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Die Fremden

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Dieses Bild, gemacht von einem Fotografen in Neutitschein (Novy Njcin) in einem altmodischen Rahmen, liegt seit Jahrzehnten bei uns herum, niemand wusste mehr, wer die Leute auf dem Foto waren. Ich nehme an, es sind nahe Verwandte der Geschwister Ritz, womöglich die Eltern, und der junge Mann, ist es der „Herr Ritz“? Ähnlichkeit wäre vorhanden. Was nimmt man mit, wenn man verjagt wird und ganz schnell ein paar wenige Habseligkeiten zusammenpacken kann? Ja, ein Foto der Eltern, das nimmt man mit, glaub ich. Jan M. Piskorski schreibt in seinem Buch: „Die Verjagten“, daß Menschen den Wohnungs- oder Hausschlüssel mitnehmen, sie sperren ab, bevor sie weg müssen und dieser Schlüssel wird aufbewahrt an neuen, erzwungenen Lebensorten. Einen Schlüssel gibt es nicht mehr, aber ein Poesiealbum und eine Urkunde über bestandene Gehilfenprüfung im Nähhandwerk.

Die fremden Menschen, Fremde unter Fremden, die hiessen dann „Flüchtlinge“ und ihre Kinder sind die Kinder von Flüchtlingen, ein Leben lang.  Und auch die nachfolgende Generation trägt diese Traumata von Verjagtwerden oder Flüchtenmüssen mit sich herum, mehr als wir ahnen.

In den siebziger Jahren kamen wieder Fremde, die hießen auch so: „Die Fremden“ und es waren Menschen „von oben herunter“, das heißt, aus Norddeutschland und sie wollten hier im Voralpenland Urlaub machen. Mancherorts wurden sie am Bahnhof mit Blasmusik begrüßt, man freute sich, denn diese Fremden brachten Geld in die Häuser. Den Sommer über wurde manch eine Familie in den stickigen Dachboden ausquartiert, die übrigen Zimmer wurden zu „Fremdenzimmern“ umgestaltet. Und alles nahm so seinen Lauf. Da die Fremden Geld brachten, bekamen sie alles, was sie wollten, es wurde die volkstümliche Musik erfunden, es gab Heimatabende mit krachledernem Getue und langsam mutierte das Land, den Fremden zuliebe und ihrem Geld, zu einem einzigen Komödienstadl und die Geranienfluten an Balkonen und den Miedern der Jungfrauen wippten den Takt dazu, der Schweinsbraten hieß ab jetzt Schweinebraten, die Fleischpflanzl wurden zu Frikadellen und die Semmeln zu Brötchen.

Heute ist der Tourismus zu einer Industrie geworden und hat sich, wie überall, der Zeit angepasst, das heißt, das Land wird zubetoniert und kann sich kaum mehr rühren unter Wellnessanlagen, Funcentern und Erlebnisparks, denn „man muß den Leuten ja was bieten!“

Die Freude läßt sich davon bis heute nicht verführen, die hat ihre ganz eigenen Gesetze, genauso wie die Liebe und das Glück. Tröstlich, aber auch ein wenig traurig.

Ja, und die Fremden, die heißen heute längst schon Touristen und die Anderen, die kein Geld bringen und sehr fremd sind, die heißen „Asylanten“. Jetzt sind wir mal beim Spazierengehen in eins dieser unglückseligen Gespräche geraten, die man vermeiden sollte, aber dann darf man mit niemandem mehr reden…es ging um den geplanten Ausbau der Autobahn unter einem Hügel durch, um zu fünf Spuren zu gelangen und da kam die Bemerkung: „Das können wir uns nicht leisten, der Staat hat doch kein Geld mehr, weil uns die da, die ständig ins Land hereindrücken, armfressen!“ Die Flüchtlinge also wieder und wieder und wieder! Wo denn da die Armut wäre, wenn ich am Aldiparkplatz stehe und vor mir ein Audicoupet, rechts neben mir ein großer Audi und links neben mir ein Mercedes – Geländewagen und hinter mir fährt grad ein Sportwagen vorbei, dem man die 100000 EUR schon ansieht…ach, völliges Unverständnis.

Die Fremden, ohne Geld sind sie nirgends erwünscht.

Noch heute frage ich mich, ob meine Flüchtlingsmutter und mein Vater die Flüchtlinge auch ohne Zwang aufgenommen hätten? Ich glaube schon. Ich hoffe es . Und wir, heute?

Leopoldine und Herr Ritz

Es wurde später nie über sie gesprochen, sie wurden „zugewiesen“, das heißt, jeder Haushalt musste welche nehmen, sie wohnten wohl ein paar Jahre bei uns, dann starben sie und wurden vergessen. Keine Spuren haben sie hinterlassen, ein paar wenige Fotos sind von ihnen übriggeblieben und eine Art Gesellenbrief, und ein Poesiealbum, sonst nichts, auch kein Grab, das wurde bald aufgelöst, als mein Vater nicht mehr bezahlen konnte. Aber ich weiß noch, wo das Grab war und ich stelle hin und wieder eine Kerze auf die leere Fläche im Friedhof, dort, wo sie begraben sind, unsere „Flüchtlinge“. Diese Ausdrucksweise ist mir unangenehm, ich empfinde es als demütigend, so von Menschen zu sprechen, die verjagt worden sind.

