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„Das Europa der Muttersprachen“,Ukraine 3, Finis

 

Vor jedem der drei langen Abende im Literaturhaus Salzburg gab es , sozusagen als Vorprogramm, Werke junger ukrainischer Filmemacher. Harte Filme, sie zeigen eine Wirklichkeit, die sich nicht befreien kann aus Anarchie und Brutalität, in der zwischenmenschliche Rohheit, Feindschaft, Mißtrauen herrschen, Korruption, Prostitution, der Zustand der postsowjetischen Gesellschaft, in der alle Werte lange schon verlorengingen. Man wird nicht geschont, wenn man bereit ist, hinzusehen. Die Frage, ob es solche Filme braucht, die den Finger in Wunden legen, daß nur noch Blut und Eiter herausfließen, ist müßig und ich werde sie nicht stellen; denn es ist wie bei aller Kunst immer die Frage, ob man bereit ist, sich einzulassen, auf die Gefahr, zutiefst erschüttert zu werden und nicht immer schmerzfrei zu erkennen, daß sich womöglich die eigene Sicht auf die Dinge verändern muß, um sich weiter zu entwickeln als Mensch.

Dieses Festival, in dem es nicht um „Vaterländer“ ging, sondern um „Muttersprachen“, wie Thomas Friedmann, der Leiter des Hauses betonte, ist seit ein paar Tagen vorbei. Es ist unmöglich, ein Fazit aus den Eindrücken des dicht gedrängten Programms zu ziehen, es wird sich auf ein paar Impressionen…ein paar Notizen von meinen Eindrücken beschränken…
Was bleibt, sind Stimmen aus einem Land, das ich überhaupt nicht kannte, das für mich irgendwo am Rande existierte.
Das hat sich verändert, ich werde einige Bücher lesen, Musik hören und mich freuen auf die täglichen Mails meines wunderbaren Herrn Graugans, der sich in ein paar Wochen auf eine fotografische Exkursion (Salzburg – Odessa), ins Zentrum Europas, begeben wird. Ja, dort ist das Zentrum Europas, das ist mir als immer noch überzeugte Europäerin endlich wieder klargeworden…denn, wenn nicht in Europa, wo wäre die Ukraine denn sonst?

Am Schluß des dritten Abends gibt es noch eine Podiumsdiskussion mit den drei Schriftstellerinnen : Tanja Maljartschuk, Natalka Sniadanko und Kateryna Babkina. Unglaublich, welche Gleichzeitigkeit der Gegensätze in diesem Land! Junge, selbstbewusste Frauen, aus deren Sprache keinerlei Resignation über den Zustand ihres Landes hervorgeht, sondern nur Aufbruch, Vorwärtsgehen und -schauen, Zukunft in die Hand nehmen und gestalten! Politisch aktiv und engagiert, sprechen sie über ihr Dasein als SchriftstellerInnen, da gibt es kein Geld…nirgends, Kunst wird nicht gefördert, man schreibt halt, weil man muß, irgendwann in der Zeit, die man noch sich stehlen kann neben der Arbeit, mit der man irgendwie soviel Geld zusammenkriegen muß, um zu überleben.
Sie sprechen über den Humor in der ukrainischen Literatur, daß Lachen eine Waffe ist und Ironie auch ein Ort, sich zu verstecken vor der Wirklichkeit. Und es würde Zeit, die Dinge jetzt auch mal ohne diesen Witz, für den die Literatur im Osten zu stehen scheint, ernsthaft und ruhig zu betrachten und zu beschreiben.

In der Pause vor Beginn der Party, mit der diese Festivals immer genüßlich ausklingen, mitten im größten Trubel lehne ich mich an eine Säule, schließe die Augen und horche auf das Stimmengewirr um mich herum…ich denke an Elias Canetti, der das auch so gern machte und in einem seiner Bücher, die die Welt für mich bedeuten, beschrieben hat…“Raum für Hoffnung geben, Wege aus dem Chaos zeigen“, sei der Beruf des Dichters, hat er auch mal gesagt.
…viel ukrainisch wird um mich herum gesprochen, wie vertraut es doch schon klingt…
Satzfetzen …ich höre Herrn Graugans…damals in Lemberg, weißt du, da haben wir diesen Rabbi getroffen…Synagoge…Wassergläser voll Wodka…Sabbath…jetzt fahr ich bald nach Odessa…oh, da muß ich dir eine Geschichte…

