24T. – Mutmaßungen über meine Mutter, Tag 13: Martin Piekar

Erdbeeren, Ehrenamt & Enttäuschung

Auszug aus: Vom Fällen eines Stammbaums.

<Hmmmm, so gut, Marcin. Takie dobre truskawki – hmmmm – (so gute Erdbeeren).>

Ja, die sind vom Bauern. Bissl teurer, aber dafür Lecker und regional.

<Ah wie viel hat gekostet?>

Das Kilo neun.

<Was? Das ist teuer. Aber noja, dafir ist lecker und frisch, wie von Busch. Du schmeckst, oder? So frisch! Letzte, die du gekauft hast waren aus Spanien, die waren … hmmm … ok, aber viel Wasser. Zu viel Wasser. Nicht so gute wie diese!>

Ja, dafür zahl ich auch gerne mehr. Du weißt, Spanien und Obst ist derzeit ein Problem.

<Ich weiß, mit die Flichtlinge, so Schweinerei, die benutzen die wie Sklave.>

Genau deswegen kauf ich lieber regionale. Und du bekommst jetzt Pflegegeld, da kannste auch mal ordentlich Obst essen.

<Marcin, ah sag, suchst du neue Arbeit oder suchst du keine Arbeit? Aber sag ehrlich.>

– die Schule, an der ich angestellt war, war gezwungen mich zu entlassen. –

Na, Mama, was soll ich darauf antworten?

<Schrei nicht so!>

Ich schrei doch nicht.

<Jetzt sagt nur: Schreibst du Bewerbunge?> Meine Mutter betonte – sehr polnisch – die vorletzte Silbe, BewerBUNGe. Als würde sie vom Volk der Bewer-Bunge reden.

Mama, mach dir keine Sorgen, ich bin am Ende meines Studiums, ich muss nur noch das Examen machen. Zudem arbeite ich bereits sechs Jahre als Lehrer. Irgendjemand wird mich brauchen, irgendjemand wird mich nehmen. Ich find schon was.

Ich stand auf und ging ein paar Schritte auf und ab.

Pflegetipp

Lehrer*innen, die in ihre eigene Ungewissheit unterrichten, unterrichten Mist. Niemand kann erziehen und in den eigenen Ruin blicken. Lehrer*innen, die in die Ungewissheit unterrichten, sind an die Handnehmer*innen.

<Arbeite ist anstrengend.>, sie senkte den Blick erst, fokussierte ihn mit Wut und Unverständnis und richtete ihn dann wieder auf: <Deswegen ich habe diese Ehrentamtliche nie verstanden. Arbeiten und keine Geld bekommen? Leck mich in Aasch!>

No, Mama, die machen halt etwas, das sie lieben. Oder sie machen etwas, das sie für wichtig erachten, dass sonst niemand tut.

<Stehe auf Straße und geben Essen fir Obdachlose.>

Genausowas!

<Aber wenn die umsonst machen, dann zahle doch keine. Wenn niemand wirde umsonst machen, dann wirde jemand bezahlen. Wie glaubst du?> Sie zog gleichzeitig die Schultern und ihre Augenlieder hoch, den Kopf nach vorne, sie verharrte in dieser Position. Sie fragte mich wie ein spähender Vogel die Weite der Ebene.

Ich glaube, dafür würde sonst auch einfach niemand zahlen. Das sind keine Jobs, die weggenommen werden, das ist einfach nur Hilfe.

Meine Mutter drehte den Kopf abrupt von mir weg und schnaufte dabei: <Ehrenamtliche, nie, Marcin. Ich verstehe das nicht. Was soll das? Wozu machen das die Leute?>

Hast du nicht so geweint, als dir von der Tafel damals Essen gegeben wurde?

Mama schnaufte.

Du hast deine Arbeit nie gemocht, oder? – Ich sagte das in einem spöttischen Ton. Ich erwartete ihr Paroli.