Leopoldine Ritz, und ihr Bruder, von dem nicht einmal der Vorname bekannt ist, weil sie immer „Herr Ritz“ zu ihm sagte, müssen kurz nach Kriegsende zu uns gekommen sein, sie wurden bei uns im „Stübel“ untergebracht, das ist in einem alten Bauernhaus wie dem unsrigen die Kammer gegenüber der Stube, wo sich das Leben abspielte, dazwischen liegt der Hausgang. Mittels einer sehr gewagten Ofenrohrkonstruktion und eines alten, rauchenden Ofens wurde das Stübel mehr schlecht als recht beheizbar gemacht, auch haben sie selber gekocht darauf. Mein Vater sagte, sie hätten schon recht armselig bei uns  gehaust. Ich kann mich nur noch sehr undeutlich erinnern daran, daß „die Poldi“ mir ziemlich unsanft die Haare kämmte, sie passte auf mich auf, fuhr mich mit dem Kinderwagen spazieren, aber das war schon Mitte der Fünfzigerjahre, der Herr Ritz war schon verstorben und als ich 1959 eingeschult wurde, da war die Poldi auch schon lange tot.

Wie haben sie damals nur alle miteinander gelebt? Meine Großeltern waren ja auch im Haus, ungefähr gleichaltrig wie die Geschwister Ritz. Der Herr Ritz hat wohl nie das Stübel verlassen, saß immer auf dem Sofa Jahr und Tag. Haben sie denn überhaupt miteinander gesprochen? Ich glaube nicht. Meine Mutter, die Hausherrin, von den Eltern meines Vaters weder erwünscht noch gemocht, sie war ja auch einFremdling, und geredet wurde eh nicht viel. Und dann noch diese Not, der kleine Hof hat nichts abgeworfen, es gab nie genug Holz zum Heizen, Großvater und Vater mussten zusätzlich arbeiten gehen und die Frauen mochten sich nicht sehr und schon gar keine Fremden wollte man im Haus. Mein Vater schimpfte auch, wie alle, über diese „Flüchtlingsweiber“, vor allem die bei unseren Nachbarn, die sich Gänse hielten, die sie mit Kartoffeln stopften um ihnen dann, wenn sie fett genug waren, mit angeblich stumpfen Messern weißgottwielang die Krägen durchzusäbeln, langsam und qualvoll. Meine Güte, ja, grausig, und keiner hat aber was unternommen, vielleicht hätte ja mal wer das Messer schleifen können. Naja, aber das war halt so „bei denen“. Ach, die waren auch nicht schlimmer als der reiche Wirt, der als Metzger zum Nachbarn kam und die Schweine ewig schrieen, bis er sie endlich abgestochen hatte, diese Schreie verfolgen mich ein Leben lang.

Untereinander hatten sie anscheinend keinen Kontakt, die Verjagten. Ein gemeinsames Schicksal macht noch lang keine Freundschaften.

Heute sitze ich manchmal im Stübel im alten Haus und schau mir das Foto an vom Herrn Ritz und frage mich heute, erst heute, selber eine Alte werdend, wie es ihm denn so ergangen sein muß, was hat er gelesen, wer war er denn, von ihm weiß ich gar nichts, schade, ich sehe das Bild eines gepflegten alten Herrn mit gescheiten und ein wenig traurigen Augen. Seine Schwester konnte wenigstens das Zimmer verlassen, aber er, was hat er gemacht, die langen Tage und Nächte, an einem Ort, wo er hingejagt wurde und nur gezwungenermaßen geduldet? Nichts weiß ich, nichts, gar nichts. Geboren und gelebt haben beide in Neutitschein. Ein verblichenes Poesiealbum existiert noch, keinen hat es interessiert, ob ich meine Kinderkritzeleien dort hinein schmierte, sie hatten andere Probleme wahrscheinlich, wir mussten irgendwie überleben.

Ich zünde eine Kerze an im Stübel, dort, wo der kleine Tisch stand und der armselig geflickte Teppich lag, auf den Herr Ritz die Füsse in den peinlich sauberpolierten Schuhen stellte, sitzend auf dem Sofa. Heimat. Fremde. Heimat.

Längst sind alle Spuren verweht, auch wir werden verwehen über kurz oder lang und doch hänge ich jetzt endlich die Bilder der Verjagten auf hier in diesem alten Haus, wo sonst.

Heimat. Fremde. Heimat.

 

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Land in Sicht?

