Von einem Menschen kann ich sagen, dass er frei sei. Wieso sollte ich das von einem Begriff (Das Scheitern) oder einem Zustand (nachdem eine Idee, ein Plan, ein Konzept, eine Überzeugung gescheitert ist) sagen können? Worin liegt die Freiheit des Scheiterns? Das Scheitern als menschliche Erfahrung ist immer siamesisch gebunden an ein Gelingen, an den erfolgreichen Ausgang eines Vorhabens etc., ohne diese es überhaupt nicht existieren könnte. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, der aber auch nicht scheitern kann. Wer das Wagnis eingeht, dem liegt der Erfolg zu Füßen, oder eben auch das Scheitern.
Betrachten wir die Freiheit des Scheiterns als metaphorisches, begriffliches Konstrukt. Das alleingenommen nämlich noch nichts aussagt, sondern erst dann Bedeutung erhält, wenn es sich als Teil einer Lebenshaltung entpuppt, die sich nicht unterkriegen lässt, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist. Falls diese Haltung nicht vorhanden ist, so ist es sinnlos, von der Freiheit des Scheiterns auch nur zu sprechen. Das Scheitern selbst macht nicht frei. Nur die positive Einstellung zu einem Risiko macht frei. Eine Risikobereitschaft, die nicht stehenbleibt beim ursprünglichen Scheitern, sondern sich dessen in einem Ausmaß bewußt ist, um auch in Momenten weiteren Scheiterns hoffnungsfroh und optimistisch ans Werk zu gehen. Das Gelingen und das Scheitern sind Teile der gleichen Wette. Ihr Einsatz und ihr Schmierstoff ist das Risiko.
Natürlich liegt auch eine Freiheit darin, sich sehenden Auges ins Unglück zu stürzen, oder einer Illusion aufzusitzen. Das sollte weiß Gott die Ausnahme bleiben, da hier das Aufblitzen eines möglichen Scheiterns nicht in Betracht gezogen wird. Da können warnende Rufe von außen noch so laut und eindringlich sein. Ein Proband, der eine Illusion verfolgt, ist gefeit vor jedweder Kritik und guter Zurede. Er ist einer, der aus keinen Fehlern lernt, weil er immer die gleichen Fehler begeht. Die Freiheit des Scheiterns zwingt ihn in diesen Fällen nicht dazu, sein Leben einer kritischen Betrachtung zu unterwerfen. Seine Risikobereitschaft ist auf Sand gebaut und geht auf tönernen Füßen. Er ist nicht interessiert an Erfahrungszuwachs. Der Protagonist in Dostojewskis „Der Spieler“ ist ein solcher Charakter. Wohingegen die Helden im deutschen Bildungsroman Beispiele davon abgeben, wie man seine Existenz, trotz aller Hindernisse auf dem Weg, zu einem guten Ende führen kann. Oder um mit einem Bonmot aufzuwarten, das im Kreise professioneller Pokerspieler die Runde machen könnte: Constant winning is for idiots.
Die französischen Existentialisten würden sagen, dass der Mensch zum Scheitern verurteilt ist. Gleichzeitig würden sie behaupten, dass dieser Umstand sie nicht weiter schere, da der Tod letztlich das größte anzunehmende Scheitern ist. Dieser aber nun einmal zum Leben dazugehört, als die andere Hälfte unserer Existenz. Diese rückhaltlos anzunehmen sei der einzige Quell unserer Freiheit. Und ich denke, dass das Scheitern eventuell jenen, die dem Konstrukt des Existentialismus anhängen, größere Lebensintensität verschafft als das Gelingen. Das Scheitern ist der Lieferant der Freiheit eines Lebens, das aus Fehlern lernt. Von William Wordsworth stammt ein Satz aus seiner Poesie: Gott, der die Sterne vor Fehltritten bewahrt.“ Sollte jener Gott auch Menschen vor Fehltritten bewahren? Das mag jeder für sich selbst entscheiden. Immerhin reden einige schon von der Kunst, hemmungslos zu scheitern, um Ideen zu gebären.
Text: Achim Spengler
Vielleicht ist die Freiheit z u m Scheitern gemeint? (macht für mein Sprachgefühl mehr Sinn)
Ja, so kann man´s auch verstehen, aber es bleibt eh allen, die hier schreiben, absolut selbst überlassen, wie sie das Thema gestalten, umschleichen, anpacken oder auseinandernehmen und ganz neu zusammensetzen wollen!
Scheitern hat mich meist unfrei gemacht, es würgte eher weitere Versuche ab. Oder belastete weitere Versuche zu sehr.
danke, lieber Achim, sehr gerne gelesen!