Also, anstrengend ist ein Literaturfestival schon, auch wenn es so wunderbar gestaltet ist wie das diesjährige Europa der Muttersprachen mit dem Schwerpunkt Ukraine! Ich weiß, daß ich nichts weiß über dieses Land, nicht mal so genau, wo es liegt. Und wer, bitteschön, soll sich noch auskennen in dem ganzen politischen Wirrwarr, den kriegerischen Auseinandersetzungen um ständig sich ändernde Abgrenzungen ? Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich nach diesen drei Abenden im Literaturhaus Salzburg besser die Hintergründe durchblicke, aber ich erfahre ein wenig, was heutige KünstlerInnen mit ihren Mitteln auf dem Hintergrund ihres Heimatlandes aus ihrem Leben preisgeben, wie sie ihre Erfahrungen verarbeiten…ja, ich mag es gerne, eine fremde Sprache zu hören, die immer vertrauter wird, aucch wenn ich sie nicht verstehe und ich liebe es, wenn es Menschen gelingt, dem, was sie zutiefst erregt und erschüttert eine künstlerische Gestalt zu geben…aus dem Unsäglichen formt sich Sprache, aus dem Unsichtbaren werden Bilder und aus unbegreiflichen Weiten am Rande jeglicher Existenz kommt das Unhörbare und schickt Töne bis in die Urgründe unserer Seele…
Gestern begann der erste Abend mit Kurzfilmen von ukrainischen FilmemacherInnen, die alle so um die dreissig Jahre alt sind. Nicht zu beschreiben diese Filme, weitestgehend tonlos, reine Bilder…Spürungen durchströmen mich, als ich die Plattenbaustädte sehe, ich denke an den Blick aus dem Fenster am Stadtrand von Leipzig, letzten November…eine Plattenbausiedlung, und auch an den Blick aus dem Hotelfenster erst kürzlich in Berlin. Da sah ich oft nachts über den Hinterhof auf die grauen Mietskasernen und dachte mir, daß man schon brutal einsam sein kann nachts in so einem Zimmer…
Bei der Eröffnung der Fotoausstellung mit der anwesenden politisch höchst aktiven und engagierten Fotografin Yevgenia Belorusets hätte ich nicht mehr zu sagen gewusst, was mir mehr unter die Haut ging: die Kunst, solche Bilderreihen herzustellen, die keines Wortes mehr bedürfen, die aus sich heraus Geschichten erzählen über die Arbeit im Bergwerk, die Angst, die unglaubliche Hilflosigkeit, nicht das Geringste tun zu können, um die drohende Schließung zu verhindern, Existenznot und in der absoluten Hoffnungslosigkeit dennoch „Die Siege der Besiegten“ herauszuarbeiten, ohne, wie die Fotografin sagte, in irgendeiner Weise zu beeinflussen, wie sich die Menschen auf ihren Bildern darstellen wollten…
…oder das, was Yevgenia Belorusets insgesamt über ihre Arbeit unter den Bedingungen ihres Landes zu sagen hatte…und noch dazu, was sie in perfektem, makellosen Schriftdeutsch über Walter Benjamin sagte, dessen Aufsatz über „die Siege der Besiegten“ ich dringend suchen und nachlesen muß!
Dann kamen zwei Schriftstellerinnen: Kateryna Babkina und Natalka Sniadanko. Da der zweite Abend bald beginnt, und wir schon sehr früh losfahren müssen, um in der Parkplatznot in Salzburg irgendwann irgendwo das Auto loszuwerden für fünf sechs Stunden, und ausnahmsweise mal keinen Strafzettel zu kassieren, werde ich hier und heute nichts über die Lesungen gestern sagen, sondern die #Bücher lesen und dann darüber berichten!
Der Schlußpunkt gestern kam in Form von Musik, es waren leider nur noch halb so viel BesucherInnen da und die hingen schon ziemlich müde in den Stühlen.
Mariana Sadovska trat auf und sang Lieder, die sie in entlegenen Dörfern der Ukraine gehört hatte, heidnische, uralte Gesänge voller Magie und Zauberkraft…heute wird sie wieder singen und ich werde morgen davon erzählen…nur soviel sei gesagt:
Es gibt Musik, die dringt in die hintersten Kammern der Seele und bei diesen Gesängen da spüre ich eine Sehnsucht, die hineinreicht bis zum Urgrund allen Seins und sie mündet in eine Verbindung , eine Verschmelzung mit allem was war und was ist und was jemals sein wird und ich wäre nicht ich, wenn ich nicht sagen würde, daß es Liebe ist, was mich dabei durchströmt…
Wer irgendwie in der Lage ist, heute und morgen dieses Festival zu besuchen, sollte es tun, unbedingt!!!
liebe graugans, hab vielen dank für deinen bericht! hingehen kann ich ja nicht – um so glücklicher bin ich, hier darüber zu lesen. herzliche pegagrüße aus der gröbenzeller regenzone 😉
So schön, liebe Gröbenzeller Pega, daß Du hier mitgegangen bist!
Viele liebe Grüße aus der Sonne, schick sie gleich zu Dir!!!