Noch kurz vor seinem Tod hat Günther Grass –  (er möge in Glückseligkeit in der ewigen Heimat wohnen!) – für Aufruhr in den Medien gesorgt, nur weil er sagte, daß schon einmal jeder Haushalt Flüchtlinge aufnehmen musste hierzulande, und es sei auch gegangen. Ausgelegt wurde es ihm dann, als hätte er gesagt, daß es eine Verpflichtung zur Aufnahme geben müsse – heute! Ja, da haben sich dann alle aufgeregt…ja, natürlich sind wir wieder mal sehr „betroffen“ über die ertrunkenen Flüchtlinge, ja, das tut uns natürlich sehr leid…und? Was weiter? Wessen Problem ist das? Und was sollen wir tun dagegen? Ich frage mich schon, warum eigentlich darüber kein Shitstorm ausbricht, warum rennen jetzt nicht Hunderttausende auf die Straße und schreien ganz laut? Warum fahren wir nicht mit unseren teuren Autos an die Küsten und sammeln sie ein, diese Ärmsten der Armen? Ja, allen tut es so leid, aber was ist denn die Konsequenz? Ich glaube, wir müssen sie kommen lassen, ja, alle! Alle, die es in ihrer Heimat nicht mehr aushalten und ich bin mir sicher, wenn diese Entscheidung getroffen ist, dann werden die Menschen nicht mehr armselig auf dem Meer verrecken. Ja, ich höre sie schon alle, wie sie von denen reden, die angeblich nur wegen unserer sozialen Leistungen kommen täten und weil es angeblich bei uns ein Schlaraffenland gibt! Meint Ihr denn, die Menschen geben alles auf, verlassen ihre Heimat, wissend, daß die Chance, halbwegs lebend an irgendein Ufer zu kommen verschwindend gering ist, nur, weil sie bei uns krankenversichert sind oder was? Diese EU, unsere reichsten Länder der Erde, versucht alles, um die Grenzen abzuriegeln und das Elend draussen zu lassen…aber es wird trotzdem angeschwemmt. Wir wollen nicht akzeptieren, daß es längst eine Völkerwanderung gibt, nicht die erste und nicht die letzte. Es kann monatelang in Arbeitskreisen, Gremien und was weiß ich alles gequatscht werden, Ursachenforschung betrieben und Analysen in jeder Richtung, TalkTalkTalk über alles…letztendlich, um dieser himmelschreienden Schweinerei von Schleusern und Konsorten, die alle auch noch viel Geld verdienen am Elend der dann doch krepierenden Menschen im Meer ein Ende zu bereiten, werden wir sagen müssen: wir nehmen Euch auf! Alle!

Ja, es wird große Probleme geben, ja, die Not , Traumatisierung, Heimatlosigkeit werden die Menschen nicht edler machen, ja, wir werden Menschen aufnehmen, die kriminelle Handlungen begehen, ja, wir werden uns voreinander fürchten, die einen vor der schwarzen Haut und schwarzen Augen und die anderen vor weißer Haut und blauen Augen und ganz sicher werden wir pro Haushalt irgendwann kein Geld mehr kriegen, um die Flüchtlinge unterzubringen und zu verköstigen, denn, wenn einmal die wirklich großen Massen kommen, dann wird es vielleicht sogar bei uns knapper mit dem Geld…aber wenn ich mich auf dem Parkplatz beim A… umschaue, wo mein Auto immer das mit Abstand kleinste ist, und ich mir oft denke: der vor mir geparkte Wagen, der wäre ein neues Hausdach und dann könnten wir auch noch dies und das reparieren am Haus…wenn ich dann die Wägen vor und hinter mir noch dazu täte, dann hätten wir eine Heizung und könnten sogar noch den Keller trockenlegen lassen…also, wenn pro Haushalt nur noch ein Auto da wäre, dann würde in vielen Fällen auch eine 30qm große, beheizte Garage frei und da könnten wir schon unendlich viele Flüchtlinge jahrelang beherbergen und verköstigen, nicht wahr?

Ich verdanke mein Leben einem sogenannten „Flüchtlingsweib“, wie man sie damals (und heute!) nannte. Meine Mutter hatte es noch relativ gut, wenn man ihr Schicksal vergleicht mit denen im Meer, wurde sie doch „nur“ mit unzähligen anderen sogenannten „Vertriebenen“ in Viehwaggons gepfercht und ins Nirgendwo hingekarrt unter Bedingungen und mit Erlebnissen, die sich lebenslang eingebrannt hatten…irgendwann gestrandet bei einem Bauern, der sie gezwungenermaßen aufnehmen und verköstigen musste. Dort wurde sie von meinem Vater entdeckt, der sich unsterblich verliebte in sie, die so anders war, und der sie dort herausheiratete und zu sich in ihre neue, zweifelhafte Heimat holte. Bald darauf kamen noch weitere Flüchtlinge, die unserem Haus zugeteilt wurden. Und so hauste man miteinander, in ziemlicher Armut und ohne Glücksgarantie. Ja, aber es ging auch irgendwie. Was ist das, „Heimat“? Das frage ich mich mehr denn je! Ist es nicht dort, wo endlich mal „Land in Sicht“ ist? Also, wir halten die Tür auf und werden sagen: „Seid willkommen!“ Natürlich hab ich auch Angst davor, mit so sehr fremden Menschen in unserem alten Haus, wie soll das gehen, ja, leicht wirds nicht, viele Mißverständnisse werden uns plagen, trotzalledem glaube ich, daß es nur so sein kann, wenn nur viele genug dafür eintreten, viele müssen wir sein und HEIMAT müssen wir anbieten.