Die Stimme von Mariana Sadovska gleitet immer noch durch mich hindurch, diese Lieder, die sich in den entlegenen Landstrichen durch die Sowjet-Ära erhalten haben und die alles überstanden…magische Gesänge…aber auch hier geht eine Künstlerin einen eigenen Weg, sie bleibt nicht stehen in alter Tradition, sondern knüpft an und gestaltet weiter mit dem Heute in unglaublicher Tonkunst, in Verknüpfung und Austausch mit anderen MusikerInnen und DichterInnen.
„…The War is finished, once again,
but Peace cannot come…“
„Liebe ist das traurigste Wort auf ukrainisch…die Hoffnung darf nie vergehen…dafür braucht man die Nacht und ein schlagendes Herz…
die Nacht hat begonnen…“

Es waren gute Abende und halbe Nächte voller weiterführender Gespräche, viele Blicke in Augen, ja, auch viel, viel Gelächter, beste Stimmung, wunderbares Publikum, nichts zu spüren von dieser verlogenen Jedermann – Festspiel – Möchtegernpromis – Glitzerwelt, der man sonst in Salzburg leider oft ausgesetzt ist, sondern einfach bunte Menschen, auch solche wie Herr Graugans und ich, die wir etwas verstaubt aus unseren Werkstätten schnell ins Auto sprangen, um ja nichts zu verpassen…
und es soll mir nur noch wer sagen, Kunstpräsentation wäre zu teuer! Der Festivalpass für drei lange Abende dicht gedrängtestes Programm kostete 22,00 Euro, die Filme waren gratis!

Ich bin dankbar für diese drei Tage und fühle mich über alle Maßen bereichert!

Und ich danke allen von Herzen, die  hier mitgegangen sind und sich mit Kommentaren eingemischt haben, es ist soooo eine Freude für mich, daß ich mit Euch teilen durfte!!!

Staub…

Ich laufe in der Nacht draussen herum, tanze wie irre auf der Straße und halte Dein Lieblingslied zum Himmel hinauf, Wolfi,so lang, bis die Batterie vom Handy leer ist! Kannst Du es hören, dort, wo Du grad bist?

Vielleicht existiert noch eine Art Schwingung von Dir in einer der Parallelwelten dort droben…dort draussen…die mitkriegt, daß ich meine Schwingung dorthin schicke mittels Musik, die durchdringt doch alle Membranen…und mein Tanz…und meine Gedanken…und meine Liebe…mehr wie Wünschen geht nicht.

Du hattest auch immer so große Wünsche, von allem nur das Beste, und davon viel…nicht nur ein Bett für die Nacht, nein, „Nights in white satin“ sollten es sein, selbstverständlich.

Hast Du eigentlich mitbekommen, daß ich vor dem Baum gestanden bin, wo sie Deine Urne versenkt haben? Um die vierzig Leute waren da, Wolfi, und ich glaube, ein paar waren darunter, denen hast Du mal das Herz gebrochen. Viele haben geweint, alle kamen freiwillig, und alle schienen Dich sehr gemocht zu haben. Du warst nicht allein, warum nur warst du so einsam?

Alleine ist man aussen, aber einsam fühlt man sich innen, nicht wahr, Wolfi?

20 Stunden war ich unterwegs und ohne meine Freundin Irm, die sofort ihr ganzes Leben umkrempelte, um mit mir diese Reise anzutreten in dem Bewußtsein, daß es Ereignisse gibt, zu denen man nicht alleine hinfahren darf, hätte ich das nicht durchgestanden.

Und dann saß ich da in der kleinen alten Holzkirche im Stahnsdorfer Friedhof bei Potsdam und hörte den Liedern zu, die Dein Herzensfreund ausgesucht hat. Und wieder klackern Deine Cowboystiefel über die Steinfließen. Und dann stehst Du vorne mit diesem kleinen süffisanten Lächeln… unschlüssig, was denn nun passieren sollte…

Das wusste niemand so recht, wir standen dann um den Baum herum, vor Deinem Grab und keiner sagte was. Ich hatte den letzten Blogeintrag ausgedruckt und wollte ihn eigentlich vorlesen und was von uns früher erzählen, aber dann war mir, als sollte ich nichts sagen, still sein…traurig, etwas ratlos. Ich, die ich mich für absolut unreligiös halte, habe plötzlich schmerzhaft den sakralen Teil vermisst. Ich hatte Sehnsucht, daß jemand was Tröstendes sagt…“Erde zu Erde – Staub zu Staub“…leider war so jemand nicht da und ich legte die fünf dunkelroten Rosen von uns allen neben das Erdloch und warf staubige rote Erde auf Deine Urne.

Das wars. Über uns gleissendes Sonnenlicht, tiefblauer Himmel und um den Baum schwarzgekleidete Menschen, die nicht sicher waren…sollten sie erzählen von gescheiterten Beziehungen zu Dir oder fragen, ob irgendwer denn wusste, wer Du warst, in Wirklichkeit?