<No nie, Martin. So kann man das nicht sagen, ich habe viel gearbeitet, was war scheene Arbeit. Meine Arbeit ich habe nie gefunden schlimm. Nur diese … reżim żyćia: frieh aufstehen, alle Termine nach Arbeit stellen. Ganze Leben wie eine Regime von Arbeit. Das! Das ich habe wirklich gehasst. Gehasst!, ich sage dir! Wie ich noch war Lehrerin in Polen, ich habe gerne gearbeitet mit die Kinder und Jugendliche. Aber diese friehe aufstehen – oi, das hat mich immer nicht gefallen.>

Ja, Mama und es gibt eben Menschen, die neben ihren Job noch Zeit und Möglichkeit haben, noch was zu machen, manche haben nen Hobby, manche wollen anderen Menschen helfen.

<Sollen sie erstmal sich selba helfen! Ich habe auf de Land gearbeitet als Lehrerin. Ich habe selbst Bicher gekauft, auf meine budżet! Fir Schule und fir Biblioteka.>

Das ist doch großartig, Mama, warum musst du das jetzt als Argument dagegen nutzen?

<No, ich sage dir, ich verstehe, warum die das machen, diese Ehrenamt. Ja! – ich verstehe nur nicht, dass sie sowas machen. In Stadt ich habe morgens wie Lehrerin gearbeitet und abends nochmal schwarz, weil war so wenig Geld. Dann ich bin auf die Land gegangen in Polen. Die haben immer Lehrerinne gesucht. Warte, ich brauche Zigarette.>

Meine Mutter stopfte sich einige Zigaretten, das Stopfgerät vor Augen wie bei einer komplexen Operation. Ich weiß nicht, ob sie vollkonzentriert auf das Stopfen war oder, ob sie sich sammelte mir eine Geschichte zu erzählen. Früher hätte ich sie gedrängt und hätte auf ein schnelles Ende der Geschichte gehofft.

Pflegetipp

Die Gegenwart ist ein loadscreen. Geben sie der Vergangenheit und ihrer Erzählung Zeit, dann wird die Zeit verständlicher, d.h. mit der Zeit wird die Vergangenheit gegenwärtiger.

<Weißt du, Artur.>

Ich bin Martin.

<Ach, Martin. Ich liebe euch beide! Damals ich habe gelebt mit Artur. Dann ich bin zu Ministerium edukacji gegangen. Du weißt, was ist, ja?>

Bildungsministerium.

<Genau.> Sie steckte sich eine Zigarette an und paffte drei Mal. <Ich habe gewusst, die suchen immer Lehrere fir Land. Wo die Dorfe sind und so.>, machte eine Handbewegung in eine weite Ferne. <Die haben alle Lehrere versucht zu bewerben fir die Land. Und ich bin gekommen, habe gesagt, ich will auf Land als Lehrerin arbeiten. Die haben vielleicht geguckt, mit große Auge. So. Frau? Und will von selba?> Sie steckte sich kräftig ziehend die Zigarette in den Mund und zog mit beiden Zeigefingern ihre Augenbrauen in die Höhe und ihre Wangen nach unten. Als würde sie ihre Augenhöhlen vergrößern. Meine Mutter ist keine gute, aber sehr erheiternde Schauspielerin.

<Und schon nächste Schuljahr ich war auf de Dorf. Auf de Land war gut, dass Wohnung wurde von gmina bezahlt – wie heißt gmina auf Deutsch, Marcin?>

Gemeinde

<Genau! Oh! Gemeinde hat mir Wohnung auf de Land gezahlt. In Stadt hast du bestimmte Sache nur noch auf kartki bekommen. Fleisch, Wodka – alles nur auf Karte. Und auf de Land,>, sie lachte vergnügt, <du hast von chłop alles bekommen. Immer!> (Chłop kann mit Bauer oder Bursche übersetzt werden.)