 

…voll der Gnaden…

Gleich zwei Seiten Todesanzeigen in der Lokalzeitung. Januar/Februar sterben die Leute, die Weihnachten so grad noch überleben konnten.
Für kürzlich Verstorbene in der Nachbarschaft knie ich mit schmerzenden Beinen in der eiskalten Pfarrkirche und bete den „schmerzhaften Rosenkranz“, weil es halt so der Brauch ist. Ich muß aufpassen, daß ich mitkomme, denn obwohl in jüngster Zeit öfters gezwungenermaßen gebetet, verzähle ich mich bei den Stationen und muß deshalb auf meine Nachbarin hören, die kann´s. Insgesamt hört sich alles ein wenig wie eine Kakophonie an, die Vorderen sind langsamer, die Hinteren rennen davon, ich habe von früher einen monotonen Leiergesang im Ohr, das hörte sich zwar wenigstens synchron an, verstanden hat man aber auch nichts von dem, was da gebetet wurde.
Daheim im alten Haus in der Stube, mit den Knieen auf dem nackten Holzboden wurde an Weihnachten und an Lichtmeß auch der Rosenkranz gebetet, solang mein Großvater noch einigermaßen klar im Kopf war, als er „verkalkte“ haben sie den Brauch ganz schnell abgeschafft.
Ich sitze in der Kirche und es fällt mir ein, daß ich als Kind völlig ratlos war, was denn diese Zauberworte bedeuteten: „Gähgrisszeistdemariadubistvolldergnade – derherristmitdir, dubistgewehnedeitunterdenweibern – ungewehnedeitistdieFruchtdeinesleibesjesus“…vorallem diese unerklärliche „ungewehnedeitefruchtdeinesleibes“…lange, lange habe ich darüber gerätselt, was das wohl sein könnte und erst viele Jahre später habe ich begriffen, daß es natürlich keineswegs „ungebenedeit“, sondern „…und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus“ heißt!
„…heilige Maria, bitte für uns Sünder…“ ja, heilige Maria, da bist Du gelandet, denke ich, Du, die ehemalige Göttin sollst für uns was erbitten beim Alten und seinem Sohn dort oben, die sollen es richten, was bei uns schiefläuft…“jetzt und in der Stunde unseres Todes…“, ja vor allem, wenns ums Sterben geht, soll sie die unerbittliche Chefetage weichkochen für uns.
“ und laß ihn in Frieden ruhen. Amen. Vater unser im Himmel…“ aha, es geht eine Station weiter… Am Altarblatt heilige Abbildungen der wichtigsten Vorkommnisse, Adam und die sündige Eva mit der bösen Schlange und daneben gleich, weil Namenspatron der Kirche, der Hl. Georg, der blutrünstig und mit leidenschaftlicher Geste den bösen Drachen ersticht. Immer schon habe ich dieses Bild gehasst, noch nie habe ich geglaubt, daß der Drache wirklich böse ist. Und es ärgert mich heute immer noch, daß es nötig war, ihn abzuschlachten, wo doch meine Namenspatronin, die Hl. Margarete, ihn mit weicher Hand gezähmt hat und er an einem langen lockeren Band brav neben ihr hergetrottet ist…das Bild einer Frau, neben der die Urkraft tänzelnd einherschreitet, die sie also locker handhaben kann, die sogar mit ihr tanzt – nein, das war so nicht vorgesehen, da musste einer mit dem Schwert her, um es zu zerschlagen.
„…und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus, – der für uns gegeißelt ist worden ist…oje, ich hab ein „ist“ zuviel gebetet, so nämlich, wie es der Großvater immer gebetet hat. Und ich habe im Ohr, wie es geklungen hat, früher, in unserer Stube, als beim Beten auf dem Boden unser junger Hund Lumpi, ein kleiner, etwas bissiger Spitz, der halt auch mal wieder bei uns gelandet war, weil ihn sonst niemand haben wollte, den schafwollenen Socken vom Opa als Spielzeug ins Maul nehmen wollte und ihm deshalb ständig in die Zehen biß: „der für uns gegeißelt ist worden ist..Herrgotsakramentkruzifix, beißt mir der Hundskrüppi an Söcki(Socken) eini…gägriszeistemariadubistvolldergnade…“!

„…Herr, gib ihm die ewige Ruhe…“ – an was die anderen wohl alle grad denken? Mir fällt „Das Buch des Vaters“ vom geliebten, viel zu früh verstorbenen Urs Widmer ein und daß ich ihn so gern gefragt hätte, ob es das Dorf des Vaters irgendwo in den Schweizer Bergen tatsächlich gegeben hat, wo vor jedem Haus ab Geburt der Sarg stand, solang, bis er gebraucht wurde, vor manchen Häusern aufgestapelt viele Jahrzehnte viele Särge…was für ein wunderbares Buch, vorne drauf das Bild von Heiri Strub vom Vater Walter Widmer, mit dem ich mich gleich so seelenverwandt fühlte…diese Bücherstapel überall…ach, was für eine Geschichte, was für ein Erzähler, mein Herzensdank hinauf zu den Sternen…“und das ewige Licht leuchte ihm…“ja, Ihnen lieber Urs Widmer, Ihnen möge es auch leuchten in alle Ewigkeit…!