Wer weiß schon, wer wir in Wirklichkeit sind.

Irgendwann waren die Tränen geweint, die schönen Geschichten über Dich erzählt, die schlimmen verschwiegen, Einladungen und Weiter-in-Kontakt-bleibwünsche ausgetauscht und dann sind wir gegangen und ließen Dich in Deiner Urne unter dem alten Baum zurück.

Beim Heimfahren haben wir laut bei allem, was im Radio kam mitgesungen. Und wir haben darüber gesprochen, warum einer wie Du so beliebt war und gleichzeitig so sterbenseinsam…weil Du Beziehungen kaputt gemacht hast, bevor sie sich in Deinem Herzen einnisten konnten…es ist jetzt egal, was wissen wir schon voneinander?

Weißt Du, Wolfi, und nach 1400 km absolut staufreiem, entspannten Fahren lande ich auf der Salzburger Autobahn und muß mich übernächtigt, vollgepumpt mit Adrenalin wie im Delirium den steilen Irschenberg im ersten Gang halbmeterweise hinunterquälen, eingezwängt in bedrohlich aneinandergeklebter Blechlawine…aber als ich unten das Unfallauto sehe, werde ich demütig und bin froh, noch am Leben zu sein.

Irgendwann einmal löst sich der Stau plötzlich auf und ich rolle über eine völlig freie Autobahn durch eine sternenklare Nacht, am Chiemsee vorbei den Bergen, unseren Bergen, Wolfi, entgegen. Ich bin hellwach und denk an Dich und was Du aus Deinem Leben gemacht hast. Ja, Wolfi, ich habe großen Respekt vor Deinem Mut !

Du hast das gemacht, wovor alle Vernünftigen zurückschrecken, Du warst so sicher, daß es mehr als Alles geben muß , Du warst so hungrig nach dem Leben, ja und Du hast wie eine Kerze von zwei Seiten gebrannt…warum hab ich ausgerechnet Dir nie gesagt, wie sehr ich Dich liebhabe und wie nah ich mich Dir fühle…

Du hast Dein Leben gelebt, wild, heftig , schmerzhaft, ohne Rücksicht auf Verluste, bis zur letzten einsamsten Konsequenz hast Du es leidenschaftlich und exzessiv ausgeschöpft, dann bist Du erloschen wie ein Stern und ein Häuflein Asche ist übrig…aber von uns allen, auch wenn wir noch so vorsichtig leben, bleibt von uns denn mehr? …ein kleiner Windhauch und alles ist weg, wir sollten also nicht warten, sondern es uns sagen, daß wir uns lieben, gleich…bevor es zu spät ist

Und dann spielen sie dieses Lied im Radio und ich weiß,

jetzt hat der Kreis sich geschlossen.

Reisende…

In der Nacht vor Allerheiligen, die Alten sollen Samhain dazu gesagt haben, die Einladungen sind hinausgeflüstert in dieses schwarze Gewölbe, an dem die Sterne hängen. Keine Antwort. In der Laterne brennt eine Willkommenskerze. Aus dem Mond fließt das Licht in den Schmetterlingsflieder und der zeichnet wandernde Muster auf das Pflaster vor dem Haus. Die Eingeladenen werfen keine Schatten mehr. Es kommt eh niemand, denn es gibt keine Wiederkehr von dort, wo wir alle mal hingehen, wenn unsere Zeit gekommen ist, nicht wahr? Auch nicht, wenn noch so viele Fragen offen geblieben sind.

Viele sind durch dieses alte Haus gegangen und alle, ob sie lang oder kurz hier lebten, sind auf der Hausbank vor dem Haus gesessen. Jetzt ist es Nacht, alle in der Nachbarschaft liegen längst in den Betten, der Administrator schläft vorm Fernseher in der Stube, nur ich sitze allein und proste allen, die hier mal saßen, mit neuem Most zu, zuckersüß und ein wenig perlend. Auf Euch trinke ich, die sich abgeplagt haben, diesen Hof zu erhalten und ihn weiterzugeben. Manchmal spür ich die Last dieses Erbe auf mir, denn wir haben keine Kinder, ich bin die letzte dieses Namens hier, an wen soll es weitergegeben werden? Was soll einmal werden? Die große Sorge meines Vaters.

Ein schwacher Geruch einer brennenden Virginia schlängelt sich durch die Luft, Papa? Viele Western kannst vergessen, aber die mit dem Cupper Gerri, die sind einfach so gut, daß man sie immer wieder anschaun kann, sagt er und dann sagt er noch: was wohl aus dem Herrn Breuer geworden ist?