<No! Bauer hat immer Fleisch und Milch. Du, ich habe so viel Milch im Monat gehabt, wie ich wollte. Ich habe einmal bezahlt und Bauer und Bauerin haben mich immer gegeben, ich konnte nehmen, wann ich will und wie viel.>

Du hattest ne Milchflatrate – sagte ich grinsend, wissend, dass meine Mutter gar nicht weiß, was eine Flatrate ist.

<Oh, Marcin, hast du schon selbstgemachte Quark gegessen? Weißt du wie macht man twarożek? Du nimmst Flasche Milch und lässt du drei Tage stehen. Dann nach diese drei Tage, du nimmst Topf mit Wasser und machst Wasser warm, aber darf nicht kochen. Du stellst Flasche in warme Wasser, aber die Milch in die Flasche darf auch nicht kochen. Ganz vorsichtig. Und dann noch przez durszlak (durchs Sieb). So gut das schmeckt. HMMM!> Sie vereinte die Fingerspitzen des Daumens, Zeige- und Mittelfingers und küsste sie lautstark. Das kulinarische Qualitätssigel meiner Mutter.

Und das heißt auf dem Dorf hattest du dann ne freie Wohnung, gute Versorgung und hast gearbeitet?

<Gute Versorgung? Pffft. Ich wollte do sklepu (in Laden) gehen, da gab es eine Laden, weißt du. Diese sklep hat einmal die Woche – nie, zweimal die Woche Lieferunge aus die Stadt bekommen. Zweimal! No guck mal, was ich dir jetzt erzehle.>, Meine Mutter fertigte eine weitere Zigarette und klopfte dreimal mit dem Filter auf den Tisch.

<Die Kinder von Grundschule aus meine Klasse wussten nicht, was war Zahnbirste. Ich dachte mir, no, das kann nicht sein. Da stimmt was nicht. So ich gehe in diese Laden und sage. Ich brauche Zahnbirste. Diese Mann sagt mir: gibt keine. — Wie gibt keine? Und diese Mann, welche gehert diese Laden, sagt: wenn keine kaufe, dann ich verkaufe keine.> Meine Mutter schaute mir rauchend in die Augen. Ihre Lider auf Halbmast: Resignation vor Lächerlichkeit. Sie war wieder dort, in diesem Laden. Und nickte bloß.

Pflegetipp

Das Nicken in die Vergangenheit verstehen lernen ist wichtig. Es ist keinesfalls ein Abnicken, es ist keine Resignation gegenüber der Zukunft, sondern gegenüber der eigenen Vorstellung von Zeitgenossenschaft.

<No und dann war auch keine Zahnpasta zu kaufen. Wozu, wenn gibt keine Birste, ja?> Sie nahm einen grellen Zug. <Ah chuj, zwei Mal die Woche komme Lieferung mit Essen und mit Bier und wódka – aber Zahnbirste war keine. Martin, mach bitte eine Kanne Tee.>

Ich ging den Wasserkocher arbeiten lassen. Als ich zurückkam, saß meine Mutter etwas ernüchtert da und nickte als sie mich sah.

<Einmal, nein, oft, ich habe oft so gemacht. Ich bin nach Arbeit mit Taxi nach Białystok und wieder zurick. Zu Apotheke bin ich gefahren. Zahnbirste, Zahnpasta, Szampon na wszy. Weißt du, was wszy ist, Marcin?>

Läuse, Mama, ich weiß.

<Die hatten auf Dorf oft und viel Leuse und ich habe nur eine Flasche fir jede Familie gekauft. Das war alles meine Geld fir diese Monat. Weißt du, wie teuer war? Sowieso keine Geld und dann ich habe versucht die Familie zu helfen. Aber was ist eine Flasche szampon. Guck mal, die haben große Familie gehabt. Kleinste Familie war acht Kinder! ACHT!> Kopfschüttelnd stopfte sie die nächste Kippe und die übernächste, ich ging den schwarzen Tee und Tassen holen. Sie stopfte auf Vorrat, sie wusste, dass die Erinnerungen nicht nur kurz zurückkämen.