„…der für uns gekreuzigt worden ist…“ – aha, das letzte Kapitel muß noch abgebetet werden und dann kommt noch das Glaubensbekenntnis, wo wieder alle „die heilige, katholische Kirche“ beten werden und nur ich laut „christliche Kirche“ sagen werde und natürlich wieder alle schauen. Bin ich in dieser Kirche daheim? Wenn Erinnern auch eine Art Heimat ist, dann schon, aber ich fühle mich nicht zugehörig und leide unter Einsamkeit, da hat sich nichts in den letzten 5O Jahren geändert, auch damals fühlte ich mich schon einsam, als beim Kommunionsunterricht vom Pfarrer gesagt wurde, daß die Oblade der Leib Christi sei und man ihn keinesfalls kauen durfte und mir dann bei der Kommunion der Leib Christi am Gaumen festpappte und ich mir nicht zu helfen wusste, wie ich ihn denn da wieder runterbringen sollte, denn mit dem Finger am Leib Christi herumkratzen war unter Androhung von Sünde strengstens verboten. Was mache ich hier, in dieser Kirche? Hinter mir der Beichtstuhl, in dem man so unerklärliche Fragen abarbeiten musste wie „Unkeusches gedacht“, ohne überhaupt zu wissen, was denn das überhaupt war, dessen man sich schuldig gemacht hatte.
Und draussen das Familiengrab, eisiger Schneewind.
Ach ich weiß auch nicht. Ein Satz ist mir aus dem Wenigen, das mir meine Mutter hinterlassen hat in Erinnerung geblieben, sie sagte, ich solle niemals denen glauben, die sagen, daß Gott in der Kirche wohnen würde! „Er ist in den Margariten!“ – sagte sie. Ich bin geneigt, ihr zu glauben.

Kutz-kutz

In den fiebrigen Nächten, in denen ich mit verstopfter Nase und schmerzhaftem Kutz-kutz wachliege, lese ich mich an einem Ort ein, auf den gottlob Tikerscherk aufmerksam machte: Stattkatze… ein rarer, zauberhafter Ort der Poesie, von einer (?) die schreiben kann! Ich glaube, das da eine schreibt, weil sie sonst nicht existiert. Ohne Likes, ohne Kommentare, unaufgeregt und leise.

Ein weißer Ort, von Krähen beflügelt, diese wundersamen, hochintelligenten Geschöpfe!

Mancherorts wird mit schrecklichen , grausamen Methoden versucht, sie zu vertreiben, weil sie Krach und Dreck machen, angeblich! Komisch, soweit sind wir jetzt schon, daß man Krähen ausrotten will, weil sie krächzen, Autos sind ja leise und sauber, nicht wahr  und jetzt kriegen ja plötzlich auch die Störche und die Wildvögel Schuld an Grippeepidemien zugeteilt…in verschiedenen Zoos sind schon Störche getötet worden, daß vielleicht auch Menschen mit ihrer Massentierhaltung  da mitgestalten, da wird anscheinend nicht viel nachgedacht darüber, irgendwie ist alles schon zum Verzweifeln!

Die Schreiberin der Stattkatze sagt so in etwa: wenn man wissen will, was wirklich ist, dann muß man es um vier Uhr in der Früh betrachten, da ist alles am Schonungslosesten, ja, da hat sie Recht!

Um diese Zeit gehen im alten Haus die Ahninnen herum, ich höre das Geräusch, das die schweren Leinengewänder machen beim Gehen, treppauf, treppab, das Blut von den Geburten noch kaum getrocknet an den Schenkeln, da werden Eimer geschleppt zum Waschen der Verstorbenen…treppauf, treppab, Suppe hinauf zu den Alten, angespuckt wieder hinunter, manch eine war nicht erwünscht…Kindergeschrei…früher waren die Kinder unglücklicher als heute, heißt es immer…es tat immer was weh, die Nahrung machte Bauchweh usw.

Schneeflocken fallen, mein Kopf ist so trübe wie das Wetter. Draussen ließ sich vor ein paar Tagen auf der Wiese oberhalb des Hauses ein großer Schwarm zeternder und krächzender Krähen nieder, sie staksten herum in ihren glänzenden schwarzen Federkleidern und machten einen Mordsremmidemmi und so plötzlich, wie sie gekommen waren, verschwanden sie wieder, der graue Januarhimmel hat sie sofort verschluckt.

Baum gefallen…

Baum gefallen, Schnee gefallen, Äste,

der Schnee ist schwer, Wunden im Stamm – da sehe ich sie liegen

die Toten, dort im Schnee liegen die Toten, bluten die Wunden.

Blutig die Stirne aus knorrigen Fingern tropfen die Knospen, verdorrt die Zeit, mit Eiszapfen bleibt sie in meinen Augenwinkeln stecken und so schreibe ich an gegen den Tod. „Ach was!“ sagt der Tod und lacht.

Der Zeit ihr Federkleid.

Glaube nicht an die Ordnung der Stäbe.

Verschwommen die Gründe der Verzweiflung.

Was krümmt sich beizeiten in den Adern der Wege, im ZwischenRaum der Äpfel? Die Äste fallen vom Baum, tote Haare, wer möchte nisten darin? Nein, was einmal vom Baum gefallen ist – kein Weg zurück und wenn du noch so lang liegen bleibst im Schnee nahe am Stamm – geschnitten wirst du und aufgeschichtet, aufgeräumt und weggeräumt.