Ja, den hab ich auch eingeladen, keine Ahnung, in welcher der Welten er sich momentan bewegt. Der Breuer war ein weitgereister, gebildeter Mann und der sagte immer, er hätte alle Traumstraßen der Welt schon gesehen, aber dieses Stückerl Straße auf der Salzburger Autobahn, da, wo man runterfährt und den Chiemsee vor sich liegen hat, das wäre das schönste auf der Welt. Ja, dieser Herr Breuer war wohl ein Reisender, keine Ahnung, wer er war und was er tat, er tauchte ein paar mal im Jahr bei uns auf und verschwand wieder, zwischendurch kamen Ansichtskarten von der ganzen Welt. Meine Eltern und der Herr Breuer mochten sich und saßen bis in die Nacht hinein kaffeetrinkend und rauchend und palavernd in der Stube und es wehte mit ihm die große weite Welt herein. Das vermisse ich sehr, daß es heute keine so Herr Breuers mehr gibt bei uns. Früher tauchten immer mal wieder so Gestalten auf, mit denen wurde nächtelang über die großen Fragen der Welt diskutiert, meine Mutter kochte Bohnenkaffee und zu essen gab es extrem scharfen Quargel, d.h. so eine Art Quark mit viel Kümmel und Paprika und manchmal auch ziemlich sauren Wein dazu und manchmal tanzten sie Rock´n Roll auf dem Stubentisch…sag mal Papa… aber er ist schon weg, in der Ferne höre ich ihn einen Landler pfeifen…

Und meine Mutter, kommt sie oder nicht, ich kann mich ja auch gar nicht mehr erinnern…ein leises Lachen höre ich irgendwo, Mama, das Lachen hast Du mir vererbt und dieses Gaukler- Gen…ich soll aus einer Theaterfamilie stammen, ach was, Mama, Gaukler wart Ihr und mein Großvater war ein Windhund, nicht wahr…wieder dieses Lachen…ach Mama, ich glaube, Du warst eigentlich auch eine Reisende, eine vom fahrenden Volk, aber Du bist festgesesssen auf diesem Hof und da sind dann alle zu Dir gekommen, Du hast sie angezogen mit Deinen rehbraunen Augen und Deinem Humor, der auch vor Zoten keinen Halt machte und wenn Besuch kam, hast Du über die größten Berge dreckigen Geschirrs einfach eine Decke gebreitet, Du konntest eigentlich gar nichts, was im richtigen Leben brauchbar gewesen wäre,  Du warst eine Schmierenkomödiantin, auf nichts konnte man sich bei Dir verlassen, aber das mit Charme und Bravour und Theatralik, und geschämt hast Du Dich vor nichts und niemand!

Eines Tages hast Du das Sofa als Rampe benutzt und bist weggeflogen, für immer.

Im Lauf der Jahre sind die Palavereien in diesem Haus weniger geworden, es wurde nicht mehr geraucht und nicht mehr so viel gesoffen, und die alten sind gestorben und von manchen weiß man  nichts und so Besuche wie vom Herrn Breuer gibt es schon lange nicht mehr…wer schaut schon „einfach so“ vorbei? Wenige haben noch Geschichten dabei und schon gar niemand hat mehr Lust, Geschichten zu hören oder möchte über die großen Fragen philosophieren..ohne Termindruck. Ich hör Dich wieder lachen Mama, ja, und ich lache mit, hier, alleine auf der Hausbank in der Nacht.

Nacht, Nacht, wie weiße Pferde kommt Nebel ums Hauseck getrabt, aber sonst wohl niemand mehr zu Besuch aus der Anderswelt.

In dem uralten sumerischen Mythos horcht die Mondgöttin Inanna im Großen Oben in das Große Unten und das, was sie da hört, wird dazu führen, daß sie ihr irdisches Reich verläßt, um hinabzusteigen in die Unterwelt und dort viele rätselhafte Dinge zu tun.

Ich erhorche nichts, die Nacht ist sehr still, eine Katze streicht um meine Beine, ich möchte nicht absteigen, da hinunter, noch nicht. Ich denke an eine, die schon lange dort unten ist, sie, eine Lady, alle Männer lagen ihr zu Füssen, leider meiner auch, sie war meine Freundin, meine beste Freundin, wir konnten uns das Leben ohne einander nicht vorstellen, wir schrieben uns Gedichte, wir wären füreinander durchs Feuer gegangen, bis wir uns verraten haben, sie wählte einen Säufer als Mann, sie gebar Kinder, ertrug alles, was das Leben Ihr brachte gefasst und in Würde, in Opferbereitschaft und ohne zu jammern und vor ein paar Jahren ist sie verhungert, leise ..sie legt den Finger auf die Lippen, ich soll nichts mehr sagen, nicht mehr weiterreden, ich soll alles lassen. Ja,  gut, obwohl, die Freundschaft zerbrach, aber die Liebe? Die ist geblieben. Ja, meine Freundin mit den Jadeaugen, meine Liebe zu Dir ist geblieben.

