Archiv für den Tag: 6. Dezember 2024

24 T. – Der Weg: Tag 6

Cyanotypie aus der Serie 24 T / Motiv 6 - ©Michael Helminger (michael-helminger.de)
Cyanotypie – Eisenblaudruck Serie 24T(#06) – ©Michael Helminger

Die Äpfel bewahren die Geschichten in ihren Vorratskammern. Sie erzählen von der Unendlichkeit im Blau des Himmels, von der Hitze der Sommer, vom Regen, der auf glatter junger Haut abperlt, von den Symphonien der Bienen und Hornissen, den Kompositionen der Hummeln, den Taktschlägen des Spechts und der narkotisierenden Zuckersüße unter verschrumpelter Haut. Die Weisheit der Göttlichkeit des Seins ist in ihren Kernen gespeichert und sie wissen, daß sie fallen müssen, um das Rad des ewigen Kreislaufs weiter zu drehen. Im innersten Kern ist der ganze Baum schon vorhanden. Das ist ihr Geheimnis.

Ich denke immer, wenn ich einen meiner roten Lieblingsäpfel esse, an die Rosi. Sie war eine Cockerspanielhündin, die einen vorübergehenden Pflegeplatz brauchte, weil ihre Menschen aus irgendwelchen Gründen für ca. vier Wochen nicht in der Lage waren, sich um sie zu kümmern. Wir haben sie selbstverständlich bei uns aufgenommen, wie so unendlich viele Tierwesen im Lauf der Jahrzehnte, für die es keinen Platz mehr gab. Aus den Wochen wurden Monate und als die Rosi endlich wieder zurück sollte, da blieb sie neben mir, an mich gelehnt, sitzen und rührte sich nicht vom Fleck. Also sind aus den vier Wochen 10 Jahre geworden, und die Rosi ist dann irgendwann hochbetagt mit 19 Jahren gestorben.

Wir hatten ein gutes Leben miteinander, sie bekam alles, was sie wollte, durfte auch am Tisch betteln und mit der Nase uns anstupsen, sie durfte Knochen vergraben, die sie dann nicht mehr gefunden hat und sie durfte als Wasserjägerin in jeden Tümpel und jede Pfütze. Wir waren als Besuch mit Hund nicht beliebt, weil wir leider immer wieder zuviel Dreck in blankpolierten Haushalten hinterließen.

In den Jahren mit der Rosie hatte ich auf den Spaziergängen immer zwei Äpfel dabei, einen für mich und einen für sie. Wir hatten da einen Lieblingsplatz vor einer alten Hütte oberhalb von uns auf dem Hügel. Da hockten wir und haben unsere Äpfel gegessen, ich auf einer alten Bank und sie neben mir.  Und dann sind wir einfach so dagesessen und haben beide über das Land geschaut in Richtung Salzburg und noch weiter zu den Bergen. Wir haben beide nichts gesagt, nur gehorcht und geschaut.

Die Hündin und ich, wir haben die Ewigkeit miteinander geteilt und dann sind wir wieder heimgegangen.