Die Katze geht in meinen Fußstapfen hinter mir her.

Ich halte dem Raben einen Spiegel hin, er sieht nicht hinein. „Rabe – Totenvogel“ sage ich. „Blödsinn!“ sagt der Rabe und fliegt weg.

Der Tod gleitet über das schneeweiße Leichentuch unsichtbar und wem er zu nahe kommt, der verschwindet – löst sich auf und niemand weiß wann und wo

„Der Tod, das seid ihr doch selber, nicht irgendwer da draussen“, sagt es in mir.

„Du als Seherin müsstest das doch wissen!“ „Zu sehen heißt noch lange nicht, zu wissen!“ sage ich

„Schau dich doch an – hinter deinem Gesicht die Augenhöhlen, die leeren, und dahinter: Staub

Staub zu Staub“

„Aber“ sage ich, „meine Augen blauen doch noch!“

„Noch, was heißt das?“ sagt es in mir.

 

Der Leib der Buche liegt hingestreckt im Schnee. Wurzelintimität, entblöst und schutzlos. Ich streiche über die glatte, kalte Haut, unheimliche Wesensverwandtschaft beschämt mich. Werde ich auch dereinst so daliegen…dieser kühle vertraute Leib, in meinen Augen bilden sich Seen…

„Verschwinde von hier!“ krächzt die Wilde Trude, rittlings sitzt sie in der Krone.

„Hau ab! Laß mich allein mit ihr!“ Aus ihren Brüsten tropft das Harz. Wie Schösslinge kriecht es aus ihrem Unterleib hervor…schwarze, funkelnde Rabenaugen…

Ich laufe

Davon

Hinab

Durch den

Schnee durch

Den ächzenden

Wald

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Capricornus

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Eine fahle Sonne scheint durch ein Loch im grauen Himmelsbeton.

Steinbockzeit, karge Zeit. Alles ist nach innen gerichtet, dort sammeln sich die Kräfte, angeblich. Im Außen ist Januar, ein unentschlossener Winter haut tonnenweise Schnee her und leckt ihn dann mit Regengüssen und Föhnstürmen schnell wieder weg. Die Welt zeigt ihr wahres Gesicht, das, was später unter Blumenfluten und Dekoartikeln versteckt wird, kahle Häuserfronten zeigen sich ehrlich und scheußlich und entlarven somit  jeden Versuch, was besseres draus zu machen, als Lug und Trug. Um das alte Haus herum führen Igelspuren, die anzeigen, daß ein Igel immer alles gleichzeitig macht: Essen und kacken, essen und kacken, am meisten natürlich um die Katzenschüsseln herum.

Im Winter zeigt das Haus all seine Wunden und Verletzungen, überall hat es Risse und bröselt vor sich hin, die Jahrhunderte zerreissen das Holz, machen das Dach undicht, treten die Schwellen schief und blasen durch die geschlossene Haustür den Schneewind herein. Da liebe ich das Haus am meisten, wenn es in dieser schonungslosen Wahrhaftigkeit diese verletzte Schönheit zeigt und dadurch auf die Endlichkeit aller Dinge hinweist.

Mit starken Mauern fest auf dem Boden stehen, aber auch die Grenzen zu kennen. Ist das nicht auch die Steinbockqualität: Diese mächtige, zähe Kraft, die unter schwierigsten Bedingungen überleben läßt, die wie ein Fels den Naturgewalten trotzt, sogar der Zeit? Ja, eine Offenbarung, aber nur für diejenigen, die mutig genug sind, dem Leben ins Gesicht zu schauen. Genau hinschauen auf das, was angepackt werden muß, das sagt Steinbocks Herrscher Saturn,  Herr der Zeit, alter Weiser, Eremit.

Ja,ja, so Vieles schiebe ich hinaus und vor mir her, alles was mich ängstigt und das ist eh fast alles. Du mußt hinschauen, sagt Saturn zu Steinbock und du trägst eine schwere Verantwortung, du mußt das Wesentliche erkennen.

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Ach, aber ich bin kein Steinbock und ich haue ab vor dieser Verantwortung, meine Güte, was ist denn nur das Wesentliche, jetzt bin ich so alt geworden und weiß es immer noch nicht. Ich denke an das Märchen von der Baba Jaga, das ist eine Uralte, Grausige, die lebt im Wald und ihr Haus steht auf einem Hühnerknochen und sie kann Menschen versteinern lassen und ihr heilendes Licht können nur die bekommen, die durch harte Prüfungen gehen und Mut haben. Komisch, trotz aller Schrecken ist mir die alte Baba Jaga sympathischer als dieser strenge Herr Saturn.

Und dann sehe ich diesen majestätischen Steinbock, der ganz oben in den Bergen auf einem Felsenvorsprung steht und sich nicht bewegt, schaut, steht und schaut. Dort oben am Rand der Vegetation ist sein Reich, mühsam und karg, aber dort oben wachsen auch die Kristalle im Verborgenen.