Ich bewundere dich, sagte ich ehrlich, dass du dir so viel Mühe gegeben hast.

<No sicher, ich bin ieberhaupt auf die Dorf gegangen, weil ich wollte Welt verendern. Ich wollte kultura fir die Kinder und dass sie bessere Leben haben, vielleicht aus diese Scheißdorf rauskommen. Ciemnota. Oder wenigstens kriegen andere Mentalitet.>

Aber, das ist doch wunderbar, den Traum habe ich ja eigentlich auch als Lehrer, Mama. Ich will einen Unterschied machen.

<Ja, ich wollte Welt verendern. Heute weiß ich, wie dumm ich war. Aber damals ich dachte, so geht das! Das war richtige zawód.>

Zawód? Was meinst du? Meinst du Beruf auf Polnisch? Du meinst aber nicht Job damit, oder? Zawód heißt doch eigentlich Beruf oder?

<Zawód. Das ist, diese Gefiehl, wenn du machst was und geht nicht. Du willst machen gut, aber geht nicht. Versuchst und versuchst, aber du kannst nicht schaffe.> Ich schenkte uns Tee ein und verschüttete bei meiner Tasse ein wenig. Ich war sofort dabei es – genervt – aufzuwischen.

<Weißt du, manchmal ich musste zwei Klassen zusammen unterrichten, eine dritte Klasse und eine vierte zusammen. Das war furchtbar. So eine Stress. Das ist schwierig Martin, du glaubst nicht. Du machst eine Plan und ist scheiße, dann machst du nochmal neue Plan und geht’s nicht und dann dritte Mal funktioniere vielleicht.> Rauchschwaden beschleunigten kurz als meine Mutter leicht auf den Tisch haute. <Und dann po lekciach (nach dem Unterricht), ich habe Sportclub gemacht. Das war za darmo (umsonst), bez zapłacenia (ohne Bezahlung). Ich habe diese Sportclub aufgemacht an Schule. Vorher war keine! No, ich dachte, sowas gibt es nicht in Polen: szkoła ohne Sportclub.> Meine Mutter lehnte sich zurück und drehte den Kopf leicht zur Seite.

<Wir haben dann Leichtathletik gemacht und Volleyball und Basketball. Ohne mich, niemand hette gemacht. Und das alles mit Kind. Marcin war ja mit mir! Die ganze Arbeit und dann nach Hause mit Kind!>

Artur, Mama, Artur.

<Ja, du weißt!>

Aber dann hast du doch sicher das Leben vieler Schülerinnen und Schüler verändert.

<No, aber sicher. Einmal haben meine Mutter und ciotka Halina mich besucht. Sie haben gesehen wie ich lebe und haben geweint. Sie haben mich gebetet, dass ich wieder nach Białystok komme. Geweint haben sie, ich sage dir. Aber ich wollte nicht. Ich wollte Welt verendern.> Sie nahm einen Schluck Tee und säuberte ihre Tabakstopfmaschine. Dann nahm sie noch einen Schluck Tee. Ich glaube, sie wollte ihre Hände beschäftigen.

<ich habe so viele gemacht, Martin. So viele.> Sie saget es in einem müden Ton, als wäre sie mal wieder durch das Kleingeldfach ihres Portemonnaies gegangen und hätte realisiert: es reiche nicht.

<Ich habe mit eine Klasse drei Ausfliege gemacht, immer zehn Schiler, weil mit dreißig du kannst nicht fahren irgendwohin. Ich habe organisiert. Mit Bus. Wir sind auch zu Bahnhof gegangen, damit die einmal im Leben Zug sehen. Erste Mal fir fast alle. Natirlich wir waren an die Bahnhof in Białystok.>, sie grinste.

