24 T. – Mutmaßungen … Tag 21: Über den Verrat

 

MÖCHTE MAN DEN VERRAT VERSTEHEN, SO MUSS MAN SICH MIT SEINER GENEALOGIE BEFASSEN.

Der Verrat ging als Zweitgeborener aus der Verbindung von Egoismus und Feigheit hervor, die eine Ehe führten, die von Unehrlichkeit und Unzufriedenheit geprägt war. Er ist der Mittlere in der Geschwisterreihe, sein großer, starker Bruder heißt Vertrauensbruch, seine kleine, dürre Schwester tauften sie Lüge. Die Kindheit des Verrats war entbehrungsreich und lieblos, die Eltern nicht in der Lage, sich ausreichend ihrem Sohn zu widmen.

Äußerlich ist der Verrat unauffällig. Erst bei genauerer Betrachtung bemerkt man, dass er an der linken Seite seines Kopfes ein Schlitzohr trägt und ihm das rechte Ohr gänzlich fehlt. Es wird überliefert, dass es ihm während einer Prügelei, in die er als kleiner Junge mit Zorn und Groll, seinen Cousins zweiten Grades, verwickelt war, vom Zorn abgeschnitten worden war, auch der Schlitz in seinem linken Ohr, soll in diesem Gefecht entstanden sein.

Ob Gerissenheit und partielle Taubheit schon vor dem Gemetzel zu seinen Eigenschaften zählten, ist nicht in Erfahrung zu bringen – Mutter Feigheit will nicht darüber sprechen und Vater Egoismus ist zu sehr mit sich beschäftigt, um Auskunft zu geben. Der Verrat selbst weiß nichts über sich zu berichten, das plausibel genug erscheint, um es hier verbindlich niederzuschreiben.

Nach seiner Adoleszenz verlor sich der Verrat in diversen Beziehungen, suchte Heimat, ersehnte Halt, fand nichts dergleichen und zog weiter. Die Jahre gingen ins Land, erst spät wurde er sesshaft und beschloss zu heiraten. Doch das Eheglück hielt nicht, was er sich von ihm versprochen hatte und das enttäuschte den Verrat sehr. Weil er sein Zuhause nicht aufgeben wollte, machte er sich heimlich zu weiteren Streifzügen auf und verbarg sein Tun mit unheimlichen Lügen.

Aus einem seiner Abenteuer entstanden schließlich seine beiden Töchter Scham und Schäbigkeit, die er notgedrungen zu sich nehmen musste, weil Ignorantia, die Mutter der Zwillingsmädchen, bei einem Unfall, der sich kurz nach ihrer unseligen Liaison mit dem Verrat ereignete, ums Leben kam. Das Übernehmen dieser Verantwortung stürzte den Verrat in eine tiefe Depression, vor der ihn keiner seiner Betäubungs- oder Fluchtversuche mehr zu schützen vermochte.

Text:
Kraulquappe

2 Gedanken zu „24 T. – Mutmaßungen … Tag 21: Über den Verrat

  1. Vielleicht kann man so verstehen, wie es dazu kommt, dass es so viele Unglückliche gibt, die anderen das Leben schwer machen (und sich selbst).
    Auf jeden Fall ist diese Mutmaßung für’s Weiterdenken geschrieben.
    Herzliche Grüße
    Ulli

  2. Von den Familien-Mitgliedern sollte schnell Abstand genommen werden. Persönlicher weiter führender Schaden kann so etwas gemildert werden. Der Buddhismus empfiehlt das Leiden zu brechen.

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