Wohin gehen wir?

Sherry hat mir erlaubt, von ihrem wunderbaren Herz im Kopf Blog nachfolgenden Text hier zu veröffentlichen. Jetzt, ein paar Stunden vor  dem Silvesterspuk möchte ich diese Worte  dankbar und beschämt auch an Euch weiterreichen, laßt sie uns immer wieder genau lesen und ins Neue Jahr mitnehmen!

Appell

Kleine dunkeläugige Kinder haben Angst. Sie fragen ihre Eltern, ob sie nun weg müssten. Auch wir haben ein ganz mulmiges Gefühl, das Selbe, das wir hatten, als wir uns damals, als wir nach Deutschland kamen, mit dem Nationalsozialismus beschäftigen mussten. Der Lehrplan erforderte all die tragischen Biografien, die Entwicklungen menschlicher Interaktion und Beeinflussung, wie es mit kleinen Vorurteilen begann und wie schnell daraus Hass wurde. Wie schnell dieser Hass zum schweigenden Abnicken größter Verbrechen wurde. Auch damals schwieg man, weil viele dachten, Nachbar Meyer würde all das auch für richtig halten, also musste es richtig sein.

Im Moment wissen viele meiner Freunde und Kollegen nicht, wie wir uns fühlen. Sie selbst neigen dazu, diesen “Haufen Irrer in Dresden” nicht ernst zu nehmen. Aber fünfzehntausend, das ist nicht nur eine abstrakte Zahl, das ist eine Menge, in der man untergehen kann. Sie verstehen noch nicht, dass wir uns nicht verstecken können. Wir sind stigmatisiert mit schwarzen Haaren und dunklen Augen. Eigentlich schöne Merkmale. Doch in den letzten Tagen habe ich kurz gedacht, um wie viel sicherer das Leben wäre, hätte ich doch blonde Haare, helle Haut und blaue Augen. Damals dachte ich nur, um wie viel leichter es wäre, heute um wie viel sicherer.

Wer denkt, ich würde übertreiben, muss erst einmal wir sein; muss erst einmal erfahren, wie es ist, zu einer Minderheitengruppe zu gehören, die nun und immer wieder als Zielscheibe dient. Es gibt viele deutsche Freunde, die stellen sich vor uns und gegen sie. PEGIDA-Demos in NRW (Bonn, Düsseldorf) konnten gar nicht angetreten werden, weil die Gegendemonstranten sie um Weiten überboten. (Danke …) Und dennoch ist Dresden nicht weit genug weg, und braunes Gedankengut überall im Netz verbreitet. Die, die noch immer dazu schweigen, weil sie vielleicht nicht wissen, was sie sagen sollen, denen die Formulierung schwer fällt, weil ihnen die Wut den Rachen stopft oder die ihre Blogs nicht mit widerlichem Gedankengut beschmutzen möchten, würde ich gerne etwas mitteilen: Ja, ihr habt das Recht, eure Blogs und Medien frei von Schmutz zu halten, euch nicht mit allzu negativen Dingen in jedem Raum eures Lebens zu belasten. Aber ihr habt ein weitaus mächtigeres Mittel in der Hand, als ihr denkt: Ihr könnt anderen vermitteln, was das Richtige ist, ihr steckt die bereits vorhandenen ähnlichen Gedanken an, ihr zündet sie quasi an wie Fackeln, die in ihrer Mehrzahl mehr Licht spenden als allein und ungeäußert. Ihr zeigt, dass ihr präsent seid. Wenn wir ruhig bleiben (so wie viele Migranten gerade übrigens), dann denken PEGIDA, Ihr und wir Migranten, dass sie in der Mehrzahl sind. Dass sie Recht haben und dass ihr alle hinter ihren Rücken steht. Wenn ihr kein Wort über diese Vorfälle verliert, trotz dass wir zusammen in einer Schulklasse saßen und gelehrt bekommen haben, wie schnell ein Vorurteil zu einer staatlich gewollten Massenhinrichtung führen kann, dann stärkt ihr diese wütendenden Anti-Alles-Menschen, weil sie denken, sie hätten keinen Widerstand und würden lediglich die geheimen Gedanken der meisten Deutschen mit ihren Taten und Parolen Luft verschaffen. Sie fühlen sich als Helden und Pioniere, die euch im Geiste an der Hand halten und vertreten.

Ich bin kein Mensch, der irgendwen zu irgendetwas drängen möchte. Niemand von euch muss sich für seinen liebsten Dönerverkäufer einsetzen, oder für die Klassenkameraden seines Sohnes oder für die beste Freundin seiner Tochter oder der Nachbarin, aus dessen Küche es so exotisch und lecker riecht und die euch ab und an etwas mitbringt von ihren Köstlichkeiten – niemand muss das. Aber wenn ihr euer Medium nicht nutzt, um wenigstens ein einziges Mal Stellung zu beziehen oder ein Gedankengut zu verbreiten, das eurem am nächsten ist, dann werdet ihr euch das verdammt nochmal vorwerfen, wenn wieder ein Asylantenheim brennt – und wenn alles, was darauf folgt, ein Déjà vu dessen ist, was eure Großeltern euch erzählt haben. Teilt meinetwegen nur diesen Artikel, wenn das Schreiben euch gerade noch schwer fällt, weil die Scham schwer drückt oder die Wortlosigkeit hemmt. Er erzählt von der Angst und von der Sorge eurer (ausländischen) Mitmenschen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Leute damit durchkommen, wenn sie sagen, dass die Mehrheit der Deutschen hinter ihnen stünde. Wenn wir schweigen und sie immer mehr davon überzeugt sind, all das im Sinne des “deutschen Volkes” zu tun, wird ihre Bewegung nicht mehr zu stoppen sein. Sie schreien jetzt schon wie die aufgescheuchten Hyänen: “Wir sind das Volk”. Damit meinen sie auch jeden, der dazu schweigt. Also hört auf zu schweigen.

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Ich wünsche allen, die mich hier, „zwischen Himmel und Erde“ besuchen, ein wunderbares Neues Jahr 2015! Ich danke Euch allen von Herzen für Eure freundlichen Kommentare, Eure hinterlassenen Likes und für das Wahrgenommenwerden!

Mögen die Schmerzen ein wenig leichter werden, die Krankheiten besser zu ertragen , mögen wir uns trauen, uns aufzuregen und das Maul aufzureissen, wenn es nötig ist! Und möge das Feuer in unseren Herzen nie, niemals verlöschen! Ich zünde eine Kerze an für Euch, für mich und alle Wesen um uns herum, die sichtbaren und die unsichtbaren! Ich schicke Grüsse hinauf zum Himmel, mögen sie als Sternenstaub auf Euch herabregnen!

4 Gedanken zu „Wohin gehen wir?

  1. ich danke dir für all die feinen Wünsche, aber auch fürs rebloggen von Sherries Text, der mir vor ein paar Tagen schon einmal unter die Haut fuhr.
    ja, lass uns unser Maul aufreissen und nicht mehr peinlich berührt oder ängstlich schweigen, es nutzt niemanden etwas, wenn wir uns klein machen

    auf ein Neues, Altes … herzliche Grüsse Ulli

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