Die Rosen duften stark, immer noch.

KREUZBERG SÜD-OST …

…da waren´s zwölfe…

Die zugelaufene Katze hatte mehrmals Junge, die aber anscheinend von irgendwem oder irgendwas „entsorgt“ wurden, denn wir bekamen sie nicht zu sehen. Vor einem Jahr brachte sie drei mit, die ließen sich nicht fangen, so konnten wir sie nicht sterilisieren lassen, die Kater heulten schon im Winter um´s Haus und so wurde eine nach der anderen schwanger, auch die Mutter, die wir auch nicht rechtzeitig erwischt hatten. Alles nahm seinen mehr oder weniger naturgemäßen Lauf. Die Alte verschwand hochschwanger und tauchte kurze Zeit später blutüberströmt, voller Wunden und mit herausgebissenen Reißzähnen wieder auf, kinderlos und da sie den Bauch voller Milch hatte, ließ sie ihre große schwarze, längst verstossene Tochter wieder bei sich trinken. Die beiden lagen ständig beieinander, zwischendurch wurde ein kleines schwarzes Kind angeschleppt, das säugten sie abwechselnd und vergaßen es schließlich, eines Tages lag es wieder da, wurde von beiden abgeleckt, war aber schon verhungert. Als die Mutter wieder schwanger war, hat sie die große Tochter wieder verstossen. Dann tauchten zwei getigerte Junge auf, da waren es insgesamt, mit unseren zwei Stammkatzen immerhin schon acht.

Vor etlichen Wochen hat die schwarze Katze ganz oben im Haus, in der hintersten Ecke unter dem Dach vier Kinder hingelegt, alle dunkelgrau bis schwarz, so eine Art Halbangora. Jetzt haben wir also zwölf, bis jetzt.

Wir leben in einer örtlichen Befindlichkeit, die aus der Stadt sagen „am Land“ dazu. Hier wird das, was zuviel ist , gewinnbringend verkauft, das, was nichts wert ist, manchmal verschenkt, und das, was niemand braucht, meistens erschlagen. Dazu gehören Katzen.

Schwierig, das mit den Katzen.

Schwierig deshalb, weil alle Entscheidungen, die man trifft, irgendwie falsch sind, man macht sich schuldig, was immer man tut, um in diese wilden Naturverläufe einzugreifen, finde ich.

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Wer schon einmal gesehen hat, wie eine Katze ihre Jungen großzieht, mit welch bis ins kleinste Detail perfekt ausgeklügeltem pädagogischen System sie ihnen Schritt für Schritt, immer an die jeweilige Entwicklungsstufe angepasst, Kämpfen, Jagen, Selbstverteidigung, Anschleichen beibringt. Wie sie ihnen im Spiel lehrt, mit welchen präzise gesetzten Bissen die Beute erlegt wird, wie sie sie ausbildet zu perfekten Jägerinnen. Ja, Katzen sind wilde Tiere und das bleiben sie auch.

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Wenn wir ihnen das Geschlecht nehmen, sind sie nur noch Killermaschinen, ihr ganzes Urwissen über die Aufzucht und das Weitergeben von uralten Verhaltensweisen wird damit aus ihnen herausgeschnitten. Wir entscheiden über Leben und Tod. Domestizieren geht nicht bei diesen wilden Tieren, sie widersetzen sich jeglichen Versuchen. Aber sie nehmen halt unser Nahrungsangebot entgegen und das ist letztlich auch das Problem: Wenn wir sie füttern, müssen wir die Population irgendwie in den Griff kriegen.

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Natürlich weiß ich, wie es geht: Ich nehme die kleine Katze und werfe sie solange auf den Boden, bis sie tot ist. Der Natur ist das egal, der Mutterkatze auch, die hat für Begriffe wie Mutterliebe oder Sehnsucht nach den Kindern oder Traurigkeit kein Sensorium. Gesäugt wird, solang Milch da ist, wenn keine Milch mehr kommt, werden die Kinder verstossen.

Wenn wir nicht sterilisieren wollen, müssen wir töten oder wir füttern nicht mehr. Die Nacharin bietet uns die Hilfe ihres Mannes an, der würde die Katzen gleich „derschmeissen“, ja, ich weiß, der steckt die großen Katzen, die nicht mehr gebraucht werden in einen Sack und drischt mit dem Hammer auf die Köpfe ein, was nicht immer gleich gelingt. Nein, das ist kein böser Mensch, das ist ein sehr frommer Christenmensch, so wie viele ringsherum.

