# 77 Ein strenges Geschäft.

„Nun ist Einsamkeit an sich schon ein strenges Geschäft.“  (Andreas Glumm)

Mit dem heutigen Beitrag, der die magische Zahl 77 trägt, beenden die Kraulquappe und ich unser Projekt des Schreibens überkreuz. Kaum zu glauben, aber wir machen das jetzt schon über eineinhalb Jahre! So nervig wie das oft war, daß wir praktisch auf Knopfdruck schreiben mußten, so sehr hat es auch für das Schreiben Struktur und Disziplin gebracht. Wir haben uns sozusagen zu einer Disziplin verpflichtet. Aber irgendwann ist es halt auch wieder vorbei, so ein Projekt. Es war ein wundervoll unkompliziertes Zusammensein mit der lieben Kraulquappe, in absolut freier und doch verbundener Arbeit, ein geglücktes und glücklichmachendes gemeinsames Tun.

Und wie das nach jedem erfolgreichen Projekt halt so ist: ich bin froh, wenn die gemeinsame Verpflichtung weg ist, aber gleichzeitig gerate ich in eine Art wehmütige Leere und bin erstmal mit meiner Einsamkeit alleine, wie immer, wenn das Alte weg ist und das Neue noch nicht in Sicht. Vielen lieben Dank an die mutige Kraulquappe, die sich einfach so in dieses Projekt reingeschmissen hat. Wir bleiben uns gewogen und in Verbindung, eh klar, schaumamal, was die Zukunft so bringt. Jetzt heißts erstmal:
Aus is und gar is und schad is, daß wahr is.

Ich wollte mir heute den letzten Bundestag vor der Wahl anschauen, hab es aber nicht lange ausgehalten, die Gemeinheiten, die Häme, die Hetze, dieser offene Haß und der spürbare gegenseitige Vernichtungswille, all das, was man sich gegenseitig an den Kopf warf … keine Spur von Freundlichkeit und Zuversicht, nach der Wahl, wenn auch nicht gleicher Meinung, so doch in die gleiche Richtung blickend die Regierung zu gestalten, sondern nur Gehacke. Unglaublich. Nur wenige behielten die Fassung, einer davon Robert Habeck, der in seiner Rede ruhig blieb und das sagte, auf was es ihm ankommt und sich nicht dazu verleiten ließ, trotz der Ärgernisse Stil und Kinderstube zu verlieren. Ich schätze ihn sehr, und das, was er sagt und was er tut und auch seine Partei entspricht  sehr  meinem Denken und ich fühle mich absolut gut von ihnen vertreten. Fehler gestehe ich zu, es sind Menschen.

Jetzt wird es wohl nochmal ziemlich schlimm werden in den nächsten eineinhalb Wochen. Mit dem ganzen Geschimpfe und dieser ewigen Kritisiererei und diese andauernden Schuldzuweisungen mag ich nichts mehr zu tun haben, ich habe schon gewählt in Respekt und Achtung vor denen, die mich im Bundestag vetreten sollen und im Vertrauen darauf, daß sie ihr Bestes geben.

Und überhaupt mag ich nicht ständig darauf warten, daß der Staat alle Probleme löst, der Staat sind wir selbst und wir müssen halt die Hände aus den Hosentaschen nehmen und selber was tun, und es gibt viel zu tun für jede n von uns. Wir können uns organisieren und in die Altersheime gehen, und uns um das Wohlergehen der dort Vergessenen kümmern, um die Kinder, die keiner braucht und die in den Heimen verlorengehen, wie die Tiere in den Tierheimen oder wenn wir einfach zum Nachbarn gehen, der seine kranke Frau pflegt und kleine Kinder hat und in die Arbeit gehen muß … was wäre dabei, zu sagen: ich habe Zeit, was kann ich tun?

Jedesmal, wenn ich im Altersheim bin, denke ich mir, daß sich über kurz oder lang das Heim verändern täte, wenn wir viele wären, die sich um Menschen kümmerten, auch wenn sie ihnen erstmal fremd sind … “ es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ … ist es nicht so, immer noch und immer wieder? Es wurde mir schon oft vorgeworfen, ich sei so eine arme irre unverbesserliche Humanistin, so würde es auf der Welt nun einfach nicht funktionieren.  Niemand kann aus seiner Haut, ich auch nicht und wenn ich ein paar Leute finden täte, die mitmachen, dann würde ich so eine Art Besuchskreis gründen für alle Einrichtungen, in denen lebende Geschöpfe verlorengehen … ich habe schon so viel gegründet in meinem Leben. Mit manchem bin ich jämmerlich bis grandios gescheitert, aber mancherort habe ich Spuren hinterlassen, immerhin, und direkt verloren war kein Versuch, die Welt zumindest ein bisserl zu einem besseren Ort zu machen, auch wenn in meinem löwischen Größenwahn immer die Komplett – Rettung geplant war.