<Dann ich war sehr beliebt bei Schiler, bei alle, aber besonders bei die elteste. Noja, ich war junge Lehrerin, ich habe auch Mini getragen, ich hatte lange Beine. Ich war dinn, ich hatte sehr schlanke aber scheene Beine. Und alle haben geredet ieber mich… Ich war wie Ikone.> sie lachte und deutete an, dass sie mit dem Tee mit mir anstoßen wollte. Wir stießen an und sie machte dabei ein Gesicht, dass eine Heilige imitieren sollte und bekreuzigte sich dabei. Sie tat es bewusst schlecht und war so gut darin.

<Mir war egal. Manchmal ich kam nach Arbeit nach Hause und Korb war vor die Tir. Korb mit Geschenke. Mit Käse und Polędwica (geräucherte Schweinelende). Artur wpierdalał (verschlang diese). Aber wie. Das war so gut. Er war vielleicht sechs oder sieben und hat so geliebt diese Essen. Aber diese Geschenke, die hatten alle ihre Preis. So ist auf die Land.>

Wie lange warst du auf dem Land?

<Drei Jahre – nein, vier. Nach fast drei Jahre ich habe meine Kollegin Jagoda gefragt: machen wir noch eine Jahr und wir haben beide ja gesagt. Jagoda war Polonistin. Wir waren beide aus de Stadt, aber wir wollten Welt verendern. Noja, junge Mensch ist dumm, ja? Das war richtige zawód.> Meine Mutter lachte heiterlos und zuckte mit den Schultern.

Zawód? Meinst du Beruf, das war ein richtiger Beruf?

<Nie, zawód ist, wenn etwas ist nicht die Art gegangen, wie du wolltest.>

Das Wort kenn ich ja gar nicht. Ich muss das mal nachschlagen.

Ich holte mein Smartphone raus, pons.de wird es tun.

Mama, buchstabier mal bitte.

<Zet, A, Wu, O-U – das ist o z kreską, De.>

1. zawód – Beruf

2. zawód – Enttäuschung

Tatsache. Beruf und Enttäuschung sind im polnischen dasselbe Wort. Ich musste sehr lachen, meine Mutter nickte mit ihren Lidern auf Halbmast.

Pflegetipp

Jung und Alt haben es schwer mit Enttäuschungen und Berufen umzugehen. Beides erscheint einem Mal zu oft, Mal zu selten wie eine Berufung. Der Beziehungsstatus ist kompliziert.

<Jagoda war wichtige Freundin, nur zusammen wir konnten so lange aushalten. Noch dritte war Milena. Aber Milena ist geblieben. Sie hat so eine chłop geheiratet.> – wieder betonte meine Mutter sehr polnisch die vorletzte Silbe: geheiRAtet.

<Sie ist dann in diese Dorf geblieben. Aber nach vier Jahre sind Jagoda und ich zu Kuratorium gegangen und haben gesagt: jetzt ist Schluss, wir wollen neue Dorf.> Meine Mutter grinste breit.

<Die haben geguckt. Wir waren vier Jahre da, die haben Auge gemacht! So lange hat ieberhaupt niemand ausgehalten. So lange war die Dame schon in diesem Dorf? – hat eine Sekreter gesagt – dann sie bekommen neue Arbeitsstelle, sofort.>, Mama nickte stolz. <Leider Jagoda und ich mussten an verschiedene Orte. Aber war ok.> Der Tee floss an dem Tag wie Schnaps.

<Ich war an neue Schule in Dorf nur sechs oder sieben Kilometer weiter. Aber was fir Dorf. Ich hatte in Villa gelebt. Ich hatte eine große Zimmer, ist jetzt so groß wie meine zweiundhalb Zimmer in diese Wohnung. Martin jad na rowerze.>

Artur ist Fahrrad gefahren? So groß war es? Wow.

