Baum gefallen…

Baum gefallen, Schnee gefallen, Äste,

der Schnee ist schwer, Wunden im Stamm – da sehe ich sie liegen

die Toten, dort im Schnee liegen die Toten, bluten die Wunden.

Blutig die Stirne aus knorrigen Fingern tropfen die Knospen, verdorrt die Zeit, mit Eiszapfen bleibt sie in meinen Augenwinkeln stecken und so schreibe ich an gegen den Tod. „Ach was!“ sagt der Tod und lacht.

Der Zeit ihr Federkleid.

Glaube nicht an die Ordnung der Stäbe.

Verschwommen die Gründe der Verzweiflung.

Was krümmt sich beizeiten in den Adern der Wege, im ZwischenRaum der Äpfel? Die Äste fallen vom Baum, tote Haare, wer möchte nisten darin? Nein, was einmal vom Baum gefallen ist – kein Weg zurück und wenn du noch so lang liegen bleibst im Schnee nahe am Stamm – geschnitten wirst du und aufgeschichtet, aufgeräumt und weggeräumt.

Die Katze geht in meinen Fußstapfen hinter mir her.

Ich halte dem Raben einen Spiegel hin, er sieht nicht hinein. „Rabe – Totenvogel“ sage ich. „Blödsinn!“ sagt der Rabe und fliegt weg.

Der Tod gleitet über das schneeweiße Leichentuch unsichtbar und wem er zu nahe kommt, der verschwindet – löst sich auf und niemand weiß wann und wo

„Der Tod, das seid ihr doch selber, nicht irgendwer da draussen“, sagt es in mir.

„Du als Seherin müsstest das doch wissen!“ „Zu sehen heißt noch lange nicht, zu wissen!“ sage ich

„Schau dich doch an – hinter deinem Gesicht die Augenhöhlen, die leeren, und dahinter: Staub

Staub zu Staub“

„Aber“ sage ich, „meine Augen blauen doch noch!“

„Noch, was heißt das?“ sagt es in mir.

 

Der Leib der Buche liegt hingestreckt im Schnee. Wurzelintimität, entblöst und schutzlos. Ich streiche über die glatte, kalte Haut, unheimliche Wesensverwandtschaft beschämt mich. Werde ich auch dereinst so daliegen…dieser kühle vertraute Leib, in meinen Augen bilden sich Seen…

„Verschwinde von hier!“ krächzt die Wilde Trude, rittlings sitzt sie in der Krone.

„Hau ab! Laß mich allein mit ihr!“ Aus ihren Brüsten tropft das Harz. Wie Schösslinge kriecht es aus ihrem Unterleib hervor…schwarze, funkelnde Rabenaugen…

Ich laufe

Davon

Hinab

Durch den

Schnee durch

Den ächzenden

Wald

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4 Gedanken zu „Baum gefallen…

  1. Starkes Stück Text, finde ich. Am besten gefällt mir „meine Augen blauen doch noch“.
    Bildersprache, wie ich sie liebe.
    Es laufen Tier- und Menschenfilme an im Kopf…
    Gruß ins Gänsegrau

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