Also, wir wollen das nicht. Ich möchte es nicht tun, auch wenn es tausendmal das Beste wäre, dieses Töten würde an mir kleben, ich möchte nicht so werden, daß es mir nichts mehr ausmacht. Nein!

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So klein sie auch sind, sie haben, im Verhältnis zur Pfotengröße, mächtige Krallen.

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Es geht ganz schön zur Sache bei der Nahrungsaufnahme, es wird auch schon gebissen, getreten und gewürgt. Jedes Junge ist anders, es gibt ausgesprochene Schreihälse und ganz leise Kinder. Das Entwicklungstempo ist ganz unterschiedlich. Während die anderen noch blind herumliegen, hat eines schon die Augen offen und saust auf wackligen Beinen durch die Gegend.

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Im Moment verbringe ich mein Leben mit dem Schwerpunkt: Zuschauen, wie sie wachsen und zuhören, wie sie schon alle schnurren, wie sie sich balgen und kreuz und quer auf der Mutter herumpurzeln und sich anknurren oder wie am Spieß schreien, wenn es zu eng wird am Mutterbauch, und wie sich die Mutter, um alle peinlichst sauber zu halten einfach eins nach dem anderen unter die Pfote klemmt, um es mit nassem Spuckewaschlappen zu bearbeiten.

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Und sie lernen schnell, die Kinder, sie versuchen zu sitzen und sich zu waschen, so wie es sich gehört, mit der Pfote über das Fellgesicht. Ich mag es nicht immer nur als Problem sehen, die vielen Katzen. Ja, wir werden eingreifen und alle, die wir erwischen, sterilisieren müssen. Und von den kleinen Schwarzen werden wir welche verschenken, obwohl, wer mag schon Katzen haben, diese eigensinnigen Freigängerinnen?

Aber:  Trotz alledem! Nichtsdestoweniger! Dennoch! –  ist es so eine große Freude, diese Fellbande!  Ein großes Geschenk, dabei sein zu dürfen, wie sich auf der Weltenbühne das Leben aus sich selbst heraus lebt und gestaltet und zu sehen, wie sich vier so perfekte Wesen nebeneinander an Mutters Tankstelle  die Bäuche füllen…

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Canzun de Sontga Margriata

Drachen seien älter als die Welt, hat mal wer geschrieben, ja, das glaube ich sofort.
Auf der ganzen Welt gibt es Drachen. Auch hier, in Oberbayern, sollen sie vorkommen, dachte man wenigstens in alten Zeiten und erzählte sich Geschichten. An mehreren Orten soll es den „Tatzelwurm“ gegeben haben und wenn man mal den ganzen romantischen Monsterkitsch weglässt, der ihm aus Gründen der Touristenbegruselung angedichtet wurde, dann wird dahinter in Drachengestalt eine mächtige, Alte Kraft sichtbar. Über das Land ist ein dichtes Netz von Kirchen gespannt, die der Hl. Margarete geweiht sind, und die führte den Drachen an lockerer Leine. Die Hl. Margarete, eine der Drei Ewigen, mächtige Zauberin, Fee, Hüterin der Alten Wilden Kraft, die zwar gezähmt, aber an sehr lockerer Leine an ihrer Seite tänzelt, ja, Margarete, die mit dem Drachen tanzt! Kirchen wurden nur an Orten mit besonderen Kräften gebaut. Wie alles zusammenhängt: Linien der Kraft, heilige Orte, die Drachenspur…niemand kann heute mehr sagen, um was es da genau geht, das, was an Wissen über die Mysterien der Alten Kräfte übrigblieb, nachdem unzählige weise Frauen und Männer im Mittelalter verbrannt oder förmlich abgeschlachtet wurden, das haben die Winde der Gezeiten verweht.
Heute können wir nur noch behutsam die sogenannten Orte der Kraft aufsuchen und versuchen, zu spüren und zu horchen und uns nicht dem reisserischen Erlebnisdrang hingeben…denn wir finden nur uns selbst und wir bekommen das, was wir mitbringen…und doch…es gibt schon sehr besondere Orte, wo wir die Chance bekommen, ein wenig genauer zu spüren, was ist…es ist nicht zu erklären, was genau da passiert. Ich ahne es mehr als ich es weiß, ich muß der Spur der Margarete folgen, oder ist es die Spur des Drachens und ich weiß nicht einmal, wo es mich hinbringen wird…im Höchstfall zu mir, so hoffe ich.
„Erkenne dich selbst“, stand im Orakel von Delphi und soll die Antwort auf die Großen Mysterien sein.
Auf der Spur der Margarete bin ich zur uralten Geschichte der Sontga Margriata gestossen, in vorchristlicher Zeit soll sie auf einer Alm am Kunkelspass in der Schweiz gelebt haben und es gibt dieses geheimnisvolle Lied über sie in rätoromanischer Sprache…da arbeitet eine „Diale“ (räroroman. für ein feenartiges, nichtmenschliches weibl. Wesen), eine mächtige Zauberin verkleidet als Sennbursche auf einer Alm ganz hoch droben und weil sie nicht respektiert wird verschwindet sie…alles Glück geht mit ihr fort…

