Archiv für den Tag: 14. Dezember 2020

24 T. – Erkundungen der fernen Nähe … Tag 14

Immer liegt diese unsichtbare Bedrohung in der Luft und zehrt an Kräften und Nerven. Überall waren viel zu viele Menschen unterwegs, um einzukaufen für Weihnachten. Geschenke für die Lieben. Konsum gegen Angst. Konsum gegen Einsamkeit. Konsum gegen den Tod. Und jetzt wird also alles runtergefahren, was man mit Geld kaufen kann. Was könnte man schenken, ohne was einkaufen zu müssen? Ein paar liebe Worte auf Karte oder in einem Brief vielleicht? Und wenn man selber keine Worte findet, kann man Gedichte abschreiben und verschicken. Ich erinnere mich an früher, da schickten wir uns Briefe mit Worten von Trakl oder Hölderlin oder sogar manchmal Selbstgedichtetes … ich kenne kein anderes Medium, mit dem man einen Menschen so persönlich ansprechen kann und zeigen, daß man ihn wertschätzt und nur ihn meint. Ich habe großes Glück, meine Freundin B. schickt mir unermüdlich wundervolle Briefe.

Wir hoffen, daß die schlimmen Zahlen sich wieder etwas bessern. Wir bleiben jetzt daheim. Keine Fahrten mehr vorerst irgendwo in der Gegend herum und von Abend bis Morgen ist Ausgangssperre. Mein Radius wird kleiner, meine Reise ist nicht das geworden, was ich dachte, sondern geht immer mehr den inneren Häuslichkeiten zu. Einkehr halten in sich selbst … er -innern, sich verlieren dort, wo es immer dunkler wird, und die Dämonen lauern. Wir wollen das Ungemach nicht, auf dem Weg durch den dunklen Advent könnten wir lernen, es auszuhalten. Es ist ein Ringen um Zuversicht. Das ewige Karussell dreht sich immer weiter und bald werden die Tage wieder länger und alles beginnt von vorn. Immer öfter erscheint die Frau mit der Katze und sagt merkwürdige Dinge. Ich denke mir, sie wird schon ihre Gründe haben und versuche erst gar nicht, sie zu dechiffrieren, sondern schreib sie einfach auf.

Und kürzlich hab ich bei Bludgeon ein Lied gefunden, das so wahnsinnig schön ist, daß ich es immer wieder höre.

24 T. – Erkundungen der fernen Nähe … Tag 13

Heute, am 13. Dezember im Jahr mit 13 Monden stehe ich vor den 13 Eichen und sehe, daß sich bei einer von ihnen auf dem Stamm Linien abzeichnen, die immer mehr zu einer sehr zarten, feinen Gestalt sich formen. Der Regen wäscht alle übrigen Stämme blank, hier läßt er die Umrisse stehen. Wir grüßen einander, leise und freundlich.

Ich sitze da und spiele mit der Flöte dem Haus und mir die alten Weihnachtslieder vor, mancher Ton liegt daneben, wir freuen uns trotzdem, das Haus und ich.

Dann lese ich bei Beate auf ihrem Blog Linienspiel diese Worte von Anais Nin: „Und es kam der Tag, da das Risiko, in der Knospe zu verharren, schmerzlicher wurde als das Risiko, zu blühen.“ Und dann gehe ich durch den Hausgang, am Winterquartier der Kakteen vorbei und da sehe ich, daß eine der Knospen, die der Kaktus seit zwei Monaten wie ein jahreszeitliches Versehen an sich trägt, aufgegangen ist und eine wunderschöne Blüte geboren hat.

Wunder sind manchmal ganz leise und dem Glück ists egal, ob das Fenster schief ist, vor dem es erstrahlt.