sich holen?
Und all die Geschenke, die sich als unbrauchbar erwiesen? Und all die vertanen Chancen?
Verwirrungen und schwere dunkle Fragen auch diese, wieviel Zeit wohl noch bleibt und wozu.
Und die Alte lächelt ein wenig und sagt: „Ja, es ist, wie es ist, das gehört alles dazu, schau genau hin! “ Und sie schickte den Sturmwind auch mir, der durch mein Herz fuhr und mich wanken machte im schonungslosen Blick auf mein Leben, zeigte mir Narbengewebe und auch ein paar schlecht verheilte Wunden und Sehnsucht, kaum zum Aushalten. Und sie schickte mir Sternschnuppen als Lichtstreifen am Himmel, manche verglühten im Klang, manche trugen Zeichen, von manchen blieben Kohlehäufchen, in denen es glimmt und ein wenig Sternenglanz leuchtet daraus hervor und in ihrem Spiegel sehe ich eine, die mir gar nicht so schlecht gefällt, sollte ich die wirklich auch sein?
Die Alte, unergründlich und unberechenbar, schickt mir Freundinnenarme, wunderbar tiefe Gespräche, zeigt mir Silberfädchen, die durch die Luft fliegen und auf neue Begegnungen hinweisen sollen und auf Verknüpfungen im noch Ungeahnten…und sie sagt: “ Was Du nur immer hast, Du machst doch alles ganz gut, ach ja, die Einsamkeiten, Du weißt doch, die machen die Suppe im Kessel klar, Du magst doch nicht im Trüben herumschwimmen?“ Und bevor sie mir zum Abschied mit einer etwas rauhen Hand über die Wange streicht, schickt sie mir noch ein paar Tränen, als Salz für die Suppe.
Dann läßt sie mich alleine und mir ist, als sollte ich heut Nacht lange zum Himmel aufsehen und viele andere sollten es mit mir tun und wenn wir still sind, ganz still, dann
könnte sich was wandeln…
Und morgen, da sollten wir lachen und uns schön anziehen und tanzen und was Liebes zueinander sagen und Augen zum Glänzen bringen…das wird sie freuen, die alte wilde Frau Percht, die auf dem Weg zurück in die Berge ist…dorthin, wo Steinbock sein Reich hat und uns fragen wird:
Was ist wirklich wesentlich?
Und wieder einer von Ihren famosen Beiträgen zu den Rauhnächten, liebe Frau Graugans. Und obwohl Sie so tief fragen bleibt dennoch der Blick frei für einen hoffnungsvollen Blick zu den Sternen.
Nachmittäglichschöne Grüsse aus dem dämmrigen Bemeblland, Ihr Herr Ärmel
ein sehr schöne würdigung der frau percht und überhaupt!
danke!
(übrigens: mit dem vater von corinna de la ossa und dem mann von ingrid westermeier vom trio infernal hatte i früher öfter mal zu tun … wie sichs halt manchmal so kreuzt …)
Liebe Graugans, mir ist, als hättest du gestern Nacht an meinem Bett gesessen und wir hätten uns hin und her die Fragen gestellt und die Geschichten erzählt und uns gelauscht, auch auf die nichterzählten Geschichten und die dazwischen – später, wenn ich mich etwas vom rühren in den Töpfen erholt habe, da tippe ich dann meins ein und dann können wir uns wieder einmal anlächeln … manches ist so magisch, so zauberhaft- Silberfädchen und Sternenstaub halt …
ich grüsse dich sehr herzlich und verbunden
Ulli
Liebe Graugans,
ja, da ist was, das die Alte in letzter Zeit auch in mir anklingen ließ. Wie ist das mit meinem Leben? Welche Taten folgten welchen Träumen? bin ich mir überhaupt selbst treu geblieben?
Meine Bestimmung ist es wahrscheinlich, den Sternenstaub aufzuwirbeln, dass er glänzt, und nicht, dass er grau auf dem Boden vermodert.
Danke für deine wunderbaren Gedanken zu den Rauhnächten … und überhaupts…
Herzlieb .
Margit
„… und in ihrem Spiegel sehe ich eine, die mir gar nicht so schlecht gefällt“ – das, liebe Graugans, ist schön. So soll es bleiben bzw. immer wieder sein!