„Abschied von den Fröschen“

Mal wieder habe ich mir eine Nacht um die Ohren geschlagen, denn die Filme, die mir wirklich wichtig sind, die mir unter die Haut gehen, mir helfen, zu Sein  und mir den Blick erweitern und sich dadurch weiteste Weiten und Räume auftun, indem ich kleinste Parzellen erforschen darf und Reisen in die Große Unendlichkeit draussen im Weltall und im Inneren Wassertropfen meiner Seele, diese Filme können anscheinend nur dieser Handvoll Verrückter, die in größtmöglicher Einsamkeit nächtens vor den Fernsehern kauern, zugemutet werden!

Seitdem ich  heut Nacht aus dem Film: „Abschied von den Fröschen“ von Ulrich Schamoni wieder auftauchte, bin ich von tiefem Dank erfüllt für dieses Erlebnis. Ein großer Regisseur, dieser Ulrich Schamoni. Er hat sich gefilmt, sich und sein Leben, bis zum Schluß. Der Film handelt von einer Zeitspanne von ungefähr eineinhalb Jahren bis ein paar Tage vor seinem Tod und spielt im Haus, aber vor allem im Garten seines Hauses im Grunewald. Und es sind wohl an die 170 Stunden Filmmaterial geworden, die nach seinem Tod 1998 von seiner Tochter zu Spielfilmlänge geschnitten wurden. Anscheinend lief der Film 2012 in den Kinos, da habe ich ihn leider verpasst, bin aber froh und dankbar, daß ich ihn nun auf 3Sat sehen konnte.

Ja, selbstverständlich ist dieser Film eine Geschichte der Vergänglichkeit, einer geht durch sein Reich, zeigt Bilder aus dem Mikrokosmos seines Gartens, zeigt das Leben in seiner Fülle und wie es sich lebt und wieder vergeht und erzählt aus dem eigenen aktuellen Menschenleben, wie er mit seiner Krankheit umgeht und was er gerade so denkt und erforscht und was ihn brennend interessiert. Ein Dokument über vergehende Zeit.

Das, was mich bis in die Grundfesten berührt, ist die Art und Weise, wie er durch sein Leben geht, wie er es filmt. Ohne jegliches Pathos nämlich, ohne Sentimentalität, mit diesem überwältigendem Humor, der ja nur dort wahrhaftig gedeihen kann, wo auch der Tod daneben sitzt und auch zu schmunzeln beginnt, ja, dieser Humor…den kenne ich, den hatte meine Mutter auch bis zuletzt.

Das Erschütternste und Wunderbarste, das, was weinen läßt und glücklich macht, das ist diese große Liebe, die aus den glänzenden, staunenden Kinderaugen dieses totkranken Gesichts von Ulrich Schamoni herausstrahlt…ein inneres Leuchten, eine Liebe zu allem, einfach zu allem, was ist. Haben Sie Dank, sehr verehrter Ulrich Schamoni für diesen liebenden Blick, er ist angekommen und in mein Herz geflossen. Mögen die Engel Sie auf Händen tragen für immer und alle Zeit.

Der Film „Abschied von den Fröschen“ ist in der Mediathek von 3Sat noch für ein paar Tage zu sehen.

 

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er – Innern

Erinnern:  althd.  „innaro“ : inwendig

Wie weit geht Erinnerung zurück, über unser Leben hinaus? Wenn wir doch in unserer DNA das Erbgut der gesamten Menschengeschichte gespeichert haben, dann tragen wir die „Erinnerung“ an alles in den Genen mit uns herum. Manchmal gibt es diese visionären Erlebnisse, rätselhafte Deja-vu, unerklärliches Wiedererkennen von Orten, Gestalten, Begegnungen…

Manchmal fällt mir was ein, es fällt in mich hinein oder er – innere ich es? Es gibt in der Bayrischen Sprache eine Redewendung, die heißt: Etwas  „inner werden“, nur sehr unzulänglich in Schriftdeutsch mit „erfahren“ übersetzt. Wenn ich was „inner werde“ oder was „er – innere“, dann hat es was mit Innen zu tun, ganz egal, woher es kommt.