Oje, es ist schon weit nach Mitternacht, das Dorf schläft lange schon, nur bei mir ist noch Licht. Allen, die grad verzagt sind oder einfach einen schönen und liebenswürdigen Film sehen möchten, der leicht und hell ist und doch Seelentiefe hat, ich hab ihn heute zum fünften Mal angesehen und werde es sicher noch öfters tun:

„Glück auf einer Skala von 1 bis 10“  ist der Titel des franz./schweiz. Films , er läuft noch bis zum 3. März auf auf ARD – Mediathek!

„Es war mild, der Kaffee hatte mich aufgewärmt, und durch die offene Tür drang ein Duft von Nacht und von Blumen.“   ( Albert Camus: Der Fremde)

 

Und hier schreibt die Kraulquappe

 

19 Gedanken zu „# 77 Ein strenges Geschäft.

  1. Jede Woche hab ich mich auf eure leidenschaftlichen, klugen und warmherzigen Berichte und Plädoyers gefreut, sie immer gern gelesen und mir meine Gedanken dazu gemacht. Schade, dass es vorbei ist. Danke an euch beide dafür! 🧡🥀
    Dunkle Morgenkaffeegrüße 🌬️❄️🛋️☕🍪

    1. Liebe Christiane, vielen Dank für Deine wohltuende Resonanz auf unser Tun. Ich denke, wir werden weiterhin mit großer Leidenschaft unsere Blogbühnen bespielen, nur mit dem Unterschied, daß wir um die Schreibdisziplin wieder jede für sich allein ringen müssen! Tausend liebe Grüße!

  2. Der Bundestag erinnert mich an das Strauß-Wehner-Geprügel anno lange her. Unterhaltsam, aber weder respektvoll noch zielführend. Scheint aber die Qualität der Zeit zu sein, weltweit, so scheint es. Die klassische Demokratie muss sic ändern, will sie bestehen. Dazu sind Einschnitte nötig, ich denke drüber nach, wie das ausschauen könnte und beobachte kommende Regenten.

    Alterheim – ja. Bin da regelmäßiger Gast in Sachen Mutter.

    Gruß Reiner

    PS: Ich las euch beide gerne, da wird sich Neues auftun. Mal denke ich auch über so ein Ko-Geschreibe nach, aber ich wüsste niemanden passendes.

    1. Lieber Reiner, ja, ich erinnere mich auch an diese Zeiten, mein Vater liebte den Wehner. Ich fand das damals schon unter aller Würde, so miteinander umzugehen. Ich weiß natürlich, daß es angeblich zu einer gelebten Demokratie dazugehört, daß gestritten wird bis die Fetzen fliegen. Ich glaube nicht daran, daß „die Luft gereinigt“ wird dadurch, daß man alle Grenzen des Anstandes einreißt und sich mit Absicht tiefe Verletzungen zufügt. Da geht es lang schon nimmer um irgendwelche Themen, sondern um das Eindreschen auf Personen, auf die man dann noch hämisch spuckt, wenn sie schon am Boden liegen. Meine Güte, was für schäbige Arena. Aber auch da bleib ich zuversichtlich, so gut es geht, denn es drehen keineswegs alle durch, wenn es um Macht und Einfluß und wasweißich noch alles geht. Schlimmer als die kämpfenden Gockel sind ja diese Kopfgeldjäger, die noch schnell für beträchtliche Summen in Doktorarbeiten etc. herumwühlen … aber lassen wir das, alles geht seinen Gang, warten wir ab, was passiert. Das Altersheim, in dem wir ja wohl oder übel alle mal landen ist ein großes Kapitel und wir müssen uns da selber drum kümmern, aber das ist eine eigene Geschichte. Servus, und ganz liebe Grüße an Dich!

  3. Nun ist es also passiert, werte Graugans, werte Kraulquappe,
    (ich kopiere diesen Kommentar in beide Blogs).

    Eure nächtlichen Betrachtungen habt Ihr eingestellt. Schade ist das, was es doch ein besonderes Lesevergnügen am Mittwoch Morgen, quasi ein Highlight der regelmäßigen Blogroll-Lektüre. Viel habt Ihr über Euch erzählt, Euer Erlebtes, Eure Gedanken, Euer Empfundenes. Viel mit Substanz, Tiefe, Persönlichem.
    Man meint, mit der Zeit Euch zu kennen, wie man Leute aus dem Dorf kennt, sich grüßt, zulächelt und wenn man sich regelmäßig beim Einkauf im Supermarkt trifft, auch mal ein paar Worte wechselt. Ist dann der andere mal nicht da, bemerkt man schnell: Da fehlt was. Es ist diese verlässlische Regelmäßigkeit.
    Mir hat die Reihe enorm gut gefallen, fast hätte ich in schillerscher Manier die Bitte geäußert, im Bunde der Dritte sein zu dürfen. Das erschien mir unangemessen und aufdringlich, ich habe mich aber inspierieren lassen, davon eine Sonntagsserie anzufangen, nicht verlässlich jeden Sonntag, aber doch regelmäßig Miniaturen meines Sonntagslesens zu schreiben – vorproduziert, zugegeben, die Veröffentlichung morgens um 7, wenn nach alter TV-Historie die Welt noch in Ordnung ist, wäre sonst ein zu arges Unternehmen.
    Ich weiß, Ihr bleibt dem Blog-Universum treu und ich Euch als Leser. Ich bin gespannt auf Neues. Also: Bitte haut weiter in die Tasten.
    Liebe Grüße
    Lutz

