Archiv der Kategorie: 24 T (reloaded II)

T.2 der Mutmaßungen über die L.i.e.b.e.

Obwohl es schon Anfang Dezember ist, sitzt sie draussen vor der Raststätte an der Salzburger Autobahn in der Sonne und lehnt mit dem Rücken an der warmen Wand.

Sie liebt diese Orte des „Dazwischen“, ein kurzer Stopp in der Bewegung, ein wenig Innehalten bevor es weitergeht auf der Straße…eine Art Niemandsland für Gestrandete. Den Kaffee trinken, den Blick auf die Berge gerichtet, dahinter den Süden ahnend, das Meer…und wenn die Sehnsucht kommt, die Augen schließen und ein wenig dahindämmern, im Ohr die Stimmen und Geräusche der Menschen, die kommen und gehen.

Vor ein paar Jahren war sie hier schon mal gesessen, in der Wärme eines Herbstabends, müde von der Fahrt und von ein paar schweren Gedanken und sah der Sonne zu, die in Zeitlupe hinter den Bergen verschwand. Es saßen nur mehr wenige Menschen hier draussen, bald würde es abkühlen. Anscheinend hatte sie geschlafen, denn als sie die Augen aufschlug, war es dunkel und kühl und noch bevor sie überlegen konnte, woher dieser leise Geruch nach Orangen…nein, eher Grapefruit kam, bemerkte sie die Hand auf ihrer rechten Brust. Sie lag einfach nur ruhig da, diese ziemlich große Hand, gebräunt und die Fingernägel sehr kurz geschnitten und neben dieser Hand, irgendwo zwischen Schulter und Brust lag ein Kopf. Das Gesicht konnte sie nicht gut erkennen, sie sah nur sehr sorgfältig gescheitelte braune Haare, …und sie sah auf ihrer Bluse den Fleck, den ein dünner Speichelfaden hinterließ. Dieser angenehm warme und würzige Geruch…sie wagte es nicht, sich zu bewegen, um den Schlaf nicht zu stören.

Blaugrüne sehr müde Augen sahen sie an und eine leise Stimme sagte: “ Bitte verzeihen Sie, ich kann so lange schon nicht mehr schlafen, aber ich wusste, hier auf Ihrer Brust würde es gehen.“ Und dann lächelte ihr dieser schöne Mund entgegen und ihr Mund lächelte zurück und so saßen sie eine kleine unbestimmte Zeit und immer noch lag diese warme schöne Hand auf ihrer Brust.

Auch heute lächelt sie, weil sie diese Stimme im Ohr hat, die damals sagte: „Bitte kommen Sie mit mir,  wenn ich meinen Kopf auf ihre Brust legen darf, dann kann ich endlich wieder eine Nacht schlafen, ich weiß es sicher!“  Und sie hinterließ einen Zettel mit Namen und Zimmernummer und dann stand sie auf, diese schöne müde Frau und verschwand.

Sie bezahlt und dann bleibt sie noch ein wenig sitzen … wo sie wohl heute sein mag, die schlaflose Fremde? Und ihr ist fast, als spürte sie die große warme Hand, die so weich auf ihrer Brust lag und diese so müden Augen, deren Farbe ein Türkis hatte wie das Meer in der Bucht dieses kleinen Seeräuberdorfes auf dieser winzigen Insel…und dieser Geruch von Grapefruit, sie liebt ihn sehr seitdem, diesen Duft.

Sie ist damals nicht der Fremden aufs Zimmer gefolgt.

Schade eigentlich, denkt sie, als sie ins Auto einsteigt und weiterfährt.

Ja, sehr schade.

 

 

T.1 der Mutmaßungen über die L.i.e.b.e.

Wie ich hier wohl einen Einstieg finden soll in so ein Thema, frage ich mich, die ich mittendrin im Chaos am Rechner sitze und eigentlich Vanillekipferl backen sollte, die Katzen füttern, die anscheinend nichts anderes mehr tun als fressen, die Frage beantworten, warum ich schon wiiiiieder alle Hosen gewaschen hätte und der wunderbare aber unzureichend betreute Herr Graugans ja jetzt nichts zum Anziehen habe…eine Baustelle im Haus, raschelndes Geschenkpapier allerorten, Geheimniskrämerei überall auf dem Boden verteilt und im Ohr die ansonsten ganz passable Altherrenband in der Nachbarschaft , die sich im Probenraum grade lautstark an „Nutbush City Limits“ vergreift…oje, dann folgend an „Angels“ von Robbie Williams, nicht auch noch das, da reicht der Resonanzboden des Sängers nicht…

Und jetzt was sagen zur Liebe. Geht das denn überhaupt? Was tät es da geben, was nicht schon gesagt wurde?

Im Duden stehen so Platitüden von „Gefühl des starken Hingezogenseins“ zu einem Menschen, einer Sache, einer Idee …Substantiv feminin, jaja.

Wer kann schon wissen, was das ist: „Liebe“. Niemand weiß, wo sie herkommt, aber alle merken, wenn sie da ist, denn auf einmal wird alles so weich, die Knie geben nach, die Augen glänzen und fangen plötzlich an zu tropfen ohne Grund, und durch das weit offene Herz flutet die Erkenntnis, als Teil des Großen Universums den Gesang der Sterne zu hören und mit ihnen zu tanzen…

Die Liebe tut was sie will, läßt sich weder herbeiwünschen noch festhalten, und sie bleibt immer hundertprozentig, auch wenn sie sich verströmt…und das ist ein Geheimnis.

Im wunderbaren Buch: „Wie wir begehren“ von Carolyn Emcke, das ich gerade mit großer Freude lese finde ich folgende Worte:

„…so wie Liebe sich nicht beschließen lässt und jede Begründung, warum man einen Menschen liebt, jede Erklärung, die mit Eigenschaften der Geliebten auffährt, mit Beschreibungen von Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten , immer nur nachgeschobene Gründe bleibe, nur Illustrationen oder Symptome der Liebe, so wie die Liebe im Kern grundlos bleibt, eben weil sie geschieht, weil sie einen einnimmt, weil sie den Grund in sich selbst trägt, mit sprachloser Evidenz…“

Könnte Liebe also ein Geschenk sein, das sich weder fordern noch ablehnen lässt?

Laßt unsere Gedanken ausschweifen und Mutmaßungen anstellen in den nächsten Wochen. Und ich zünde eine Kerze an für uns alle, möge sie auch in unsere Herzen hineinleuchten…während hier jeden Tag eine neue Tür aufgeht…

Habt eine gute Zeit!