Die extrem scharfsichtige Sonne scheint durch die offene Balkontüre, leuchtet jeden Winkel aus und zeigt ihn, der auf allen Flächen, in allen Ecken, auf allen Büchern des alten Hauses faul herumliegt. Überdeutlich zeigt er sich bei jedem Schritt, aufgewirbelt und tanzend in den Strahlen der Sonne. Servus, staubiger Bruder, sage ich, ich denk gar nicht dran, dich wegzuwischen, du gehörst dazu, wie die alten Balken und die Löcher im Dach. Der staubige Bruder ist normalerweise ein Schimpfwort, aber ich bin mir sicher, daß es die Bezeichnung auch im Rotwelschen gibt, dieser alten Geheimsprache der Vagabunden, der Fahrenden und der Gauner. Ich forsche seit Jahren um sie herum, vor allem in ihrer Verbindung mit der hiesigen Landessprache, dem bairischen Deutsch. Beide Sprachen sind miteinander verwachsen und bisher hat mir noch niemand glaubwürdig erklären können, welche zuerst da war.
Den staubigen Bruder, sowie jegliche Putz- und Räumarbeit hinter mir lassend, fahre ich heute am Nachmittag einem Hinweis nach, der im Jahresbuch des Heimatvereins steht und mich zu einem riesigen Findling führen soll, der vor einiger Zeit in einer Wiese entdeckt wurde. Über sieben Meter lang soll er sein, es gibt Fotos davon und eine Wegbeschreibung. Der Bauer, auf dessen Wiese er im Boden versunken daliegt, hat ihn ca. einen Meter tief ausgegraben, niemand weiß, wie groß er wirklich ist. Nach der pflichtgemäßen Meldung wurde ihm von der maßgeblich zuständigen Behörde mitgeteilt, daß für Ausgrabung und Erforschung des Steinbrockens kein Geld zur Verfügung stünde und man könne ihn gern wieder zuschütten. Kein Interesse also an diesem riesigen Stein, der von irgendwoher an diesen Ort gerollt war. Ich bin losgefahren und das schon zum zweiten Mal, und habe ihn trotz genauester Herumsucherei nicht gefunden. Das ist nichts Neues, manche Orte, und vor allem Steine verbergen sich und ziehen sich vor allzu intensiver Suche in sich zurück und werden nahezu unsichtbar. Manchen Ort habe ich dann durch Zufall entdeckt, als ich längst aufgegeben hatte. Und dann stellte sich heraus, daß der Ort ganz in der Nähe war und ich nur die Blickrichtung ändern hätte müssen. Das heißt, es hätte genügt, nur zu schauen, ohne den Vorsatz, etwas finden zu müssen. Ich werde es also ihm überlassen, ob er sich finden lassen will, der Findling.
Das alte Jahr haben wir denkbar schön beendet, mit zwei wunderbaren Filmen: „Fata Morgana“ von Werner Herzog und „Dialog mit meinem Gärtner“.
Grad um Mitternacht hörte der Regen auf und wir konnten ein wenig Richtung Salzburg spazieren und zum Himmel schauen. Ich liebe Feuerwerk und kann das große Geschimpfe darüber gar nicht verstehen. Ja, freilich wird viel Geld in die Luft geschossen, ja und? Es wird auch viel Geld versoffen und verraucht oder für sonstwas ausgegeben. Ja, es passiert auch immer was, wenn Menschen mit Raketen herumspielen. Ja, es gibt viel Unglück auf der Welt und es ist schlichtweg einfach nur unvernünftig, für ein paar Minuten ein Vermögen in die Luft zu schießen. Aber ich liebe es, was Unvernünftiges zu tun und es ist einfach so wunderbar, diesen bunten Sternen zuzusehen, die es vom Himmel regnet. Ein Feuerwerk ist für einen Augenblick pure glitzernde Seligkeit. Es ist so schnell vorbei wie das Leben, nichts bleibt übrig, aber für einen Moment zeigte sich das Glück.
Jetzt haben wir nach dem chinesischen Horoskop das Jahr des Drachen. Der Drachen ist auch mein Zeichen und ich freue mich auf dieses Jahr. Was immer es auch bringen mag, ich möchte es mit Freude durchschreiten und nach Lust und Laune leben. Und ich höre sofort meinen Vater sagen: was wäre, wenn das jeder täte …ja, was wäre dann?
Ich werde das Löwenfeuer in mir schüren und mich vom Drachen begleiten lassen, neue Wege suchen, alte pflegen, Menschen die Hand reichen, über Blödsinn lachen, mir weiterhin nichts sagen lassen, meine eigenen Wege gehen und meine eigenen Gedanken denken … ich bin zuversichtlich – mit dem Drachen an meiner Seite werden wir uns schon irgendwie durchschlagen.
Ihr Lieben da draußen: Bleibt mir hier gewogen, laßt uns weiterhin die Freundlichkeit pflegen miteinander, umeinander und uns weiterhin Geschichten erzählen. Ich wünsche Euch allen ein gutes Jahr, gute Begegnungen, schöne Musik, Arme, in die Ihr Euch hin und wieder fallen lassen könnt und trotz des ganzen Wahnsinns , der uns umgibt, am Morgen aufzustehn und festzustellen, daß uns die Erde immer noch trägt. Alles Liebe für Euch!
Hüte dich und bleibe still; fürchte dich nicht, und dein Herz sei unverzagt.
Jesaja 7,4
Die liebe Kraulquappe hat auch sicher schon vor Stunden was geschrieben!