    1. Lieber Lutz, freu mich wahnsinnig über Deinen Kommentar, vielen Dank dafür! Du hast natürlich Recht, wir machen im Prinzip genauso weiter auf unseren Blogs, aber wir müssen halt ab jetzt wieder um die leidige Schreibdisziplin jede für sich allein ringen , das wird schon eine große Umstellung! Ich freu mich sehr, daß Du beiden Blogs gewogen bleiben willst, denn unsere Arbeiten sind ja öffentlich und selbstverständlich will doch jede r gelesen und beachtet werden, nicht wahr. Hab vielen Dank und alles Liebe für Dich!

  4. Schade, dass ihr Schluss macht. Ich habe eure Beiträge zwar nicht immer, aber oft und gerne gelesen. Leider klappt es mit den Likes und den Kommentaren oft nicht, warum auch immer.
    LG eva

    1. Vielen Dank liebe Eva, daß Du uns lesend begleitet hast, wir machen genauso weiter, ob wir es mit der gleichen Schreibdisziplin hinkriegen wird sich zeigen, wir sind aber beide weiterhin mit großer Leidenschaft auf unseren Blogbühnen zugange! Viele liebe Grüße!

  5. Mir tut es auch leid, dass das Projekt beendet ist. Eure Texte waren immer gedankenspendend. Der Blog-Mittwoch wird viel ärmer, aber wer weiß, was nachkommt, es kann ja schließlich auch Gutes nachkommen.
    So ein Besuchskreis ist doch eine wirklich gute Idee. Wenn`s nicht so weit wäre, wäre ich in Versuchung mitzumachen.

    1. Liebe Myriade, vielen Dank für Deinen Kommentar, es wird sich auf unseren Blogbühnen nichts Grundlegendes ändern, außer der Tatsache, daß wir uns um die Schreibdisziplin wieder ganz alleine kümmern müssen! Wie irrsinnig schön, daß Du womöglich mitmachen tätest … aber Wien ist halt ein Stückerl zu weit weg von hier. Aber weißt Du was, sollte ich in meinem Alter mir nochmal die Gründung von so einem Sozialprojekt zutrauen, dann erfährst du es natürlich und ich bin ja der Meinung, unverbesserlich, daß wir uns über jegliche Grenzen hinweg vernetzen sollten, der Bedarf ist drüben wie herüben extrem dringend! Pfiati und ganz liebe Grüße!

    1. Oh, wie schön! Wenn Du Ihn wieder triffst, umarm Ihn bitte ganz fest von mir und überreiche dem König einen Strauß duftender Gedankenrosen mit meinem Wunsch, Er möge glücklich sein und Seine Visionen pflegen, die Welt braucht sie, mehr denn je!

  6. Frau Graugans, ich danke dir für dein Projekt, das nicht wenige anregende Stunden zeitigte.

    Schöne Grüsse, Robert

    PS: und vielen Dank für deinen wachen Kommentar andernorts!

    1. Ach ja, lieber Robert, das Echo andernorts ließ nicht auf sich warten. Ich dank Dir, daß Du verstehst, daß ich da nicht schweigen konnte. Viele liebe Grüße!

  7. Ich mochte Euch beide auch gern lesen und wusste so, wann Dienstag bzw. lesenderweise Mittwoch war. Ich hab Dich durch die Kraulquappe gefunden und freu mich drüber. Schöne Grüße. Birgit

  8. Vielen Dank für den wunderbaren Filmtipp – gleich umgesetzt, sitze ich hier noch mit Honigkuchengrinsen. In Eure Geschichten bin auch gerne getaucht und hoffe auf weitere, auch ohne Schreibdisziplin. Herzensgrüße Susanne

  9. Danke für Eure Dienstagsbeiträge, die ich oft erst sonntags lese – aber immer gerne! Ich hoffe, Du schreibst weiter. Dem Besuchsdienst würde ich mich anschliessen, wenn ich in der Nähe wäre. Ich denke über etwas Ähnliches nach, wenn ich einmal pensioniert bin.

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