Bevor ich endlich mal das erledige, was ansteht, nämlich, das Haus zu putzen und etliche sehr gefürchtete Untersuchungen über mich ergehen zu lassen, fällt ein Buch von Jan Costin Wagner aus dem Regal: „Eismond“, und ich gerate in den Sog der Geschichten um Kimmo Joentaa, dem jungen melancholischen Polizisten in Finnland und nach Ausschlürfen des vierten Buches habe ich eine Art Dejavu, ich sehe mich in diesem Haus sitzen und lesen, eintauchen in Geschichten und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich wieder nichts von dem erledigt habe, was ansteht und trotzdem in den Büchern verschwinde…so, als wären nicht fünfzig Jahre vergangen…so, als hätte ich das Buch gar nicht aus der Hand gelegt…

Was ist das Wesentliche?  Was bleibt denn übrig zum Überleben in diesem Mysterium von Zeit und Materie, wenn wir alle tauben Nüsse aussortiert haben?

Auf einmal brennt der Himmel!

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Liebe?

Also, ich kann nichts mehr sagen zu diesem Blutbad außer: „Je suis Charlie!“ Natürlich, was sonst?

Und ich ziehe den Hut vor Tim Wolff, Chefredakteur der „Titanic“, der auch auf die blödesten Fragen, obwohl sicher auch bis ins Mark erschüttert, sagt, was er denkt und souverän seine Haltung wahrt auch im Angesicht von Mord und Verderben.

Die „Zutaten“ solcher Massaker sind doch immer die gleichen: Man nehme ein paar Jugendliche ohne Zukunftsperspektive, möglichst solche, die eh schon von schlagenden Vätern oder sonstigen Grausligkeiten traumatisiert und entmutigt sind, lasse sie wahre Abenteuer erleben, hetze sie auf und sage ihnen, sie wären ganze Kerle, wenn sie irgendwelche Mutproben erledigen würden…wie leicht das geht, wissen alle, die schon mal mit Jugendlichen gearbeitet haben. Im Hintergrund gibt es natürlich die, die sich nie die Hände schmutzig machen, die gab es schon immer und sie hatten und haben immer leichtes Spiel. Dann braucht es nur noch ein paar Waffen (wo die bloß immer herkommen?) und schon wird losgeballert. Und eine Parole, und da könnten wir uns erinnern, in welchem Blutrausch mit Millionen abgeschlachteter und verbrannter Menschen im Namen Jesu sich das Christentum hervorgetan hat, jahrhundertelang!

Ach, wer glaubt denn das alles noch immer? Es geht doch niemals um Gott, weder da noch dort noch sonstwo, es geht immer nur um Macht, Gewalt, Herrschaft, oder etwa nicht? „Gib mir das, was ich will, sonst erschlag ich dich!“ So einfach ist es doch.

Nein, dieser ganze Hass ist von Menschen gemacht, keine Gottheit hätte sowas nötig; Sammelmappe hat dies sehr treffend auf den Punkt gebracht.

Alle bedeutenden Weltreligionen haben doch die Liebe im Zentrum.

Wo kommt denn dieser Hass her, ist er denn der  vergebliche Kampf um Liebe? Oje, wohin gerate ich da…?

„Vorgänge zu schwierig zu erklären“, sagt Rafik Shami in seinem Buch: „Harun und das Meer der Geschichten“.

Ja, und die sogenannten Hinterbliebenen, denen es vor Schmerz das Herz zerreisst, was fragen die sich?

Untenstehend ein Aufruf, die, die noch nicht unterschrieben haben, sollten es tun für uns alle!

https://secure.avaaz.org/de/aufstehen_gegen_pegdida_loc/?dfczffb

 

Wohin gehen wir?

Sherry hat mir erlaubt, von ihrem wunderbaren Herz im Kopf Blog nachfolgenden Text hier zu veröffentlichen. Jetzt, ein paar Stunden vor  dem Silvesterspuk möchte ich diese Worte  dankbar und beschämt auch an Euch weiterreichen, laßt sie uns immer wieder genau lesen und ins Neue Jahr mitnehmen!

Appell

Kleine dunkeläugige Kinder haben Angst. Sie fragen ihre Eltern, ob sie nun weg müssten. Auch wir haben ein ganz mulmiges Gefühl, das Selbe, das wir hatten, als wir uns damals, als wir nach Deutschland kamen, mit dem Nationalsozialismus beschäftigen mussten. Der Lehrplan erforderte all die tragischen Biografien, die Entwicklungen menschlicher Interaktion und Beeinflussung, wie es mit kleinen Vorurteilen begann und wie schnell daraus Hass wurde. Wie schnell dieser Hass zum schweigenden Abnicken größter Verbrechen wurde. Auch damals schwieg man, weil viele dachten, Nachbar Meyer würde all das auch für richtig halten, also musste es richtig sein.