Aus dem kleinen Wäldchen, in dem wir meinten, nach einem verplauderten Abend noch schnell eine Walpurgisfeier veranstalten zu können, wurden wir vertrieben von einem heftigen Sturm, der förmlich aus dem Nichts bei sternenklarer Nacht über uns herfiel, begleitet von einem Nebelschwaden, der wie eine leckende Zunge sich um uns schlängelte…es wird einfach nichts, wenn man meint, man dürfe auch halbherzig und weil doch so eine magische Nacht ist, durch die dünnen Schleier der Welten…nein, nur wer reinen Herzens ist, heißt es doch im Märchen, der findet die Schätze…man findet nur das vor, was man mitbringt, nur dann wird man was „Inner“ !

Sie scheinen mir zu folgen,  in gebührlichem Abstand, wie viele weiß ich nicht, und sie kreuzen immer wieder meine Wege und machen sich bemerkbar, und immer wieder zeigen Namen an, daß sie da sind!

Walpurgis:

Walburg, die Sybille, eine Seherin.

Die Große Vala, Göttin Hel, Herrscherin des Totenreiches

In Niederösterreich und Böhmen erscheint Walpurga als Weiße Frau (Sonnengöttin), mit feurigen Schuhen (Erdwärme), goldener Krone (Sonne), Spiegeln(Seelenspiegel, Auferstehung), Spindel (Spinnen des Schicksals), Sie wird gefeiert in der letzten Nacht der dunklen Jahreshälfte.

Völva, die Seherin, wichtigstes Attribut: „Walus“, der Stab.

Die „Völuspa“ (isl.), die Weissagung der Seherin, in der „Edda“, berichtet von Frauen, die weissagend über das Land zogen, zu dritt, zu zwölft, eine allein…

Ich sehe sie vor mir gehen, mit langen, nachtblauen Mänteln, sie gehen auf weiter Ebene, die Stäbe funkeln im Mondenschein und der Mond ist rot. Waren es Feen, Göttinnen, weise Frauen, Heilerinnen, ganz sicher waren es „Sehende“…sind sie ausgedacht, gab es sie wirklich, entspringen sie Sehnsüchten, oder waren sie schon immer da, gehen mit uns durch den Kreis des Lebens aber wir sehen sie nicht mehr? Alles bleibt nur Fragment und doch gehen sie vor mir, manchmal folgen sie mir, ich bin sie „inner“ geworden, sie möchten, daß wir uns an sie er – innern, schwer, sie zu verstehen, denn sie haben weder Körper noch Stimme, wir müssen das  Horchen mühsam lernen, vielleicht hat Erinnern mit Nach- innen-horchen zu tun. Irgendwas haben sie vor mit mir, was soll ich wissen? Ich bin bereit.

Herzlichen Dank an Monika Philip und ihre sehr gute Seite „Altes Wissen im Jahreskreis“, für das Verwendendürfen von „sachdienlichen“ Hinweisen zu Walpurgis und sicher auch zu den Wölfischen Tänzen an Sommersonnwend!

 

 

„Komm Schatz, wir stellen die Medien um…“

Leider bedeutet ein Ausstellungsbesuch in der Kunsthalle Krems mindestens fünf Std. Autositzen, die derzeitige Ausstellung täte ich mir gerne öfters – am besten unendlich oft – anschauen: Pipilotti Rist – „Komm Schatz, wir stellen die Medien um & fangen nochmals von vorne an.“ Ausstellung läuft noch bis 28.06.2015.

Unbeschreiblich zauberhafte Videoarbeiten, die so außergewöhnlich sinnliche Wahrnehmungen auslösen, daß sich das Denken und die Versuche, herauszufinden, was das jetzt alles bedeuten könnte, ganz von allein einfach so abstellen, das Bewusstsein darüber, was innen und was aussen ist, verschwimmt. Unmöglich, zu beschreiben, wie genau es passiert, ich hatte jedenfalls das Gefühl von unendlichen Weiten, die sich in mir auftaten, ausgebreitet im Universum in ungeahnten Dimensionen und gleichzeitig doch alles hier und jetzt und in radikaler Verweigerung jeglicher Idylle.

Die Ausstellung ist so groß, kaum zum Erschauen, ganz sicher muß ich da nochmal hin!

Hiermit möcht ich auch nochmal einen besonderen Dank ins Waldviertel schicken, denn durch den Hinweis von Ingrid: http://waldviertelleben.blogspot.de/ hab ich überhaupt erst von dieser beglückenden Ausstellung erfahren!