Archiv für den Tag: 8. Mai 2024

# 50 An der Nordseite der Alpen

„Hauptsächlich wird es den Dauerregen im äußersten Süden geben. Das Tiefdruckgebiet zieht über die Alpen und der Regen fällt an der Alpennordseite ins Alpenvorland“. So wurde vor ein paar Tagen im Wetterbericht angekündigt, was zu erwarten war. Und die Aussage hat sich bestätigt: Es regnet und regnet und regnet … dauernd und unbeirrbar. Eigentlich regnet es nicht nur, sondern es schüttet wie aus Kübeln. Menschen, die hier Urlaub machen, sind voll des Jammers, sie hatten schließlich Sonnenschein, blauen Himmel , Flanieren in kurzer Hose am bairischen Meer und noch so einiges, was das touristische Herz begehrt, bestellt. Und jetzt hocken sie hier im Freizeitpark südliches Bayern, der „Schiemsee“ ist grau und aufgebracht und ungastlich, und die Berge, sofern man sie überhaupt sieht, hüllen sich in unwirsche Distanz und dampfende Nebelschwaden. Was soll man bei so einem Wetter anfangen? Viele landen da, wo sie auch daheim hingehen, beim Aldi. Und da hat man es dann mit Horden von mißmutigen und schlecht gelaunten Menschen zu tun, die sich für ihr Geld betrogen fühlen von der bairischen Wetterlage. Und ich muß mich beherrschen, wenn ich so Aussprüche höre, daß man im nächsten Urlaub doch wohl lieber in den Süden fliegen wird. Da bin ich versucht, zu sagen, daß wir hier ja schon im Süden sind und bezüglich Klima nicht mehr viel Unterschied zu den Flugzielen mit Sonnenscheingarantie vorliegt, denn entweder trocknen wir aus oder es schwemmt uns weg … das ist in Dubai auch nicht viel anders, wie kürzlich berichtet.

Aber ich sag nichts, und schau lieber zum Dach der architektonischen Scheußlichkeit des Aldigebäudes hinauf: da sitzt am höchsten Punkt vom First ein kleiner Vogel, der aus Leibeskräften sein Lied hinaustirilliert, in einer solchen Inbrunst und Lebensfreude, daß ich beim Zuhören vor lauter Glück gar nicht merke, daß ich längst waschelnaß bin und mir das Regenwasser über das Gesicht läuft.

Was für eine Freude, lieber kleiner Vogel, Dir zuzuhören!

Heute habe ich Stunden damit verbracht, zu suchen, in welcher Geschichte vom verehrten Jorge Luis Borges das nachfolgende Zitat genau steht … und habe es bisher nicht herausgefunden.

„Jemand setzt sich zur Aufgabe, die Welt abzuzeichnen. Im Laufe der Jahre bevölkert er einen Raum mit Bildern und Provinzen, Königreichen, Gebirgen, Buchten, Schiffen, Inseln, Fischen, Behausungen, Werkzeugen, Gestirnen, Pferden und Personen. Kurz bevor er stirbt, entdeckt er, daß dieses geduldige Labyrinth aus Linien das Bild seines eigenen Gesichts wiedergibt.“ Jorge Luis Borges

Aber ich bin wieder einmal aus dieser nur zum Schein erfolgslosen Suche verzaubert und bereichert aufgetaucht. Das Suchen ist oft eine Reise zu einem Geheimnis im Geheimnis im Geheimnis und dieses Mal bin ich bei einem Menschen gelandet, der im Keller seines Hauses das „Aleph“ gefunden hat und darüber war ich mir plötzlich sehr sicher, daß auch im Keller unseres Hauses ein Geheimnis verborgen ist … unter der Stiege war mal ein Gang, da bin ich sicher. Ob jener zum Aleph geführt hat …?

Wer weiß, was noch alles möglich ist, wenn man sich erlaubt, zu träumen.

Und da textet die Kraulquappe