Im Moment wissen viele meiner Freunde und Kollegen nicht, wie wir uns fühlen. Sie selbst neigen dazu, diesen “Haufen Irrer in Dresden” nicht ernst zu nehmen. Aber fünfzehntausend, das ist nicht nur eine abstrakte Zahl, das ist eine Menge, in der man untergehen kann. Sie verstehen noch nicht, dass wir uns nicht verstecken können. Wir sind stigmatisiert mit schwarzen Haaren und dunklen Augen. Eigentlich schöne Merkmale. Doch in den letzten Tagen habe ich kurz gedacht, um wie viel sicherer das Leben wäre, hätte ich doch blonde Haare, helle Haut und blaue Augen. Damals dachte ich nur, um wie viel leichter es wäre, heute um wie viel sicherer.

Wer denkt, ich würde übertreiben, muss erst einmal wir sein; muss erst einmal erfahren, wie es ist, zu einer Minderheitengruppe zu gehören, die nun und immer wieder als Zielscheibe dient. Es gibt viele deutsche Freunde, die stellen sich vor uns und gegen sie. PEGIDA-Demos in NRW (Bonn, Düsseldorf) konnten gar nicht angetreten werden, weil die Gegendemonstranten sie um Weiten überboten. (Danke …) Und dennoch ist Dresden nicht weit genug weg, und braunes Gedankengut überall im Netz verbreitet. Die, die noch immer dazu schweigen, weil sie vielleicht nicht wissen, was sie sagen sollen, denen die Formulierung schwer fällt, weil ihnen die Wut den Rachen stopft oder die ihre Blogs nicht mit widerlichem Gedankengut beschmutzen möchten, würde ich gerne etwas mitteilen: Ja, ihr habt das Recht, eure Blogs und Medien frei von Schmutz zu halten, euch nicht mit allzu negativen Dingen in jedem Raum eures Lebens zu belasten. Aber ihr habt ein weitaus mächtigeres Mittel in der Hand, als ihr denkt: Ihr könnt anderen vermitteln, was das Richtige ist, ihr steckt die bereits vorhandenen ähnlichen Gedanken an, ihr zündet sie quasi an wie Fackeln, die in ihrer Mehrzahl mehr Licht spenden als allein und ungeäußert. Ihr zeigt, dass ihr präsent seid. Wenn wir ruhig bleiben (so wie viele Migranten gerade übrigens), dann denken PEGIDA, Ihr und wir Migranten, dass sie in der Mehrzahl sind. Dass sie Recht haben und dass ihr alle hinter ihren Rücken steht. Wenn ihr kein Wort über diese Vorfälle verliert, trotz dass wir zusammen in einer Schulklasse saßen und gelehrt bekommen haben, wie schnell ein Vorurteil zu einer staatlich gewollten Massenhinrichtung führen kann, dann stärkt ihr diese wütendenden Anti-Alles-Menschen, weil sie denken, sie hätten keinen Widerstand und würden lediglich die geheimen Gedanken der meisten Deutschen mit ihren Taten und Parolen Luft verschaffen. Sie fühlen sich als Helden und Pioniere, die euch im Geiste an der Hand halten und vertreten.

Ich bin kein Mensch, der irgendwen zu irgendetwas drängen möchte. Niemand von euch muss sich für seinen liebsten Dönerverkäufer einsetzen, oder für die Klassenkameraden seines Sohnes oder für die beste Freundin seiner Tochter oder der Nachbarin, aus dessen Küche es so exotisch und lecker riecht und die euch ab und an etwas mitbringt von ihren Köstlichkeiten – niemand muss das. Aber wenn ihr euer Medium nicht nutzt, um wenigstens ein einziges Mal Stellung zu beziehen oder ein Gedankengut zu verbreiten, das eurem am nächsten ist, dann werdet ihr euch das verdammt nochmal vorwerfen, wenn wieder ein Asylantenheim brennt – und wenn alles, was darauf folgt, ein Déjà vu dessen ist, was eure Großeltern euch erzählt haben. Teilt meinetwegen nur diesen Artikel, wenn das Schreiben euch gerade noch schwer fällt, weil die Scham schwer drückt oder die Wortlosigkeit hemmt. Er erzählt von der Angst und von der Sorge eurer (ausländischen) Mitmenschen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Leute damit durchkommen, wenn sie sagen, dass die Mehrheit der Deutschen hinter ihnen stünde. Wenn wir schweigen und sie immer mehr davon überzeugt sind, all das im Sinne des “deutschen Volkes” zu tun, wird ihre Bewegung nicht mehr zu stoppen sein. Sie schreien jetzt schon wie die aufgescheuchten Hyänen: “Wir sind das Volk”. Damit meinen sie auch jeden, der dazu schweigt. Also hört auf zu schweigen.

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Ich wünsche allen, die mich hier, „zwischen Himmel und Erde“ besuchen, ein wunderbares Neues Jahr 2015! Ich danke Euch allen von Herzen für Eure freundlichen Kommentare, Eure hinterlassenen Likes und für das Wahrgenommenwerden!

Mögen die Schmerzen ein wenig leichter werden, die Krankheiten besser zu ertragen , mögen wir uns trauen, uns aufzuregen und das Maul aufzureissen, wenn es nötig ist! Und möge das Feuer in unseren Herzen nie, niemals verlöschen! Ich zünde eine Kerze an für Euch, für mich und alle Wesen um uns herum, die sichtbaren und die unsichtbaren! Ich schicke Grüsse hinauf zum Himmel, mögen sie als Sternenstaub auf Euch herabregnen!