Wenn man einen Menschen mit optisch-vermutbarem Migrationshintergrund
fragt: „Wo kommst du denn her?“, dann scheint es in Deutschland seit
einiger Zeit Mode zu sein, auf diese Frage extrem genervt zu
reagieren. Die „Spiegel“-Kolumnistin Ferda Ataman hat daraus sogar ein
Buch gemacht: „Ich bin von hier. Hört auf zu fragen“.
Seit nun zwölf Jahren lebe ich, geborener Hamburger, in den USA. Man
sieht mir nicht an, dass ich nicht von hier bin, aber die
Einheimischen können das natürlich bereits nach wenigen Worten hören.
Auch nach zwölf Jahren wird man den Akzent nicht völlig los. Den
meinen allerdings können sie hier meist nicht einordnen. Dann fragen
sie nach: „Oh, you’re not from here, right? Where do you come from?“
Ich lasse sie dann gern raten. Manchmal werden die Niederlande
vermutet, manchmal England, manchmal Schweden oder Norwegen (da grüßt
dann wohl meine isländische Vorfahrin durch, obwohl ich heute nicht
mehr blond bin), Deutschland merkwürdigerweise selten.
Ich würde hier auf völliges Unverständnis treffen, wenn ich auf die
Frage nach meiner Herkunft wie Frau Adaman reagieren würde. Wenn ich
dann sage, woher ich komme — und ich mache nie ein Geheimnis daraus
–, dann graben fast alle Amerikaner sofort einen Verwandten aus ihrem
Gedächtnis, der in Ingolstadt oder Balingen geboren wurde, oder sie
selbst waren als GI in „Heidelbörg“. Norddeutschland ist weniger
bekannt.
Mehr als einmal bin ich schon im Supermarkt oder auf der Post aufgrund
meines Akzents angesprochen worden, einfach so. Die Amerikaner sind
völlig offen und neugierig in dieser Hinsicht. (Man merkt den
Unterschied sofort, wenn man dann mal wieder in Deutschland ist.) Es
ist mir bei solchen Gelegenheiten schon passiert, dass, als ich
Hamburg erwähnte, sie mir eine Geschichte erzählten: In einem Fall war
es — mit Foto aus der Brieftasche! — die Geschichte, wie die
Urgroßeltern, arme Bauern, mit dem Schiff in Ellis Island gelandet
sind, mit buchstäblich nichts außer ein paar Klamotten in einer
Reisetasche. Seitdem muss ich jedesmal, wenn ich die Freiheitsstatue
sehe, an dieses Foto denken. Im anderen Fall waren es die inzwischen
verstorbenen Großeltern, die in Bremen gerade noch das letzte Schiff
erwischt hatten, das noch zu bekommen war, bevor man sie in einen Zug
gesetzt hätte.
Auf diese Züge bin ich übrigens noch nie angesprochen worden. Trotz
der Menorah, die zu den gegebenen Anlässen unten in der Lobby dieses
Hauses steht. Nennen wir das mal: Willkommenskultur.
Gastbeitrag: Jan Reetze
Selbstverständlich werde auch ich in Griechenland ständig gefragt, woher ich komme. Das ändert sich auch nach 40 Jahren nicht,und ich finde es durchaus nicht nervig. Nervig finde ich nur, wenn ich dann auf die Politik von Frau Merkel angesprochen werde, so als ob ich sie zu verantworten hätte…
Als ich kürzlich mit meinem Doppelstaatler-Sohn an einer griechischen Tankstelle von einem gut Griechisch sprechenden seiit langem hier lebenden Pakistani bedient wurde (ja, hier braucht man nicht selbst zu tanken!) und ihn, im Anschluss an eine Unterhaltung mit meinem Sohn, fragte: gibt es Unterschiede zwischen Pakistani und Griechen? rief er mit begeistert funkelnden Augen: „Ja! Sehr große!“. O, er war stolz darauf, Pakistani zu sein, und würde es auch nach hundert Jahren in der Fremde nicht hergeben.
Dasselbe gilt für Griechen.
Ärgerlich reagiert wohl nur, wer mit sich selbst im Konflikt ist: was bin ich? Welches ist meine nationale Identität? der Konflikt rührt aus der Schwierigkeit, eine eindeutige Antwort zu geben. So besonders bei Doppelstaatlern oder Menschen, deren einer Elternteil aus einem anderen Land stammt. Da gibt es dann Loyalitätskonflikte, die der Betroffene nicht für sich lösen konnte.