<Noja, wenn ich sage. Groß. Das war keine dumme Dorf, das waren keine buraky – bleede Bauer. Das war moderne Dorf. Sklarnie były.>

Treibhäuser meinst du oder?

<Ja! Ja! Oh! Und da waren so gute Obst und Gemise. Oh! Oh! Zum Beispiel truskawki (Erdbeeren). Und verschiedene Sorte, nicht nur diese eine wir kennen heute. Heute von so viele Obst ich sehe Sorte nicht mehr, die ich frieher habe ganz oft gekauft. Mir gefellt nicht, dass Sorte verschwinden. Ich sage dir, ich habe Erdbeere gesehen, die habe Falte gehabt und haben geschmeckt super! Noja, diese Bauer war reiche Mensch wegen diese sklarnie. Wir hatten warme Wasser, Martin, warme Wasser und eine Toilette in Haus. In andere Dorf wir hatte toaleta auf Straße, da war eine Bude! Nicht in die Haus! Nie, nie. Und fir Nacht wir haben eine Schissel gehabt, weil ich gehe doch nachts nicht raus auf Straße. Aber in diese neue Dorf da war warme Wasser aus Rohre. Dusche mit kafelki. So ganz modern und wir haben nicht in Wanne aus metał gebadet und Wasser erst auf Herd gekocht, nie, nie.> Meine Mutter nickte zufrieden. Wir stießen triumphierend mit Tee an und ich dachte grinsend: ich kenne immer noch nicht alle Geschichten.

Pflegetipp

Wer seine Eltern kennt, kennt seine Eltern nicht.

<Martin, ich will gerne noch duschen, kannst du mir gleich helfen? Ich habe diese dicke Fuß und ich will duschen, aber alleine habe ich Angst, passiere mir was. Ich bin wie traumatisiert nach diese Unfall und diese Krankenhaus; das war schlimmste, ich sage dir. Und nächste Mal bring bitte endlich diese Patientenfigung mit, ja? Bitte!>

Ja, klar. Bring ich mit. Und ich helfe dir beim Duschen, kein Problem. Mama, wie hießen denn die Dörfer?

<Die eine, die erste hieß Krynickie und die andere hieß Wojszki. Ja. Nur sechs oder sieben Kilometer ausnander und wie ganz andere Welt. Meine alte Schiler von erste Dorf haben gehert, wo ich unterrichte und sind durch die Felde gelaufen, um mich zu grießen. – Hallo Frau Cieslik, die haben gerufen zu mir. – Und ich habe gefragt: wo komme ihr her? Oh, ich wusste nicht, ich war so nah an alte Dorf. Weißt du, solange ich kann denken, ich habe nur in Stadt gelebt und dann ich wollte auf Dorf unterrichten und Welt verendern. Erste Jahre war, wie als hette mich jemand in Kosmos geworfen. Das war meine ehrenamtlich.>

Also bist du genauso doof wie die? – grinste ich sie an.

<Ja, dass du weißt! No, dass du weißt.>, sie nickte und nickte.

Text: Martin Piekar

4 Gedanken zu „24T. – Mutmaßungen über meine Mutter, Tag 13: Martin Piekar

  1. Ach, wie ich das kenne! In abgeschwächter Form, weil DDR-Variante.

    Beruf= Enttäuschung; da ist allerhand dran; auch jetzt im Westen.

    Und was die Lehrerei betrifft: Im Sinkflug total. Eine einzige Misere.

    Aber sag nicht, es würde nicht investiert! White Boards für Ruinen!

    Bremmmsss….. ich hör schon auf.

    Frohe Weihnachten.

  2. Nur dass du weißt: Ich habe zu weinen begonnen bei diesen Zeilen, und glaub mir, ich bin keine Heulsuse, im Gegenteil. Danke (Weinen kann befreien), das ist eine so schöne Geschichte einer großen Liebe, dass ich … einfach lachend heule.

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